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Als das Essen vorüber war, beugte sie sich vor und bedachte ihn mit einem eingehenderen Blick, als er je bei ihr festgestellt hatte.

»Ich habe mich gerade gefragt, ob wir uns über etwas unterhalten können, was rein hypothetisch ist. Ich gebe dir Ideen vor, und du spinnst sie weiter, aber keiner von uns wird durch die Diskussion in irgendeiner Weise gebunden.«

Anborn wischte sich mit der Leinenserviette über den Mund und legte sie gefaltet neben den Teller. »Natürlich. Über was möchtest du sprechen?« Ihr Blick fesselte ihn; bei früheren Begegnungen hatte ihn die bemerkenswerte Offenheit ihres Gesichts beeindruckt. Nun sprach ihre Miene von Vorsicht, und ihr Verhalten war geradezu kühl, beinahe unbeteiligt. Obwohl ihre frühere Schönheit durch die Aufregung und Heiterkeit in ihren Augen noch erhöht wurde, hatte sie nun eine Vornehmheit und Distanziertheit an sich, die er weitaus interessanter fand.

»Ich habe mich gefragt, ob du jemals wieder heiraten willst«, meinte sie und sah ihn dabei nüchtern an.

»Nein«, antwortete er. »Warum fragst du?«

»Nun, wenn es etwas ist, über das man reden kann, dann will ich genau das tun.«

Anborn lehnte sich verblüfft auf seinem Stuhl zurück. »Ich bin bereit, über alles zu reden«, sagte er und lächelte leicht. »Bitte sag mir, was du auf dem Herzen hast.«

»Ich frage mich, was du von einer Ehe mit mir halten würdest, falls das nicht eine allzu unangenehme Vorstellung für dich ist«, sagte sie, während sie ihn weiterhin scharf beobachtete.

Ihm entfuhr ein kurzes Lachen, und er hustete in die Hand, während er sich vorbeugte.

»Entschuldigung, ich habe gerade den ohrenbetäubenden Lärm von Millionen brechender Herzen gehört. Habe ich dich richtig verstanden? Machst du mir einen Heiratsantrag?«

»Noch nicht«, sagte Rhapsody ruhig. »Wie ich schon sagte, wollte ich dein Interesse überprüfen.«

»Natürlich«, erwiderte Anborn und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Auf den ersten Blick bin ich verblüfft. Welche Folgen würde das nach sich ziehen? Warum solltest du mich heiraten wollen?«

Rhapsody schob den Teller aus dem Weg und legte die Arme verschränkt auf den Tisch.

»Nun, ich fürchte, diese Antwort besteht aus zwei Teilen. Die Frage lautet: Warum will ich heiraten, und warum gerade dich? Erstens würde ich eigentlich lieber nicht heiraten, aber dann könnte ich nicht mehr Königin der Lirin sein. Es hat den Anschein, dass ich keine Wahl habe.« Anborn nickte; ihre Aufrichtigkeit erfreute ihn.

»Seit meiner Krönung werde ich von Anfragen anderer Herrscher bedrängt, die aus Staatsgründen unbedingt eine Ehe mit mir eingehen wollen. Ich habe kein Verlangen, die Staatsgrenzen von Tyrian auszudehnen, und will auch nicht in die politischen Ränkespiele hereingezogen werden, sie sich daraus zwangsläufig ergäben. Ich bin mir aber auch bewusst, dass ich als unverheiratete Herrscherin andauernd zur Überprüfung meiner Entschlossenheit und Stärke herausfordere. Dazu fehlt mir die Geduld, und ich will nicht, dass jemand aus einem so dummen Grund verletzt oder gar getötet wird. Deswegen habe ich mich damit abgefunden, dass ich heiraten muss.«

Der Schatten eines Lächelns huschte über Anborns nachdenkliches Gesicht. »Irgendwie sieht dir das gar nicht ähnlich, meine Liebe«, sagte er trocken. »Ich hätte eine beträchtliche Summe darauf gewettet, dass du wie eine Löwin gegen solche Bedrohungen kämpfst.«

»Dann wärest du jetzt ein sehr viel ärmerer Mann.« Alle Spuren von Freundlichkeit verschwanden aus Rhapsodys Miene. Sie schloss kurz die Augen und schüttelte alle Erinnerungen an den Wyrm ab, der in den Eingeweiden der Erde schlief. Die gewaltige Tunnelwand, gegen die sie sich einmal gelehnt hatte, war nur eine einzige Schuppe seiner ungeheuren Haut gewesen, und sein Fleisch war inzwischen ein wesentlicher Bestandteil der Erde. Als sie diesen Gedanken verbannt hatte, öffnete sie die Augen wieder und sah Anborn an.

