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Rhapsody richtete sich auf; beinahe wäre sie von Grunthors Knien gefallen. »Wer?«

Achmed setzte sein Glas ab. Sein Gesicht wurde ernst im Feuerschein. »Lanacan Orlando, der Segner von Bethe Corbair.«

»Bist du sicher?«, fragte sie und riss die Augen weit auf.

»Vollkommen. Ich konnte ihn riechen, als die Gruppe des Patriarchen aus der Kutsche stieg. Ich bin ihm gefolgt und habe seinen Herzschlag erwischt. Er ist der Dämon.«

Rhapsody lehnte sich gegen Grunthors Schulter und war in tiefen Gedanken verloren. »Nun, das ergibt einen Sinn. Der Patriarch sagte, Lanacan sei der Priester, den er aussenden würde, um die Verwundeten zu heilen und die Heere zu segnen. Das hat ihm Zugang zu ihnen verschafft, als sie völlig offen für ihn waren. Er konnte sie bannen, während er sie segnete, und ihnen den Samen einsetzen, der sich später in den Morden Bahn brach. Dieser Bastard! Oelendra hat Anborn verdächtigt, weil er ebenfalls diesen Zugang hat.«

»Ist die ganze Zeit bei uns gewesen«, murmelte Grunthor, als Achmed sich die Whiskeyflasche nahm und sich ein weiteres Glas eingoss. »Kein Wunder, dass er unser persönlicher Geistlicher sein wollte. Den Göttern sei Dank, dass wir Bolg gottlose Heiden und auf dem Weg zur Verdammnis im Nachleben sind.«

Achmed nickte. »Jetzt habe ich noch eine gute Nachricht. Er weiß nicht, dass wir ihm auf die Spur gekommen sind. Das zeitige ... äh, unzeitige Ableben des Patriarchen hat meine Entdeckung verhindert; daher mussten wir noch nichts gegen ihn unternehmen.«

»Ja, was für’n Zufall«, brummte Grunthor. Achmed schenkte ihm einen giftigen Blick. Rhapsody wirkte verwirrt. »Aber etwas verstehe ich noch immer nicht«, sagte sie und nahm wieder einen Schluck aus der Flasche. »Ich weiß, dass der Segner jede Woche in der Basilika von Bethe Corbair Gottesdienste abhält. Das tun alle Segner jeweils in ihrer eigenen Basilika außer Colin Abernathy, denn die Neutrale Zone hat keine Basilika. Diese Basiliken sind heiliger, von den Elementen selbst gesegneter Boden. Auch der mächtigste Dämon kann so etwas nicht umgehen. Wenn er versucht hätte, den heiligen Boden auf irgendeine Weise zu entweihen, damit er wenigstens auf ihm stehen kann, hätte das Element, dem er geweiht ist, ihn sofort wieder gesegnet.«

»Erinnerst du dich daran, welchem Element die Basilika von Bethe Corbair gewidmet ist?«

Rhapsody dachte einen Moment lang nach und versuchte sich an ihre Unterhaltung mit Stephen Navarne zu erinnern. »Ich glaube, dem Wind«, sagte sie schließlich. »Ja, natürlich. Erinnerst du dich an den Klang der wunderbaren Glocken? Man konnte sie überall in der Stadt hören.«

»Ist schwierig, drumrum zu kommen«, sagte Grunthor. »Aber natürlich is nichts unmöglich.«

»Richtig«, meinte Rhapsody. »Was sollen wir jetzt tun?«

»Grunthor und ich werden heute Abend abreisen und Orlandos Karawane folgen«, sagte Achmed und genoss den Rest seines Whiskeys. »Ich habe Sylvia gebeten, sie solle uns sagen, ob und wann die Segner sich wieder auf den Weg machen. Es sollte leicht sein, ihre Spur zu finden.«

»Und was ist mit mir?«, fragte die frisch gekrönte Königin entrüstet.

»Du wirst erst einmal hier bleiben und dich in deinem neuen Königreich einrichten. Wenn du sofort nach deiner Krönung fortgehst, werden sich Gerüchte entwickeln. Wir spähen aus, was los ist, dann kommen wir zurück und planen den Tod des Dämons. Wir haben bestimmt ein paar Wochen Zeit, und alles in Ordnung zu bringen. Ist das in Ordnung?«

»Vermutlich«, sagte Rhapsody und schaute aus dem Fenster. »Aber wir sollten nicht zu lange warten, ja? Ich will nicht, dass noch mehr Unschuldige sterben müssen.«

Grunthor und Achmed tauschten einen Blick. Es war schon ein Unschuldiger mehr gestorben, als ihr bekannt war.

