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Der Bolg sah sie ernst an. »Versprochen?«

»Versprochen.«

»Du gehst nicht in seine Nähe? Du bleibst weit genug von ihm weg, damit er nicht in dein schönes Gesicht sehn und uns angreifen kann?«

Rhapsody stand auf den Zehenspitzen, während er den Kopf zu ihr herunterbeugte. Sie küsste sein großes grünes Gesicht. »Weit genug von ihm weg. Ich habe dir doch gesagt, dass ich warte, bis du ihn hast. Ich bin sicher, dass er mich nicht quer durch die ganze Basilika besessen machen kann.«

Achmed lächelte säuerlich. »Ich wusste gar nicht, dass du eine Expertin in Dämonenfragen und Besessenheit bist, Rhapsody. Wir können nur hoffen, dass deine Kenntnisse zielgenauer sind als diese Pfeile.« Die beiden Bolg traten in den Schatten, der bereits die Kopfsteingepflasterten Straßen verschluckt hatte, und prüften die Windrichtung, bevor sie sich auf den Weg in die Stadtmitte machten, wo die Basilika in der Dunkelheit auf sie wartete.

»Warum? Was stimmt nicht mit meinen Pfeilen?« Rhapsody beeilte sich, mit ihnen Schritt zu halten, doch ihre Freunde gaben keine Antwort. Sie waren so still wie die Finsternis, mit der sie sich verwoben hatten.

66

Als sie die nördliche Seite der Basilika erreicht hatten, wo der Küster gerade den Dreck und die Asche für den Müllmann auskippte, packte Rhapsody Grunthor am Ellbogen.

»Ich muss dir etwas sagen, Grunthor.«

Der Sergeant sah auf das kleine Gesicht herab und lächelte breit. Am Ausdruck ihrer Augen erkannte er, was sie ihm sagen wollte. Rhapsody war für ihn so durchsichtig wie ein canderischer Kristall.

»Nee«, meinte er barsch und zog seinen Arm fort. »Du hattest die Gelegenheit, jetzt musst du bis danach warten.«

»Das kann ich nicht«, sagte sie besorgt. »Es ist wichtig, Grunthor.«

Er grinste. »Ich fürchte, du musst erst das hier hinter dich bringen. Kannst es mir sagen, wenn du fertig bist, klar, Herzchen?« Er achtete nicht darauf, dass sie ihn am Ärmel zupfte, blieb aber lange genug stehen, sodass Achmed sich zwischen die beiden stellen konnte. Wie immer ging ihre Unterhaltung über das gesprochene Wort hinaus. Dann trat er wieder in die Schatten, die den Haufen aus Sand und Asche umgaben.

Rhapsody sah ihm bestürzt nach. Einen Moment lang erkannte sie ihn noch, wie er vor dem gewaltigen Berg aus Abfall von den Feuern der Basilika stand. Dann war sie nicht mehr sicher, was in der Dunkelheit Grunthor und was Erde war. Sie kniff die Augen zusammen, und auch der letzte Rest seines Schattens war verschwunden. Er war so leicht mit der Asche und dem Dreck verschmolzen wie mit der Dunkelheit einen Moment zuvor.

Grunthors Füße berührten die Grenzlinie des verseuchten Bodens. Er wartete, bis er sicher auf dem Teil des Bodens stand, der von dem Dämon nicht entweiht worden war, und wurde dann eins damit. Er atmete langsam und bewusst, bis sich auch sein Körper so weit abgekühlt hatte, dass er die Temperatur der Straße erreichte. Er spürte den Herzschlag der Erde durch ihn pulsieren und zu seinem eigenen werden.

Augenblicke später eilten zwei Männer vorbei und stritten miteinander. Sie gingen dicht an dem Firbolg-Riese n vor dem Abfallhaufen vorüber, schenkten ihm aber keinen Blick. Rhapsody und Achmed sahen sich an und lächelten. Das war der erste Streich, schien ihr gemeinsames Grinsen sagen zu wollen. Dann streckte Achmed die Hand aus, und sie ergriff sie. Gemeinsam umrundeten sie das westliche Ende des Bauwerks und gingen an der Linie der Verseuchung entlang, die Grunthor ihnen gezeigt hatte.

Als sie die südwestliche Ecke der Basilika erreichten, zerrte Rhapsody an Achmed und blieb stehen.

»Weigerst du dich auch, mir zuzuhören?«

Eine behandschuhte Hand legte sich an ihr Gesicht und bewegte sich zu den Lippen, um sie zum Schweigen zu bringen. Rhapsody wunderte sich über die Zartheit seiner Berührung durch das dünne Leder. Kein Wunder, dass er die Schwingungen des Windes spüren und sich in ihnen verbergen kann, dachte sie lächelnd. Seine Antwort war leise.

