Natürlich kann man es eigentlich nicht Vergewaltigung nennen, wenn die Frau ihren Vergewaltiger in sich drückt und ihn reitet, oder? Ich bin selbstverständlich kein Experte, aber ich würde sagen, eine unwillige Frau schüttelt ihren Bedränger nicht mit ihrem Körper durch, sie wackelt nicht mit den Hüften, keucht nicht seinen Namen und ist nicht enttäuscht, wenn er langsamer wird.
Ich muss gestehen, dass es mich selbst erregt hat, als er mir erzählte, wie er sie mit der Zunge befriedigt und ihren Saft getrunken hat. Du weißt, warum sie so heiß war? Es waren nicht nur seine Hände zwischen ihren Beinen, sein Mund auf ihrer Brust. Du warst der Grund dafür. Es war der Glaube, dass sie mit deinem Geliebten schläft. Wer hätte vermutet, dass eine Frau, die dir so nahe steht, dich so hasst, dass sie sich deinem Liebhaber hingibt und sich von ihm willig verführen lässt, selbst wenn sie dabei stirbt, nur damit sie es dir richtig heimzahlen kann?«
Hass floss durch Rhapsody. Ihr Gesicht wurde rot und das Blut heiß, doch am Rande ihres Verstandes verspürte sie Zweifel. Sie erinnerte sich an den verhärteten Ausdruck auf Jos Gesicht, als sie Rhapsody die Geschichte erzählt und ihr dabei fest in die Augen geschaut hatte.
Ich sehe niemanden. In Wirklichkeit siehst du ihn.
Wovon redest du, Jo?
Es war Ashe. Ich habe mit Ashe gevögelt. In der Nacht, als ihr euch im Beratungszimmer getroffen habt, als ich weggelaufen bin, ist er mir nachgegangen und hat mich draußen auf der Heide gefunden. Er hat dir nichts davon gesagt, oder?
Wahrscheinlich hat er dir gesagt, er hat mich nicht gefunden, ja? Alles Unsinn. Ich hob versucht, ihn wegzuschicken, aber er wollte einfach nicht. Und dann, na ja, dann haben wir’s getan. Ich werd seinen Gesichtsausdruck nie vergessen. Er hat mich regelrecht um den Verstand gevögelt. Ehrlich, Rhapsody, ich weiß nicht, was du an ihm findest. Hast du denn nichts Besseres zu tun, als dich von ihm bespringen zu lassen?
Rhapsodys Magen zog sich bei dem kalten Gedanken des Betrugs zusammen. Damals hatte sie sich nicht so gefühlt. Sie war zu besorgt um Jo gewesen und hatte an nichts anderes als an ihre Schwester gedacht. Sie hatte sich die Tat nicht einmal vorgestellt. Doch jetzt kam das Bild der beiden im Gras in ihre Gedanken, wie sie gegeneinander stießen und in den Zuckungen des gemeinsamen Orgasmus aufschrien.
Ihr Herz zog sich in schrecklichem Zorn zusammen, als sie wieder die Tagessternfanfare mit kreisendem Schwung zog und die Stufen zum Altar hochstieg. Ihr Gesicht hatte einen mörderischen Ausdruck angenommen. Der Seligpreiser lächelte, als er es sah, und Rhapsody spürte plötzlich, wie etwas in ihr einrastete. Oelendras Warnung klang ihr in den Ohren.
Lass deinen Hass vorübergehen, denn sonst wird er sich gegen dich wenden. Dein Grund für die Vernichtung des F’dor sollte nicht die Vergangenheit des Kindes, sondern seine Zukunft sein. Wenn du das in Erinnerung behältst, wirst du die Tat nicht aus Rache begehen, sondern weil sie richtig ist. Im Letzteren liegt mehr Kraft als im Ersteren. Ich kann das nicht mehr tun; mein Hass ist zu stark, aber du, Rhapsody, hast die Möglichkeit, die Dinge richtig zu stellen.
Die Scheußlichkeit seiner Taten sollte dich nicht in Verwirrung bringen.
Rhapsody holte tief Luft und entspannte sich. Sie trat auf den Boden des Allerheiligsten und überquerte ihn, weil sie sich vor den Seligpreiser stellen wollte. Dabei hörte sie wieder die Stimme in ihrem Kopf.
»Sei nicht eifersüchtig, Rhapsody. Dem Rakshas hat es mit dir viel besser gefallen als mit ihr.«
Rhapsody blieb wie erstarrt stehen.
»Ach, das wusstest du nicht? Nun, das überrascht mich keineswegs. Eure beiden Liebhaber sahen gleich aus. Was hatte ich für ein Glück, dass du dich in Llaurons Sohn verliebt hast. Dadurch wurde es für den Rakshas so viel einfacher, dich zu besitzen. Du hast geglaubt, es sei immer Gwydion gewesen, der mit dir geschlafen hat, nicht wahr? Nachdem deine Schwester meinem Geschöpf von euch beiden erzählt hatte, war es ganz einfach. Außerdem ist es nachts in den Zahnfelsen sehr dunkel, nicht wahr, meine Liebe?«
Die stumme Stimme in ihrem Kopf lachte, und das Geräusch hallte in ihrem Gehirn wider. Ihr drehte sich der Magen um, als die Erinnerung an Jos letzte Nacht sie einholte der kreischende Wind über dem Gebirgspass in der undurchdringlichen Dunkelheit, der blinde Aufstieg durch die Felsspalten bis in den Schutz des Bogens.
