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»Euer Gnaden.« Die Worte waren geflüstert und hinter dem Brüllen des Feuers kaum hörbar. Khaddyr drehte sich um und sah, dass Lark hinter ihm stand. Ihr Gesicht war eine Maske aus Rauch. Er lächelte schwach.

»Ah, Lark, ich hätte wissen sollen, dass du allein stark genug bist, um zu bleiben.«

»Ich gehe, Euer Gnaden, und das müsst Ihr auch. Kommt mit mir. Wir haben noch Zeit, nach Westen zu fliehen. Der Drache naht.«

»Fliehen? Wohin? Zum Meer? Zum Nest des Drachen? Das ist lächerlich.« Khaddyr lächelte wohlwollend und streckte ihr die Hand entgegen. »Hab keine Angst, Mutter. Elynsynos würde den Baum niemals verbrennen.«

Lark starrte in den sich rötenden Himmel; ihr sonst so gelassener Gesichtsausdruck, das Erbe ihrer lirinschen Herkunft, verhärtete sich vor Entsetzen.

»Der Drache naht«, wiederholte sie. »Ihr müsst Euch beeilen und sofort aufbrechen, Euer Gnaden.«

Khaddyr strich ihr über die Schulter und kämpfte darum, seine Hand ruhig zu halten.

»Die Drachin kann nicht in den Kreis eindringen, Mutter«, sagte er so tröstend wie möglich. »Ob Wyrm oder nicht, Anwyns Familie hat keine Gewalt mehr über Gwynwald; diese liegt nur noch in den Händen des lebenden Fürbitters.« Er drückte den weißen Eichenstab. Das stärker werdende, Licht des Feuers in der Ferne spiegelte sich auf dem goldenen Blatt an der Spitze wider.

Lark warf einen raschen Blick über die Schulter auf die dunklen Wolken, die in blutigem Licht schwammen.

»Zu seiner Zeit konnte Llauron den ganzen Wald verteidigen«, sagte sie mit leiser Stimme.

»Erinnert Euch nur an die Plage der gelben Heuschrecken oder an den großen Sommersturm vor zehn Jahren. Er befahl den Insekten, Gwynwald zu verlassen; er hat den Winden geboten, still zu sein, und sie gehorchten. Etwas stimmt nicht, Khaddyr. Es sollte Euch möglich sein, diese Bedrohung aus dem äußeren Wald zu verbannen. Doch sie kommt näher; der Wald brennt vor Zorn! Ich flehe Euch an, geht jetzt und rettet Euch.«

Khaddyr deutete wütend nach Westen, wo das Feuer sich zwischen den Bäumen ausbreitete.

»Geh du doch«, sagte er angespannt. »Verlass diesen Ort, Lark, wenn du Angst hast. Ich fürchte mich nicht vor dem Drachen. Hier ist meine Macht absolut, absolut! Du hast gesehen, wie ich sie Llauron entrissen habe; du hast gesehen, wie ich ihm den Stab aus den leblosen Fingern genommen habe. Du bist jetzt meine Tanistin; wenn du an mir zweifelst, kannst du gehen. Du bist hier nicht mehr von Nutzen.«

Larks Miene verhärtete sich im Licht der herannahenden Flammen. »Nun gut. Macht Euch selbst etwas vor. Bleibt hier und verbrennt mitsamt Eurer absoluten Macht. Das wird einen schönen Scheiterhaufen ergeben.« Sie wirbelte herum und rannte durch den Hagel flammender Blätter, die im aufkommenden Wind zu Asche verweht wurden.

Das wütende Inferno kam immer näher, aber Khaddyr fürchtete sich nicht.

Glaube, beschwor er sich selbst. Harre aus auf deinem Weg.

Nun kehrten die sanften, in die Schatten gesprochenen Worte seines Meisters zurück zu ihm, die er beim Freudenfeuer des Winterfestes gehört hatte.

Unbezweifelte Autorität. Unverwundbarkeit. Und endloses Leben.

Khaddyr fasste seinen Stab noch fester und versuchte, seine Erregung unter Kontrolle zu halten.

Ich werde sie töten, so wie ich Llauron getötet habe, dachte er und spürte den Schweiß der Hitze und Erregung, welche die ihn durchströmende Macht verursachte. Ich werde derjenige sein, der die mächtige Elynsynos besiegt und sie zurück in den Äther schickt. Nun habe ich die Macht dazu.

Er lachte laut.

»Soll die Drachin doch kommen!«, rief er in den brennenden Himmel. »Soll sie doch kommen!«

Zur Antwort erzitterte der Boden unter ihm. Khaddyr riss die Augen auf. Die Feuerwände, die inzwischen den Kreis erreicht hatten, schienen sich zu teilen und öffneten einen dunklen Korridor in den pulsierenden Lichtschleiern.

