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»Ich weiß. Aber du scheinst darauf zu bestehen, gefährliche Risiken auf dich zu nehmen. Wenn du das weiterhin tust, dann tu es wenigstens in Bezug auf Dinge, für die es sich lohnt. Falls du oder Grunthor dabei sterbt, war es wenigstens für einen guten Zweck.«

Sie sah ihm in die Augen und hielt seinem starren Blick stand. »Und was würdest du als lohnenswert ansehen?«

»Die Bolg zu einer Nation aus ungeheuerlichen Menschen zu machen.«

»Das habe ich schon getan. Du hast all meine Beiträge dazu ausradiert.«

Der Fir-Bolg-König rieb sich die Augen. »Nicht alle. Außerdem ist das nur vorübergehend, vorausgesetzt wir überleben den Angriff. Und da ist noch die Vereinigung der Lirin. Bei ihnen solltest du wenigstens für eine Weile sicher sein. Auch könnte sich die Bildung eines cymrischen Bündnisses als nützlich erweisen, obwohl sie vielleicht zunächst ärgerlich ist.«

»Welches Risiko bin ich denn bisher eingegangen, das du als nicht lohnenswert ansiehst?«

Er griff in seine Robe und holte die Blutsteinphiole hervor. Der glatte Stein fing das Licht des Flammenquells auf und glänzte matt. »Du hast die Notwendigkeit verspürt, diese Kreaturen, diese Dämonenbrut zu retten, obwohl das für uns alle das Ende hätte bedeuten können. Das Blut von einem der Kinder wäre genug gewesen; wir hätten den Rest hinrichten sollen. Aber du hast darauf bestanden und dich immer wieder jeder Gefahr in den Weg gestellt, die ihnen drohte, auch wenn es sich letztlich als dein Ende hätte erweisen können.«

Rhapsody zuckte die Achseln. »Ich sah es als vernünftig an, dass wir das ganze Blut sammeln und du dadurch eine bessere Möglichkeit hast, die Spur des Dämons aufzunehmen. Wenn du dich recht erinnerst, wirst du zugeben müssen, dass du es warst, der gesagt hat, den F’dor aufzuspüren sei so, wie den Geruch eines Parfüms in einem quirligen Basar aufzunehmen. Manchmal erinnerst du mich an den Rakshas, Achmed. Diese Kinder sind nicht bloß verdammte Blutgefäße. Sie haben Seelen, unsterbliche Seelen. Es ist abscheulich, sie nur für unsere eigenen Zwecke zu benutzen und dann fortzuwerfen, als wären sie nichts. Wenn wir wirklich ewig leben oder unser Leben so lang ist, dass es uns als ewig erscheint, will ich damit mein Gewissen nicht belasten. Ich glaube auch nicht, dass du das ertragen könntest.«

Der Bolg-König lief auf dem mit Bruchsteinen gepflasterten Boden des ausgebrannten Raumes hin und her.

»Du hast keine Ahnung, was ›nichts‹ ist und wie lange ›ewig‹ sein kann. Du warst nie nichts. Du warst ein Bauernmädchen, eine Hure, eine Harfespielerin. Auch im schlimmsten und erniedrigendsten Augenblick deines Lebens warst du irgendetwas wert: ein Stück Vieh, eine Münze, einen Augenblick der Aufmerksamkeit. Es mag dir zwar als verdammt wenig erschienen sein, aber du hattest einen Ort, ein Schlupfloch in der Welt, wo du hingehörtest. Du glaubst, du wärest nichts gewesen, aber das stimmt nicht, Rhapsody.«

Sie streckte die Hand aus, hielt ihn in seinem Lauf auf und drehte ihn zu sich. Als sie sein Gesicht betrachtete, bemerkte sie darin etwas, das sie nie zuvor gesehen hatte.

»Emily«, sagte sie sanft. »Meine Familie hat mich Emily genannt. Und du hast Recht, Achmed: Selbst zu der Zeit, bevor du mich gekannt hast, war ich nie nichts. Und du auch nicht.« Das Licht des Feuers hinter ihnen flackerte, und Achmed sah das Grün in ihren Augen, bevor die Schatten zurückkehrten und wieder das Grau der Düsternis über sie breiteten. »Ich habe nicht absichtlich deinen Namen von ›Bruder‹ in ›Achmed‹ geändert. Ich hatte nicht vor, dich herabzuwürdigen.«

Der Blick des Bolg-Königs wurde noch eindrücklicher und so durchdringend, dass es ihr beinahe wehtat. Er starrte sie lange an und sah dann hoch zur Spitze der zerrissenen Kuppel.

