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Zur Antwort stieg ein Strahl von großer Helligkeit aus dem Himmel durch die kreisrunde Öffnung in der Decke herab und badete die Krone und ihren Sockel sowie die umstehenden Botschafter in weißem Licht, das heller als die Sonne war. Mit geschlossenen Augen erfühlte Rhapsody das Licht und hörte einen Moment später ein tiefes Lied im Thronsaal. Es war der Gesang der Krone, der seit unvordenklicher Zeit nicht mehr gehört worden war. Ihre Musik erreichte die Herzen aller Anwesenden und lähmte sie.

Sie öffnete die Augen und schaute das Diadem an. Es glitzerte in den Farben unzähliger Regenbögen. Jede Facette des Diamanten leuchtete in gebrochenem Glanz. Das Licht und die Farben, die es erschaffen hatte, blieben auch noch, als der himmlische Schein, den die Tagessternfanfare herabgeholt hatte, verschwunden war. Der dunkle Raum erhellte sich nun unter dem Strahlen der Krone. Rhapsody sah hinüber zu Oelendra, die das Diadem mit Tränen in den Augen betrachtete. Als sich die Sängerin umschaute, stellte sie fest, dass auch in den Augen von Rial und den Botschaftern Tränen standen.

Plötzlich überkam sie ein seltsames Gefühl der Unsicherheit. Es war, als drängte sie sich in etwas hinein, das den Leuten dieses Landes heilig war. Sie war keine von ihnen und würde es vermutlich nie sein, auch wenn man sie willkommen geheißen und auf sie gehört hatte, als sie die Art der hiesigen Regierung kritisiert hatte. Rhapsodys Gesicht wurde rot in der Dunkelheit, doch die verzauberten Lirin bemerkten es nicht. Ihre Stellung als Halbblut wurde ihr bewusst und war ihr plötzlich peinlich; sie fühlte das Bedürfnis fortzurennen. Doch da dies dem Prozess gegenüber respektlos gewesen wäre, den sie in Gang gesetzt hatte, wich sie nur zurück, bis sie sich bei der Bank vor der Wand befand, und ließ sich schweigend darauf niedersinken.

Nach einigen Minuten blinzelte Rial und hob die Hand langsam über den Glasbehälter. Er berührte das Glas, und die übrigen Botschafter folgten seinem Beispiel. Dann sprach er feierlich und mit vor Aufregung tiefer Stimme das Versprechen aus, die Lirin unter einem einzigen Herrscher zu vereinen, und stellte ihm sein Leben zur Verfügung. Die Botschafter stimmten ein, genau wie Oelendra, die lirinsche Wächterin. Als das Gelöbnis vorbei war, kehrte wieder Stille ein.

Rial riss die Augen noch weiter auf und warf einen Blick quer durch den Raum auf Rhapsody. Ihre Kehle zog sich zusammen.

»Was hast du getan?«, fragte er mit rauer Stimme, als er wieder reden konnte.

Unter dieser Anklage wurden ihre Hände schweißfeucht. »Ich ... ich weiß es nicht. Was stimmt denn nicht?«

Rial deutete auf die Krone. »Das Diadem spiegelt nicht das Sternenlicht wider. Es erschafft das Strahlen selbst.« Rhapsody kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf.

»Verstehst du nicht? Das ist die Erfüllung des Versprechens von Königin Terrell, unter deren Führung die Splitter des Diamanten sorgfältig eingesammelt und in das Diadem eingesetzt wurden. Du hast den Diamanten geheilt, Rhapsody. Du hast dem Stein das Sternenlicht zurückgegeben.«

Rhapsody erzitterte. »Es ... es tut mir Leid«, stammelte sie.

Rial wandte sich an Oelendra. »Du bist die Einzige von uns, die die Krone lebendig gesehen hat«, sagte er zu der lirinschen Meisterin. »Hat sie damals so ausgesehen?«

Die Tränen in den Augen der Kriegerin quollen über und rannen ihr an den Wagen herunter.

»Nein«, sagte sie sanft. »So hat die Krone noch nie ausgesehen. Nur der Diamant in seiner ursprünglichen Form hat das Licht der Sterne in sich getragen. Jetzt übertrifft das Leuchten der Krone noch das Licht, das er als einzelner Stein hatte. Vielleicht ist die Strahlkraft durch die unzähligen Splitter erhöht worden.«

Das Verlangen nach Flucht verzehrte Rhapsody. Sie stand langsam und so leise auf wie möglich, während die anderen verzaubert das Diadem anstarrten, und wich still zur Tür zurück. Sie hatte sich eben umgedreht und die Schwelle überschritten, als die Stimme ihrer Lehrerin die Luft durchschnitt wie damals während ihrer Ausbildung.