»Die Zeit für Worte ist vorbei. Wir dürfen den Bastard nicht warten lassen.«

»Na gut, dann gehe ich nicht weiter.« Sie ergriff seine Hand. Er schaute sie an, ihre Blicke trafen sich. Schließlich trafen sich auch ganz sanft ihre Lippen. Es war das erste Mal, und Rhapsody betete, dass es nicht das letzte Mal sein würde.

Ihr Mund hing noch einen weiteren Moment an seinem; sie teilten einen letzten Atemzug, dann trat sie zurück. Achmed zog bereits die Kapuze auf; es war das Zeichen für sie, die Ecke zu umrunden.

Sie hingegen streifte ihre Kapuze ab und schaute die Straße hinunter. Sie war verlassen. Der Nachtwind war zu einer steifen Brise erstarkt und blies Fetzen aus Schnee und Abfall in Schwallen eisiger Luft durch die düstere Stadt. Rhapsody umrundete die Ecke und ging rasch die Straße entlang bis zum südlichen Ende der Basilika. Dabei kam sie am Fenster der Sakristei vorbei. Sie wandte sich zur südöstlichen Ecke und ging auf den Haupteingang in der östlichen Vorhalle zu.

Gittelson sah aus dem kleinen Sakristeifenster. Hinter dem schweren Vorhang war er unsichtbar. Seine bleichen Hände waren nass von Angstschweiß und wirkten weißlich im Dämmerschein der nur schwach brennenden Kerzen.

»Sie kommt, Euer Gnaden.«

Der Seligpreiser stand im Mittelschiff, dem zentralen Teil der Basilika, inmitten der Bänke für die Gläubigen. Seine alten Hände liebkosten den Rücken eines glänzenden hölzernen Kirchenstuhls. Sein Lächeln glimmerte im Schattenspiel der Kerzen, die in den Lüstern über ihm brannten.

»Gut«, sagte er leise. »Ich bin bereit.«

Er ging das Seitenschiff entlang bis zu den polierten Marmorstufen, die hoch zum Allerheiligsten führten, wo der steinerne Altar stand, und stieg die Treppe hoch. Auf halbem Weg drehte er sich um und schaute zurück zur Sakristei und der Gestalt im Türrahmen, die sich vor dem Licht des kleinen Umkleidezimmers abhob.

»Schließ die Tür, Gittelson, du lässt das Licht herein.«

Eine behandschuhte Hand wurde ausgestreckt und schloss die Tür.

Der Seligpreiser drehte sich wieder um und erkletterte die restlichen Stufen. Er lächelte in sich hinein.

Rhapsody zog an dem Griff der Haupttür der Basilika. Sie leistete hartnäckigen Widerstand, denn sie war aus schwerem, geschmiedetem Eisen gefertigt und geschmückt mit den heiligen Symbolen, die sie in Sepulvarta gesehen hatte. Panik, die von den Haarspitzen ausging, durchströmte sie. Sie hatte die Möglichkeit nicht bedacht, dass die Basilika abgeschlossen sein könnte.

Sie zog ein zweites Mal an der Tür; diesmal öffnete sie sich so leicht, als würde sie von einem unsichtbaren Diener aufgezogen. Sie sah sich in der Vorhalle um, erkannte aber nichts außer den ärmlichen Ständern mit Bittkerzen, von denen einige im Wind flackerten, als die Tür geöffnet wurde. Rhapsody trat nach drinnen.

Die Luft in der Basilika war schwer und bedrohlich, als ob sie sich gegen Rhapsodys Gegenwart wehrte. Sie machte einen weiteren Schritt und spürte in ihren Zehen ein brennendes Gefühl. Der entweihte Boden wollte sie genauso wenig, wie sie selbst hier sein wollte. Sogar jede Bewegung durch die Luft war ein Kampf. Rhapsody riss sich zusammen und ging weiter auf die Türen zu, die in den Hauptteil der Basilika führten. Das zentrale Heiligtum war am Rande ihres Blickfeldes durch die Türen sichtbar. Sie ging schweigend bis zum Ende der Vorhalle und blieb stehen, bevor sie das Mittelschiff betrat.

Die Gestalt in der dunkelroten Robe am Altar drehte sich nicht um. »Kommt herein, Euer Majestät«, sagte der Mann mit einem leichten Kichern in der Stimme.

Die Luft um Rhapsody veränderte sich leicht, während der Dämon seine Einladung aussprach. Es war, als lockerten sich die unsichtbaren Fesseln, die sie zurückhielten, und der verseuchte Boden hieße ihre Schritte nun willkommen. Rhapsody zögerte, denn sie wusste nicht, ob sie den entweihten Boden, der zum Herrschaftsgebiet des Dämons gehörte, betreten sollte, doch es blieb ihr nichts anderes übrig. Sie betrat den Hauptteil der Basilika.