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»Du siehst toll aus«, meinte Grunthor begeistert. »Nu aber los. Hab noch nie ’ne Ehrengarde befehligt. Da will ich nich zu spät kommen.«

Der Krönungszeremonie wohnten nur die höchstrangigen Lirin aus dem Wald, den Ebenen, von der See und aus Manosse sowie Rhapsodys engste Freunde und die Ehrengarde bei. Grunthor war als Befehlshaber ausgewählt worden, weil die Soldaten die Einzigen waren, die von dem Verbot des Waffentragens ausgenommen waren, und Rhapsody wusste, dass er ohne seine Waffen verloren gewesen wäre.

Zusätzlich zu ihrem riesigen Firbolg-Freund hatte sie trotz Oelendras Einwänden Anborn gefragt sowie Gwydion Navarne, den Sohn von Herzog Stephen, ob sie auch in der Ehrengarde dienen wollten. Anborn schien erfreut zu sein, auch wenn er zusammen mit einem Dreizehnjährigen unter dem Befehl eines Bolg stand. Er winkte Rhapsody auf skandalöse Weise zu, als sie die Rotunde des Palastes von Newydd Dda betrat. Er machte eine geschwungene Handbewegung und deutete damit an, dass sie hinreißend aussah. Rhapsody lachte; sie war ihm dankbar dafür, dass er die Feierlichkeit durchbrach, die sie bereits in Panik zu versetzen drohte.

Sie küsste Gwydion Navarne, ihren ersten adoptierten Enkel, und sah, wie sein Gesicht die Farbe von Rials scharlachroter Schärpe annahm. Er zitterte vor Erregung, denn er war der Kompanie des legendären cymrischen Helden und des massigen Sergeant-Majors zugeteilt worden, der ihm während der Wartezeit gezeigt hatte, wie man Nissen aus Hautfalten und anderen intimen Körperteilen entfernen konnte. Ein silbernes Hörn ertönte und kündete die Ankunft ihres Schlittens an. Die großen Portale des niedrigen Palastes von Newydd Dda wurden aufgestoßen. Rhapsody schaute zu, wie vier zueinander passende Rotschimmel unregelmäßiger Färbung einen reich verzierten hölzernen Schlitten herbeizogen und genau vor der Tür stehen blieben. Rotschimmel waren Rösser, welche die Lirin sehr schätzten, besonders die Gefleckten, denn sie waren im Wald am besten getarnt und gut zu verstecken. Die Pferde waren sorgfältig gestriegelt und fein geschmückt, und ihr warmer Atem bildete Dampfwolken und Eiskristalle in der frostigen Luft.

Rial geleitete Rhapsody über den ausgelegten Teppich, half ihr auf den gepolsterten Sitz und richtete den Umhang für sie. Dann ging die Prozession los, zog langsam durch den Schnee und den Berg hoch nach Tomingorllo und in den Thronsaal, wo die Krone wartete.

Kein Geistlicher oder Adliger krönte die neue Königin, denn es gab keine solchen. Das Waldvolk von Tyrian war eher der Religion von Gwynwald als der von Sepulvarta verbunden, obwohl mehrere Jahrhunderte zuvor Repräsentanten beider Glaubensrichtungen hier vertreten gewesen waren. Rhapsody hatte den Vorschlag abgelehnt, dass der Fürbitter sie offiziell segnete, und keinen Grund dafür angegeben. Es stellte sich sowieso als unmöglich heraus, denn einige Tage vor der Zeremonie wurde die Nachricht überbracht, dass Khaddyr, der neue Inhaber dieses Amtes, verschwunden und seit dem großen Waldbrand vor vierzehn Tagen nicht mehr gesehen worden sei. Die lirinschen Priester, die unter Llauron ausgebildet worden waren, erboten sich, beim großen Empfang einzuspringen, was auf Zustimmung stieß. Doch wie an dem Abend, als Rhapsody das Diadem ins Leben zurückgebracht hatte, krönte es die neue Königin selbst. Sie stand vor dem silbernen Sockel und öffnete langsam den Behälter. Die glitzernden Juwelen entflammten unter ihrer Berührung zu feurigem Leben. Sie wurden durchscheinend, wirbelten aus dem Behälter und wanden sich ihr um den Kopf. Selbst diejenigen, die diesen Anblick schon gesehen hatten, schauten ehrfürchtig zu. Als sich das Strahlen zu einem Kreismuster aus ätherischem Licht verdichtete, blickte Rhapsody zu Achmed und lächelte. Sie erhielt ein Nicken als Erwiderung. Dann sah sie rasch Oelendra an und hielt den Kopf hoch. Die lirinsche Meisterin verneigte sich leicht und schenkte Rhapsody einen anerkennenden Blick.