62

Am östlichen Rand der Krevensfelder

Der Segner von Bethe Corbair war ein geduldiger Mann. Das war er schon immer gewesen. Auch in den Tagen vor der Besessenheit durch den Dämon hatte Lanacan Orlando Ausdauer bewiesen. Sein Temperament sowie seine Position waren nicht geeignet, mit Mousa oder Griswold um die Oberherrschaft zu kämpfen. Stattdessen hatte er den Weg des entbehrungsreichen, erniedrigenden Dienstes an dem Patriarchen übernommen in der Hoffnung, dass dieser und der All-Gott die Tiefe seiner gläubigen Hingabe erkennen würden. Doch die Jahre waren vorbeigezogen, Jahre, in denen er mehrfach den innigsten Dank des Patriarchen für seine beschwerlichen Dienste entgegengenommen hatte. Er heilte die eiternden Wunden der Soldaten und der Armen aus Bethe Corbair und den Bauerndörfern in den Krevensfeldern, während Macht und Ansehen für gewöhnlich den anmaßenderen und kampfbereiteren Seligpreisern vorbehalten waren. Lanacan wartete darauf, dass der Patriarch, ein sanfter Mann mit einer Abneigung gegen Streit, ihn letztlich für all seine guten Werke und sanften Manieren belohnen würde, doch dazu kam es nie. Der einzige Dank für all seine Geduld war die gute Meinung, die der Patriarch von ihm hatte.

Als Lanacan Orlando schließlich sein Abkommen mit dem Dämon geschlossen hatte, stellte er fest, dass auch dieses Wesen geduldig war. Im Gegensatz zu den anderen seiner Art, die mit allen Mitteln Chaos und Vernichtung verbreiten wollten, nach Macht gierten und Missgunst streuten, war der F’dor, der ihn genommen hatte, atemgleich in ihn eingedrungen, in seiner Lunge wie schwerer Dunst geblieben und hatte sich unter sein Blut gemischt. Er verfügte über eine weite Sicht der Welt und wollte warten, bis alle Teile seines Plans an der richtigen Stelle waren. Mit den Jahren, als er immer dämonischer wurde, schien es sogar so, als ob die Gier des F’dor durch Orlandos einstige Geduld ein wenig besänftigt worden sei.

Nun kam der Frühling. Der Seligpreiser stand im dünnen Schnee der Krevensfelder, und die Wut darüber, dass seine Pläne in solch einem wichtigen Augenblick verhindert worden waren, wurde immer wilder und größer wie ein sich rasch ausbreitendes Feuer.

Der Patriarch war nicht in Sepulvarta, sondern in Tyrian gestorben. Er war gegangen, ohne einen Nachfolger bestimmt zu haben und wichtiger noch ohne dabei den Ring zu tragen. Wäre er in Sepulvarta geblieben, wo er seit seiner Amtseinsetzung das ganze Leben verbracht hatte, wäre Orlando derjenige gewesen, der ihm in den letzen Tagen Trost gespendet hätte. Orlando hätte ihm den Übergang leichter gemacht nach eigenem Gutdünken. Und er hätte sich darum kümmern können, dass alles für seinen Aufstieg zum neuen Patriarchen bereit war, was ihm die Gelegenheit verschafft hätte, seinen Vasallen zum König von Roland zu machen.

Ach, egal, dachte er und versuchte, die kreischende Stimme in seinem Ohr zu unterdrücken.

Er hat bereits die Heere.

Nun, Tristan Steward, flüsterte er in den Wind. Beginne.

Er wartete, bis der Westwind seinen Befehl einfing, dann wandte er sich an seinen livrierten Diener und die Soldaten, die ihm als Eskorte dienten, und lächelte wohlwollend.

»Meine Herren, wir sind nur noch einen Tag von zu Hause entfernt. Ich kann beinahe die süße Musik der Glocken von Bethe Corbair im Wind hören. Sollen wir aufsatteln und Losreiten?«

Bethania

Tristan Steward riss gerade die Tür auf, als McVickers, der neue Marschall des vereinigten Heeres von Roland, klopfen wollte.

»Komm herein, McVickers«, sagte er mit belegter Stimme. Der Soldat betrat den Raum und schloss die Tür hinter sich. Er stand in Habacht-Stellung und wartete darauf, dass der Prinz etwas sagte, doch Tristan kehrte nur zu seinem Schreibtisch und dem gewaltigen Haufen von Pergamenten zurück, die er kurz zuvor noch durchgeblättert hatte. Nach einigen Minuten sagte McVickers:

»Womit kann ich Euch dienen, mein Herr?«

»Du kannst still dort stehen bleiben, während ich die Karten zusammensuche, McVickers.«

Die Stimme des Prinzen troff vor Gift. Der Soldat holte tief Luft und behielt seine stramme Haltung bei.