So war es den ganzen Weg von Bethe Corbair gewesen. Seine eigene Hochstimmung hatte sich nicht auf seine beiden Gefährten übertragen. Kurz zuvor hatte er einen Blick in Achmeds Richtung geworfen und die Warnung in seinen Augen deutlich gesehen. Also stellte er keine Fragen, sondern versuchte die Stimmung mit einem Scherz oder was er dafür hielt zu verbessern.
»Köstliches Mahl, Herzogin«, sagte er heiter und tätschelte ihr grob den Kopf. »Erinnere mich nich, dass dein Eintopf schon mal so gut geschmeckt hat.«
»Das liegt an dem Knoblauch aus Bethe Corbair«, erwiderte sie, stand auf und nahm seinen Teller an sich. »Ich glaube nicht, dass ich je zuvor so dicke, feste Knollen gesehen habe. Ich habe ein paar übrig behalten, um sie einzupflanzen. Möchtest du noch eine Portion?«
»Na klar.« Grunthor nahm einen Schluck Tee und zog eine Schnute. »Ist das auch etwas, das du gekauft hast?«
»Ja, das ist der weiße Andorn. Er war auch in den Süßigkeiten.« Sie lächelte, als sie seine Grimasse sah. »Du magst ihn nicht, oder?«
Grunthor machte große Anstrengungen, heiter auszusehen. »Oh, er ist wunderbar, Liebes.«
»Lügner. Aber das ist schon in Ordnung. Ich bin es gewöhnt, dass die Leute meinen Tee beleidigen. Das kommt von dem Öl der Blätter. Du sagtest, du hast Halsschmerzen. Deshalb muss er so schmecken.«
Der große Bolg schluckte. »Ist wohl ne Frage der Gewöhnung. Was willst du mit dem ganzen Dämonenzeugs machen mit dem Beifuß und der Datura? Sind die nich giftig?«
»Das hoffe ich. Ich habe alle Kakerlakennester damit eingerieben.«
Achmed unterdrückte ein Lächeln. »Was hast du mit all diesen Pfeilen vor?«
»Die sind für Gwydion Navarne, meinen Enkel. Er ist ein Bogenschütze wie sein Vater, oder wenigstens will er einer werden. Er liebt die brennbaren Pfeile.«
»Dann sollte er nicht in der Nähe der Festung oder entzündlicher Dinge üben. Die Pfeile haben einen Drall.«
Rhapsody machte ein bestürztes Gesicht. »Wirklich? Das habe ich nicht bemerkt.«
Der Fir-Bolg-König lehnte sich zurück und verschränkte die Beine. »Natürlich nicht. Du warst zu sehr damit beschäftigt, möglichst auffällig zu sein, damit Gittelson dich auf dem Markt bemerkt.«
»Er war ziemlich dumm, nicht wahr?«
»War ist das treffende Wort.«
»Der arme Kerl«, sagte Grunthor mitleidig. »Is doch so schwer, heutzutage gute Leute zu kriegen.« Er grinste, als er sah, wie ein Lächeln um Rhapsodys Mundwinkel spielte.
»Besonders da, wo er sich jetzt befindet«, meinte Achmed und sah die Sängerin ebenfalls an.
»Es ist überhaupt schwierig, dort irgendetwas Gutes zu bekommen.«
Rhapsody drückte ihren Stuhl zurück. »Hört auf, mich anzustarren. Ich ertrage das nicht.« Sie stand auf, ging zum Feuer und schaute in die wogenden Flammen.
»Willst du uns nicht sagen, was los ist?« Die tiefe Stimme klang sanft. Grunthor erkannte, wie sich Rhapsodys Rückenmuskeln bei seinen Worten spannten, doch ansonsten erfolgte keine Reaktion.
Rhapsody sah noch einen Moment lang ins Feuer. Schließlich drehte sie sich um und lächelte die beiden an.
»Ich weiß nicht mit Sicherheit, ob etwas los ist, Grunthor«, sagte sie ruhig. »Ich muss nach Tyrian zurückgehen, und der Gedanke, euch beide zu verlassen, macht mich traurig.«
»Dann bleib hier«, sagte Achmed nur.
Sie schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht. Es ist Zeit, das cymrische Konzil einzuberufen, und ich habe in meinem Land Vorbereitungen dafür zu treffen. Doch danach komme ich zurück und muss bestimmt mehrere Monate warten, bis alle Cymrer eingetroffen sind. Ich werde bis dahin in Canrif bleiben, also werden wir einige Zeit miteinander verbringen können.«
»Das bezweifle ich«, murmelte Grunthor düster. »Immer wenn wir ’n bisschen Spaß miteinander haben, taucht dieser alte Wasserjunge auf, und du haust mit ihm ab.«
Das Lächeln verschwand aus Rhapsodys Gesicht. »Nein, das wird er nicht«, sagte sie entschieden. »Er spielt jetzt nicht mehr mit, Grunthor. Und falls er kommt, will ich ihn sowieso nicht sehen.« Die Bolg schauten einander an.