Rial kniete nieder und sprach die uralte Segensformel, die bei Krönungen aus der Zeit vor der Ankunft der Cymrer auf dem Kontinent vorgetragen worden war.

»Inde aria tiron seth severim vur amasmet voirex.« Mögen die Sterne dir ihre Augen und Weisheit geben, damit du uns so leitest, wie sie es tun würden, wenn sie sprechen könnten.

Mit Ausnahme der Ehrengarde knieten alle nieder und wiederholten die Worte des Schutzherrn.

Die schiere Absurdität und Lächerlichkeit des Ganzen, die Rhapsody bisher insgeheim verspürt hatte, schmolzen mit einem Mal dahin. Sie neigte den Kopf und fügte ihr eigenes Gebet hinzu, sie möge sich dieser Leute, die an sie glaubten, als würdig erweisen. Als die Zeremonie vorbei war, brachen die Anwesenden in gedämpften Jubel und Applaus aus und umarmten sich lachend. Zuerst umarmte Rhapsody Oelendra und dann Rial auf dem Weg durch den kreisrunden Raum zu der Stelle, wo Achmed wartete. Sie ergriff seine Hände und küsste ihn auf die Wange.

»Nun, mit deiner Hilfe habe ich überlebt«, sagte sie und grinste ihn an.

»Du hast dich behauptet, und zwar aus eigener Kraft«, antwortete er freundlich. »Ich habe dich von der Flucht abgehalten, damit du das tun konntest, was du sowieso vorhattest.«

Ihr Blick wanderte zu der seltsamen, sonnenartigen Brosche an seiner Robe. »Das ist eine hübsche Anstecknadel«, sagte sie geistesabwesend. »Ist das das neue Zeichen der Bolg?« Sie streckte die Hand aus, um es zu untersuchen. Achmed ergriff sie rasch und küsste sie. Rhapsody sah ihn erstaunt an.

»Berühren verboten«, sagte sie neckisch.

»Eure Majestät«, ertönte Rials Stimme durch die Große Halle, »Eure Gäste warten unten auf Euch.«

61

Der Hof von Newydd Dda war zum Bersten voll. Lirinsche Bürger und die Staatsgäste verstopften die Straßen der Stadt und ergossen sich bis auf die große Lichtung, welche die Stadtmauern umgab. Jedermann hoffte auf eine Gelegenheit, die frisch gekrönte Königin zu sehen. Lirinsche Abordnungen waren aus allen Teilen gekommen, aus Manosse, der Ebene, den Städten der Neutralen Zone und von der See. Roland und Sorbold waren genauso vertreten wie Ylorc und die Länder jenseits von Hintervold. Achmed war erstaunt; es schien unmöglich, dass die Nachricht von der Krönung diese Länder so schnell erreicht hatte, aber alle hatten Abgesandte geschickt, die sich nun aufstellten, um Rhapsody zu begrüßen oder zu segnen.

Er warf einen Blick zurück auf die Königin; sie fuhr den Berg in ihrem reich beschnitzten Schlitten herunter. In ihren Augen lag ein Ausdruck der Gelassenheit, der die Panik überdeckte, welche sie beim Anblick der Menge unter ihr sicherlich verspürte. Grunthor ritt vor ihr her. Achmed hatte keine Ahnung, wo die Lirin dessen Pferd für diese Prozession aufgetrieben hatten, doch es war beinahe halb so groß wie der Schlitten selbst. Es war ihm gelungen, sich an die Spitze des Zuges zu setzen, als diese den Hügel herunterkam, damit er die Menschenmenge, in deren Nähe Rhapsody stehen würde, genau in Augenschein nehmen konnte. Ein Mordversuch war nicht wahrscheinlich, wenn man die Anzahl der gut ausgebildeten lirinschen Wachen in Betracht zog, die die ganze Stadt absicherten und alle Waffen sowie andere Unheil stiftenden Gegenstände an sich genommen hatten. Als er am Morgen die Stadt zu betreten versucht hatte, hatten sie die Flöte gewogen, die er als Geschenk für die neue Königin mitgebracht hatte, und das Gewicht des Instruments mit Argwohn betrachtet. Nur das Dazwischentreten Rhapsodys hatte es ihm ermöglicht, in die Stadt zu gelangen. Trotz dieser Unannehmlichkeit war Achmed glücklich über die Fähigkeit der Wachen.

Er lehnte sich gegen die Palastmauer und wartete darauf, dass Grunthor vorbeikam. Die Prinzen von Sorbold und Bethania befanden sich in der ersten Reihe; über diese Ironie des Schicksals musste Achmed lächeln. Er hätte sich unter ihnen befunden, wenn er nicht als gleichwertig mit Rhapsodys Familie angesehen worden und zu der privaten Zeremonie eingeladen gewesen wäre. In der Gesellschaft dieser Männer wäre er der Erfreuteste der drei gewesen.