»Halt. Wohin willst du gehen?« Widerstrebend drehte sie sich um. »Komm hierher zurück, Rhapsody.«

Ihr Zittern wurde immer heftiger. »Oelendra, ich ...«

»Sei kein Feigling.« Die Worte ihrer Lehrerin waren barsch, aber in ihren Augen lag das mitfühlende Lächeln von jemandem, der für eine Sache, die größer war als er selbst, schon viele Dinge gegen seinen Willen unternommen hatte. »Komm her.«

»Ich kann nicht«, flüsterte Rhapsody. Unvermittelt verspürte sie den Ruf der Krone, der stärker als der des Schwertes war, durch ihren Körper kreisen. »Bitte, ich muss nach Hause gehen.«

Rial schüttelte seine Verzückung ab, kam auf sie zu und ergriff sanft ihre Hände. »Es scheint mir, dass du zu Hause angekommen bist.« Er lächelte sie ermutigend an. »Hab keine Angst. Zweifelst du etwa die Weisheit der Krone an?«

»Nein.« Ihre Stimme war kaum hörbar.

»Dann unterwirf dich ihrem Willen. Du bist ein Kind des Himmels, Rhapsody. Wenn die Sterne der Meinung sind, dass die Lirin dich brauchen, wirst du uns doch wohl nicht den Rücken zukehren? Deinem eigenen Volk?«

»Ich habe alles getan, was ich tun kann«, stammelte sie und drehte sich nach den Botschaftern um. Nun schauten alle sie an; auf ihren Gesichtern zeichneten sich verschiedene Grade der Freude ab. »Ihr versteht nicht. Ich bin ein Bauernmädchen.«

Die Botschafterin der See-Lirin, eine Frau namens Marceline, verließ den Sockel und kam auf Rhapsody zu. »Du bist diejenige, die nicht versteht«, sagte sie sanft. »Bei den Lirin gibt es keine Bauern. Wir alle sind Kinder desselben Himmels, der sich über uns wölbt. Du bist so würdig wie alle anderen, uns anzuführen, falls du dazu berufen werden solltest.«

»Es wäre ziemlich scheinheilig von dir, die Krone nicht anzunehmen, wenn man bedenkt, wie du uns ermuntert hast, nicht wahr?«, fügte Hymrehan hinzu, der Minister aus der Ebene. Oelendra erschien neben ihr und ergriff ihren Ellbogen. »Komm«, sagte sie freundlich, aber bestimmt. »Wir wollen sehen, ob das Diadem noch etwas zu sagen hat.« Sie geleitete Rhapsody hinüber zu dem Glasbehälter, ließ ihren Arm los und legte die Hand leicht auf den Rücken der Sängerin. »Hab keine Angst. Öffne den Behälter und sieh, was geschieht falls überhaupt etwas geschieht. Vielleicht wurdest du nur dazu gebraucht, der Krone das Sternenlicht zurückzugeben, und sie wählt einen anderen aus, der sie tragen wird.«

Mit zitternden Händen öffnete Rhapsody den Deckel. Sofort leuchteten die winzigen Steine des Diadems noch heller und stoben, wie vom Wind aufgewirbelt, aus dem Behälter und um ihren Kopf, den sie wie ein Kranz aus kleinen Sternen umgaben. Die Botschafter traten einen Schritt zurück, als sich das Licht der glitzernden Krone über ihre Gesichter ergoss und kurz in ihren Augen brannte, bevor es zu einem Glühen um Rhapsodys Kopf herabsank. Oelendra lächelte und sah ihre Schülerin zärtlich an.

»Na, vielleicht nicht.«

Rhapsody brach in Tränen aus. »Bitte, bitte tut mir das nicht an. Ich habe nicht geschworen zu führen, sondern zu dienen.«

Rial berührte ihren Arm. »Habt keine Angst, meine Dame«, sagte er förmlich. »Wir alle haben geschworen, Euch zu unterstützen und in jeder erdenklichen Weise zu helfen, nicht wahr, meine Freunde?« Die Botschafter nickten einmütig und lächelten. »Ihr habt mein Versprechen, dass Ihr alle Hilfe bekommen werdet, die Ihr braucht.«

»Wie lautete noch gleich Euer Plan?«, fragte Temberhal mit ernster Stimme, aber zwinkernden Augen. »Wir sollten einer Wiedervereinigung zustimmen und einem Anführer oder einer Anführerin Treue geloben, der oder die unsere Unabhängigkeit anerkennt. Das haben wir getan. Wir haben der Krone Treue gelobt und uns ihrer Entscheidung unterworfen.«

»Ja«, sagte Jyllian, der Botschafter Manosses am Hof von Tyrian. »Danach sollten wir sehen, wen die Krone erwählt. Ich glaube, auch das haben wir getan. Nun bleibt nur noch der letzte Schritt übrig.«

»Ja«, meinte Hymrehan lächelnd. »Und was war das noch gleich, Jyllian?«