»Wir sollten uns nicht so geziert unterhalten, General. Wir beide wissen, dass ein Krieg bevorsteht; er kommt mit jedem Augenblick näher. Und während du den Krieg aus eigener Anschauung kennst, habe ich unseren Gegner gesehen oder wenigstens einen von ihnen. Wir brauchen alles, was wir haben alles , bloß um sein Erwachen zu überleben, vom Besiegen erst gar nicht zu reden. Ich will weder das Blut noch die Zeit der Lirin verschwenden, um etwas so Dummes wie eine Kriegserklärung wegen meiner Verlobung abzuwenden. Eine Vernunftheirat ist ein geringer Preis für die Sicherheit und den Frieden Tyrians. Wir brauchen jede lebende Seele, wenn die Zeit gekommen ist. Du hast mich einmal gefragt, ob ich mich Llauron verschworen habe. Jetzt habe ich mich den Lirin verschworen. Ich werde alles tun, was ich tun muss, um ihre Sicherheit zu gewährleisten, egal was es mich kostet.«

Anborn drehte den Stiel seines Weinglases zwischen den Fingern und nickte, während sein Grinsen breiter wurde. Er erhob das Glas zu einem stummen Gruß, trank rasch, nickte wieder und stellte es ab.

»Bitte fahre fort.«

»Nun kommt der Grund, warum ich glaube, dass du der Richtige bist. Du liebst mich nicht, und das verlange ich auch nicht von dir. Ich bezweifle, dass du es je tun würdest. Ich hoffe, du bist nicht beleidigt, wenn ich dir sage, dass ich dich schätze und dich eines Tages vielleicht mögen werde, aber ich glaube nicht, dass ich mich in dich verlieben könnte. Das macht eine Heirat durchführbar und frei von all den Schwierigkeiten, die sich üblicherweise dabei einstellen.

Ich bitte dich nur um sehr wenig. Bring mich nie in Verlegenheit und versuche nicht, mir oder dem lirinschen Volk zu schaden. Darüber hinaus stelle ich keine Forderungen. Ich erwarte von dir keine Treue, aber ich würde eine gewisse Diskretion sehr gern sehen. Natürlich brauche in anderen Angelegenheiten durchaus deine Loyalität. Du kannst jedoch kommen und gehen, wann du willst.«

»Interessant«, meinte Anborn.

»Kommen wir nun zu den Vorteilen. Für mich würde es außer der vorhin erwähnten Befreiung von allen Nachstellungen bedeuten, dass ich einen Gatten habe, den ich achte und dessen Ruf mögliche Schwierigkeiten gar nicht erst aufkommen lässt. Ich weiß nicht, welche Vorteile du aus dieser Sache ziehen könntest. Das lirinsche Heer stünde dir in Notfällen zur Verfügung, wenngleich ich es nicht für unethische Taten hergebe. Es gibt natürlich ein wenig Reichtum und einen bestimmten gesellschaftlichen Rang, aber beides besitzt du bereits. Vielleicht sind die Gründe für dich nicht so gut wie für mich, und es könnte darauf hinauslaufen, dass du mir bloß einen großen Gefallen erweist. Aber du hättest immer einen Ort, an den du heimkehren könntest und wo man dich mag, ehrt und schätzt. Ich würde alles tun, um dir eine gute Gesellschafterin zu sein, und keine Forderungen an dich stellen. Zumindest ist das meine Absicht. Hast du noch Fragen?«

»Ein paar.«

»Dann stell sie bitte.«

»Mal sehen, was ich zuerst frage. Erwartest du Kinder?«

»Nein. Wie ist es bei dir?«

»Nein, ich hätte lieber keine.«

»Ich könnte vielleicht hin und wieder eines adoptieren, aber ich glaube, es würde nicht als dein, sondern allein als mein Kind angesehen. Die Lirin sind in solchen Angelegenheiten sehr genau.«

»Damit habe ich keine Schwierigkeiten.«

»Sehr gut. Was ist sonst noch?«

»Wie steht es um, äh, eheliche Verpflichtungen? Sind sie Teil der Vereinbarung?«

Rhapsody zuckte nicht zusammen; ihre Miene blieb gelassen. »Das ist deine Entscheidung«, sagte sie. »Wenn du sie erwartest, habe ich nichts dagegen. Wenn nicht, ist das genauso gut.«

Sie lächelte, und eine Spur ihres alten Humors flammte auf. »Ich glaube, du hast genug gesehen, um zu einer wohl bedachten Entscheidung zu kommen.«

Anborn schüttelte den Kopf und lächelte verwundert. »Bemerkenswert«, sagte er in einem Tonfall der Belustigung. »Ich sitze vor der hübschesten Frau, die ich je gesehen habe und der die Männerwelt zu Füßen liegt, und sie bespricht eine mögliche geschlechtliche Vereinigung mit derselben Begeisterung wie einen Grundstückskauf oder ein Gesetzesvorhaben. Das ist beinahe unwirklich, Rhapsody. Darf ich dir eine weitere Frage stellen?«