»Du warst die zweite Benennerin, die meinen Namen geändert hat«, sagte er mit schwerer Stimme, als kostete ihn jedes seiner Worte sehr viel. »Es war mein Lehrer, der mich ›Bruder‹ nannte, denn er sagte, ich sei ein Bruder für alle, doch mit keinem verwandt. Wenn ich seinen Lehren und dem Pfad gefolgt wäre, den er für mich ausgelegt hatte, hätte ich meine Blutgabe vielleicht genauso eingesetzt wie du deine Musik zum Heilen. Auch er hat geglaubt, ich sei nicht nichts.« Er lachte bitter. »Mein ganzes Leben scheint ein Beweis dafür zu sein, dass sein Vertrauen in mich ungerechtfertigt war. Vielleicht ist der Name, den wir bei unserer Geburt erhalten, das beste Maß für das, was aus uns werden wird.«

»Wie lautete deiner?« In ihrer Stimme lag eine Ehrfurcht, bei der er einen Kloß im Hals verspürte.

Der Bolg-König starrte sie weiterhin mit seinen ungleichen Augen an; sie verdunkelten sich in alten, fast vergessenen Gefühlen.

»Ysk das ist der Name, den man mir bei der Geburt gegeben hat. Er bedeutet Speichel oder Gift oder Beleidigung oder auch Anzeichen für eine Infektion.« Er atmete langsam aus. »Stell dir vor, als Bolg mit diesem Namen geboren zu sein.«

Achmed nahm den Schleier, der alles von seinem Gesicht außer den Augen verdeckte, und gab einen Teil seines Kopfes und Nackens dem Blick preis. Die Blutgefäße pulsierten dicht unter der olivdunklen Haut und saugten jede Empfindung und jedes Wort auf, als ob sein ganzer Körper mit einem feinfühligen Trommelfell bedeckt wäre, das selbst unter der atemsanften Berührung ihres Blickes erzitterte.

»Jeder abfällige Blick, jedes ängstliche Starren, jedes verachtende Schweigen schmerzt. Lange Zeit glaubte ich, dass dunkle Geister freudig über mich wachen. Wenn ich gewusst hätte, was der Tod ist, hätte ich einen Weg zu ihm gefunden, ihn in mich eingesogen und wäre fort gewesen. Ich weiß, wie es ist, nichts zu sein, Rhapsody weniger als nichts. Ich will dein Mitleid nicht. Du musst aber wissen, dass ich diese dämonischen Kinder besser verstehe als du.«

Rhapsody schüttelte den Kopf. Die Flamme in ihrem Haar erhellte die Dunkelheit um sie herum und fing regenbogenfarbene Funken aus dem fernen Licht in ihren ewig wechselnden Tanz ein. Sie lockerte den Griff um seinen Arm, fuhr sanft mit den Fingern seine Schulter hoch und legte sie ihm auf den Kiefer.

»Sie wussten nicht, dass du zur Hälfte Dhrakier bist und hätten es nicht verstanden, wenn es ihnen bekannt gewesen wäre. Die Bolg in deinem Königreich wissen es ebenfalls nicht. Niemand auf der ganzen Welt weiß es außer dir selbst, Grunthor und mir und Oelendra, die genauso verbissen den Dämon jagt wie wir. Etwas, das niemand über dich weiß, wird unsere Rettung und die Rettung dieses Landes sein. Es ist egal, was der Bolg dachte, der dir deinen Namen gab. Du warst niemals nichts, selbst damals nicht.«

Er atmete tief, schweigend und sehr langsam ein. »Ich war das besondere Vorhaben eines sehr heiligen Mannes. Er hat versucht, mich zum Heiler zu machen. Sieh doch nur, was aus all seinen guten Vorsätzen geworden ist und dabei habe ich nicht einmal einen einzigen Tropfen Dämonenblut in mir. Der kommende Krieg wird schrecklich sein. Aber noch schrecklicher ist, dass ich ihn eigentlich nicht vermeiden will. Die Männer aus Roland und Sorbold werden wegen ihres Hasses auf die Bolg sterben. Wenn da nicht mein Sinn für Gerechtigkeit wäre, würde es mich überhaupt nicht berühren. Die Bolg werden ebenfalls sterben. Dazu kommt all das, was Grunthor, du, das Erdenkind, die Dämonenbrut und die anderen schon erlitten habt. Wozu hat meine Ausbildung geführt? Wen habe ich je geheilt? Wen hätte ich je gerettet?«

»Dafür darfst du dir nicht die Schuld geben.«

»Was habe ich denn je bewirkt?«

»Wen wolltest du retten?«

Noch bevor sie die Frage beendet hatte, spürte sie, wie sich Türen in ihm öffneten, denen sie sich freiwillig nie genähert hätte.

In der Finsternis von Gwylliams Schatzgruft, die nie einen von Gwylliams Schätzen beherbergt hatte, im Besitz des Blutes, das ihn besitzen könnte, im Bewusstsein der Finder, die ihn nicht finden konnten, sah Achmed Rhapsody an, die soeben aus ihrem Schlaf neben dem Erdenkind aufgewacht war. Sie war ausgeruht, aber noch nicht bereit für alles, was auf sie zukam. Er bewunderte ihr wasserweiches Haar, dessen Glanz allein Zorn, Verzweiflung und Erinnerungen abwaschen konnte. Er atmete durch das kalte Gefühl, das ihre Finger auf seinem Gesicht hervorriefen, nahm sanft ihre Hand, küsste sie und wiegte sie in seinen Händen.