»Das ist eine erfrischende Nachricht«, sagte Achmed. »Was brauchst du von uns für die Versammlung?«
»Ich habe eine Liste gemacht. Sie betrifft hauptsächlich Unterkunft und Sicherheit, was nicht gerade wenig für hunderttausend erwartete Gäste ist. Natürlich gibt es da auch noch ein paar andere Dinge. Ich gehe auf mein Zimmer und hole die Liste.« Sie entzog sich den aufmerksamen Blicken der beiden und eilte aus dem Versammlungsraum.
Als sie fort war, starrten die beiden immer noch auf die Tür, durch die sie verschwunden war.
»Was macht ihr so Sorgen, Achmed?«
Achmed schaute in das Feuer. »Ich glaube, sie kämpft mit ihren eigenen inneren Dämonen.«
Achmed ritt mit ihr bis zur Grenze zwischen Ylorc und Bethe Corbair. Sie hatten ein einfaches Lagerfeueressen miteinander geteilt und zugeschaut, wie die Sterne an einem Himmel erschienen, der sich mit dem herannahenden Ende des Winters allmählich später verdunkelte. Sie hatten schweigend dagesessen und ihren Gedanken nachgehangen.
Schließlich stand Rhapsody auf und machte sich für die Weiterreise bereit.
»Vielen Dank für das Abendessen und für alles andere.« Achmed nickte. Ihre Augen wurden etwas heller, und sie schüttelte ihm die Hand. »Erinnerst du dich daran, was du mir am Abend vor der Krönung gesagt hast? Dass du immer hinter mir stehst?«
»Ja.«
Rhapsody lächelte. »Als ich in der Basilika stand, bevor du hereinkamst, konnte ich dich spüren, der Dämon aber nicht.«
»Ich weiß.«
»Das war der einzige Grund, warum ich nicht einfach weggelaufen bin.«
Achmed schüttelte den Kopf. »Nein, das stimmt nicht. Aber es ist egal; es wird immer so sein.«
»Ich weiß.« Sie schwang die Satteltasche über den Rücken ihres Pferdes und drehte sich dann wieder nach Achmed um. »Darf ich dich um einen Gefallen bitten?«
»Selbstverständlich.«
»Wirf einen Blick auf Elysian, wenn ich weg bin. Es ist schon so lange her, dass ich dort gewesen bin. Meine Gärten sind inzwischen bestimmt verdorrt, aber ich will wissen, ob das Haus noch steht.«
Achmed warf seine eigene Tasche auf sein Reittier. »Alle Gärten sterben im Winter. Es ist schon beinahe Frühling. Deine Anpflanzungen werden es schaffen; die schwierigste Zeit ist schon fast vorbei.«
Rhapsody beobachtete ihn, während er sein Pferd packte. »Nicht unbedingt«, sagte sie.
»Manchmal tötet der Frost noch.«
Er kam zu ihr herüber und ergriff ihre Hand. »Nicht, wenn man sich um den Garten kümmert.«
Sie lächelte ihn wieder an und nahm seinen Kopf zwischen ihre Hände. Sanft küsste sie ihn, wie sie es in jener Nacht vor der Basilika getan hatte. Die Wärme ihrer Lippen verweilte kurz auf seinen. Dann trat sie zurück und ließ den Blick über sein Gesicht schweifen.
»Ich hatte befürchtet, ich würde nie wieder die Gelegenheit haben, das zu tun«, sagte sie leise.
»Ich ebenfalls«, sagte er. Er ging mit ihr zu ihrem Pferd und sah zu, wie sie aufstieg. »Gute Reise.«
»Danke. Bleib gesund, mein Freund.« Sie warf ihm eine Kusshand zu und ritt durch die tintenschwarze Nacht dem aufgehenden Mond entgegen.
Als Achmed über den stillen See von Elysian ruderte, murmelte er unterdrückte Flüche. Er hasste Wasser. Nur Rhapsodys Bitte hatte ihn hierher gebracht, nur ihretwegen steuerte er dieses schreckliche Boot über den riesigen See.
Er verfehlte wiederholt die Anlegestelle und gab schließlich verärgert auf. Kurz entschlossen sprang er in das knietiefe Wasser und watete an Land. In dem Augenblick, als seine Füße trockenen Boden berührten, wusste er, dass etwas in Elysian nicht stimmte. In der Luft lagen unwillkommene Schwingungen.
Ashe war hier irgendwo.