Wahrscheinlich liegt es nur daran, dass mein erstes Mal ein bisschen, na ja, ein bisschen grob war.
Das Blut strömte aus ihrem Gesicht, als sie sich an ihren verzweifelten, beinahe gewalttätigen Akt mit Ashe in jener Nacht erinnerte, als sie sich gegen die Felswand gelehnt hatten. Die übliche Zärtlichkeit war wilder Eindringlichkeit und heftigen Schmerzen gewichen. Es war Ashe gewesen. Oder nicht? Das kann nicht sein, dachte sie in Panik, doch das Lachen in ihrem Kopf wurde lauter, als sie begriff, dass sie damals sein Gesicht nicht gesehen hatte. Selbst wenn sie es erkannt hätte, wäre sie möglicherweise nicht in der Lage gewesen, in ihrer Verzweiflung und bei dem heulenden Wind den Unterschied zu bemerken.
Was mit Jo geschehen ist, war nicht deine Schuld. Wenn jemand daran schuldig ist, bin ich es.
Er war aus der Dunkelheit zu ihr gekommen, nachdem Ashe gegangen war. Vielleicht war er in den Zahnfelsen herumgewandert, so wie es gewesen war, als er Jo gefunden hatte. Lanacans Lächeln war ekelhaft wissend, als er auf ihren Bauch deutete.
Nun, die Zeit wird es zeigen. Wir werden sehen, wer die Hure des Dämons war.
Die lautlose Dämonenstimme lachte erneut. »Und die ganze Zeit über hast du nicht gewusst, dass du schwanger bist. Der Same ist zwar vor langer Zeit in dich gelegt worden, aber er wächst erst, seit ich das Wort ausgesprochen habe. Sicherlich hast du nicht geglaubt, dass du die Einzige mit der Fähigkeit des Benennens bist, nicht wahr? Nein, bestimmt nicht. Dazu bist du viel zu bescheiden, nicht wahr, meine Liebe? So bezaubernd. Du wirst eine wunderbare Mutter abgeben, Rhapsody, wenigstens so lange das Kind sich in deinem Leib befindet. Es ist eine Schande, dass du die Geburt nicht mehr erleben wirst.«
Die Stimme in ihrem Kopf wurde einen Moment lang durch Manwyns Stimme ersetzt.
Ich sehe die Geburt eines unnatürlichen Kindes, hervorgegangen aus einer unnatürlichen Verbindung. Nimm dich vor dieser Geburt in Acht, Rhapsody: Die Mutter wird sterben, das Kind aber wird überleben.
Ihre Hände wurden klamm, und sie löste den Griff um das Schwert.
»Ja, meine Liebe, es stimmt. Du trägst mein Kind, so wie es auch die anderen getan haben. Aber ich glaube, deines wird seinen Vater noch mehr verehren. Der Same hat lange geschlummert und dabei die Gelegenheit gehabt, sich mit meinem Blut zu durchtränken wie der Tee hier auf dem Altar. Je mehr Zeit vergeht, bevor das Blut der Mutter dazu kommt, desto dämonischer ist die Natur des Kindes.«
Rhapsody erzitterte. Sie hatte beinahe sieben Jahre bei den Rowans verbracht. Wenn die Worte des F’dor der Wahrheit entsprachen, würde das Kind völlig dämonisch sein.
»Ist das nicht eine wunderbare Ironie: Die wunderschöne Sternenmutter, Retterin der verlorenen Kinder, Schutzheilige der Dämonenbrut, der Himmel in der Prophezeiung der Drei, der aus der Vergangenheit selbst heraustritt, um die Wunden der verwaisten Welt zu heilen und sie zusammenzufügen, wird mich wiedergebären. Du bist es, die den F’dor erneut in die Welt setzt. Du bist die Tür, durch die ich zurückkehren werde. Du bist diejenige, die das Böse lebendig erhält. Oh, ist das großartig! Was könnte vollkommener sein?« Das Schwert fiel klirrend zu Boden.
Grunthor starrte sie an. Alle Farbe war aus Rhapsodys Gesicht gewichen. Die Augen waren weit aufgerissen und starrten blind umher. Jo hatte im Augenblick ihres Todes ähnlich ausgesehen. Rhapsody zitterte unkontrolliert. Sie führte die Hände zu ihrem Bauch. Er spürte, wie mit jeder Sekunde der Dämon stärker wurde. Er sah wild hinüber zu Achmed, der vor Anstrengung schwitzte, den Bann aufrechtzuerhalten. Der Seligpreiser gab keinen Ton von sich, doch ein Lächeln kroch über sein ältliches Gesicht, in dem die Augen wie Feuer aus der Unterwelt brannten und Rhapsody nun wie wahnsinnig anstarrten.