Trotz der versengenden Hitze um ihn herum spürte Khaddyr plötzlich eine große Kälte. Inmitten der tobenden Flammen und des wogenden Rauches stand der Schatten eines Menschen. Die Kapuze seines Mantels war zurückgeschlagen und gab den Blick auf Haare frei, die im Feuerschein wie Kupfer auf einem Herd wirkten. Mit Ausnahme des leuchtenden Haars waren alle anderen körperlichen Merkmale in Dunkelheit gehüllt. Das Feuer schien ihn zu umtanzen, als ob er lediglich ein Schatten wäre.

»Das kann nicht sein«, flüsterte Khaddyr. »Gwydion?« Ist er von den Toten auferstanden?, dachte er; sein Geist weigerte sich, diese Möglichkeit anzuerkennen.

Zitternd vor Alter und Angst stand der Fürbitter auf. Er deutete mit dem Eichenstab der Filiden mit Llaurons Stab auf den Mann im Mittelpunkt der Feuersbrunst. »Slypka«, flüsterte er und wollte damit die Flammen löschen.

Das Feuer wurde etwas dunkler, wodurch sich die Umrisse des Mannes deutlicher abzeichneten. Khaddyr holte tief Luft, steckte dann den Stab in das verdorrte Gras neben ihm und stützte sich darauf ab. Als er endlich reden konnte, klang seine Stimme ganz ruhig.

»Ich befehle dir, Gwydion ap Llauron, durch die Macht des Kreises, dich aus diesem heiligen Wald zu entfernen«, sagte er. Er sog erneut die Luft ein; der beißende Rauch verbrannte ihm Nase und Lunge. Die Macht des Waldes, die Macht von Gwynwald würde diese Bestie bannen, das wusste er. Und seine eigene Macht. Er war der Fürbitter.

Die dunkle Gestalt regte sich nicht.

Khaddyr fasste den Stab noch fester; das goldene Eichenblatt an der Spitze blitzte im Licht des Infernos um ihn herum. »Ich bin der wahre Fürbitter, Gwydion«, sagte er durch den Lärm des Feuers zu dem Schatten mit der glänzenden Haarkrone. »Die Übernahme des Amtes ist durch das Gesetz von Buda Kai gerechtfertigt; eine Canwr war als Herold und Zeuge anwesend. Du kannst mich hier nicht herausfordern; der Mond nimmt ab. Er muss aber zunehmen, wenn das Ergebnis einer Herausforderung gesegnet sein soll. Außerdem würdest du Llaurons Andenken entehren, wenn du ...«

Der Stab in Khaddyrs Hand brach in Flammen aus.

Mit einem Schrei ließ der Fürbitter den brennenden Stab zu Boden fallen. Entsetzensstarr sah er zu, wie das Symbol des Amtes, für das er seine Seele verkauft hatte, zu Asche wurde. Es dauerte nur wenige Sekunden. Der rauchgeschwängerte Wind wirbelte die Asche auf, und sie verschwand. Nur das goldene Blatt auf dem Boden blieb zurück. Bald schmolz es in der Hitze zu einer leuchtenden Pfütze, die im Widerschein des Feuers glänzte.

Die Schattengestalt öffnete die Augen, und Khaddyr keuchte unwillkürlich auf. Zwei Punkte wilden Lichts, blau und hell wie die Flammen aus dem Mittelpunkt der Erde, erschienen in der ansonsten undurchdringlichen Dunkelheit seines Gesichts unter dem strahlenden Haar, das sich mit den leckenden Feuerzungen hinter und über ihm verband. Khaddyr trat einen Schritt zurück und versuchte, aus seiner Stimme das Grauen fern zu halten, das sich auf seinem Antlitz wohl bereits abzeichnete.

»Gwydion...«

»Wo ist der Wirt des Dämons?« Die Stimme aus dem Schatten ließ die Erde unter Khaddyrs Füßen erzittern. Er stolperte und fiel auf ein Knie. Es war eher ein Röhren als gesprochene Worte und erklang in den verschiedenen Tonlagen von Sopran, Alt, Tenor und Bass; überdies knisterte die Stimme mit der Wildheit eines vom Wind angefachten Feuers.

Aus Khaddyrs Mund drang nur noch ein erstickter Laut.

»Sag es mir«, forderte die dunkle Gestalt. Das Feuer wurde heftiger und glich sich der Hitze in seiner Stimme an.

»Ich ... ich weiß es nicht«, keuchte Khaddyr.

Der Baumpalast fing Feuer und ging in Flammen auf. Die Glasscheiben in den Fenstern spiegelten das pulsierende Licht in den Himmel, als das Dach jedes seltsam gewinkelten Flügels aufbrach und ein Funkenregen auf die schlummernden Gärten niederprasselte, die Llaurons Festung umgaben. Flammen kletterten den Turm hoch, der über das Blätterdach hinausreichte, und verwandelten ihn in eine Feuersäule.