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Wie zur Bestätigung öffnete sich die Vordertür. Kurz darauf erschien Ashe unrasiert und mit wilden Blicken im Türrahmen. Selbst aus einigen hundert Fuß Entfernung war der Ausdruck tiefster Panik auf seinem Gesicht unverkennbar. Achmed ließ sich Zeit, zog die durchnässten Stiefel aus und goss das Seewasser aus ihnen. Dann watete er zurück ins Wasser und zog das widerspenstige Boot ans Ufer.

»Wo ist sie?« Ashes Stimme ertönte unmittelbar hinter ihm.

»Ja, vielen Dank, ich kann ein wenig Hilfe gut gebrauchen«, meinte Achmed sarkastisch. Er band das Boot an und drehte sich zu Llaurons Sohn um.

Seine vollendete Abneigung und sein Misstrauen gegen Ashe legten sich ein wenig. Er schaute in ein Gesicht, das von gewaltiger Angst und furchtbaren Sorgen verzerrt war. Er hat te Ashes Gesicht bisher nur ein oder zweimal bei unangenehmen Feiern hier in Elysian in jenem Sommer gesehen, den dieser lästige Mensch mit Rhapsody verbracht hatte. Die Luft hatte vor Spannung geknistert, während sich die beiden misstrauisch beäugt und kleine Gemeinheiten ausgetauscht hatten; Rhapsody hatte indessen das Essen aufgetragen und so getan, als bekäme sie all das nicht mit.

Jetzt war sein Rivale im Nachteil. Er hatte hier offenbar auf ihre Rückkehr gewartet. Wenn er irgendwo mitten in der Welt gewesen wäre, hätte er die Neuigkeiten über den Seligpreiser von Bethe Corbair gehört. Unter der Panik sah sein Gesicht älter aus als damals, als er selbst gejagt worden war. Achmed erinnerte sich aus der eigenen, tiefsten Vergangenheit an dieses Gefühl. Es war schwer vorstellbar, dass es noch schrecklichere Gefühle gab, doch das war offenbar der Fall, und in diesem Moment verspürte Achmed zum ersten Mal so etwas wie Mitleid für den Mann, dessen Gegenwart er nicht ertragen konnte.

»Sie lebt«, sagte er, wickelte das Tau auf und warf es auf die Böschung. »Inzwischen ist sie vermutlich auf halbem Wege nach Tyrian.«

Erleichterung machte sich auf Ashes Gesicht breit, doch kurz darauf wurde sie von Besorgnis und einem anderen, schwieriger zu deutenden Gefühl abgelöst. »Ist sie verletzt?«

»Nein. Du brauchst dir jetzt keine Sorgen mehr um sie zu machen.«

»Warum ist sie nach Tyrian gegangen?«

Achmed schenkte ihm seinen gewohnten starren Blick. »Sie lebt dort. Hat dir das niemand gesagt?«

Ashe kniff unbehaglich die Augen zusammen. »Ja. Nein. Ich meine, ich hatte geglaubt, sie käme zuerst hierher. Sie lebt auch hier.«

Achmed nickte und wandte sich ab, um einen Blick auf die Gärten von Elysian zu werfen. Wie Rhapsody vorhergesagt hatte, schlummerten sie. Frost hatte die Blätter verwelkt, und sogar die unterirdischen Schösslinge waren verdorrt. »Vielleicht hatte sie geahnt, dass du das annimmst, und ist nach Tyrian geritten, um dir aus dem Weg zu gehen. Sie will dich nicht mehr sehen, Ashe.« Er sah zu, wie Ashes Gesicht rot anlief.

»Hat sie das gesagt?«

»Mit genau diesen Worten.«

»Ich verstehe.« Ashe wandte sich kurz ab und fuhr sich mit der Hand durch das unglaublich kupferige Haar. »Bist du aus diesem Grund hergekommen? Um mir das zu sagen?«

Achmed schnaubte verächtlich. »Wohl kaum. Ich bin nicht dein Bote. Rhapsody hat mich gebeten, nach dem Haus und den Gärten zu sehen. Sie wusste nicht, dass du schon hier bist. Ansonsten wäre ich wahrscheinlich nicht hergekommen.«

Ashe nickte. »Na, wenigstens vielen Dank für die Neuigkeiten. Ist der Seligpreiser tot?«

»Ja.«

»Gut. Das ist gut.« Er warf wieder einen Blick auf Elysian und wirkte, als wüsste er nicht, was er als Nächstes tun sollte.

»Wohin wirst du jetzt gehen, Ashe?«

Ashe drehte sich wieder zu ihm um. Neue Ruhe hatte sich auf sein Antlitz gelegt. »Ich weiß nicht. Vielleicht nach Tyrian.«

Achmed grinste. »Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe?«

»Doch. Aber das heißt weder, dass ich dir glaube, noch dass ich deinen Rat benötige.«

Der Fir-Bolg-König kicherte. Widerspruch machte Rhapsody widerspenstig bis an die Grenze der Ungebärdigkeit. Er wünschte, er könnte ihr Gesicht sehen, wenn sie das gehört hätte.

»Wie du willst. Ich vermute, das Haus ist in Ordnung?«

Ashe errötete ein wenig. »In Ordnung, aber nicht ordentlich.«

»Ich verstehe. Bitte mach sauber, bevor du gehst. Ich hasse es, wenn sie noch wütender wird, als sie schon ist.«

Ashes Miene verfinsterte sich. »Du sähest uns gern getrennt, nicht wahr?«

Achmed zuckte die Achseln. »Ihr seid bereits getrennt. Such dir ein neues Ziel, Ashe. Wir haben den Dämon für dich getötet; Rhapsody hat dich geheilt und dir unglaubliche Macht verliehen. Du bist jetzt Fürbitter und Patriarch und hast beides ihr zu verdanken. Was willst du sonst noch? Such dir ein neues Leben. Wenn du noch länger in Elysian bleibst, muss ich dich mit Bürgersteuern belegen.« Er nahm seine noch immer feuchten Stiefel auf und ging zurück zum Boot.

»Steuern? Erhebst du sie auch von Rhapsody? Auf welche Weise soll sie sie denn entrichten?«

Achmed blieb stehen und warf Ashe einen säuerlichen Blick zu. »Ich war der Meinung, du würdest verstehen, aber warum eigentlich? Du glaubst, du seist ein Drache, Ashe, aber in Wirklichkeit bist du nur ein riesiger Blutegel. Du bist gerade der Richtige, um von Rückzahlung zu reden. Sie hat dir alles gegeben, und was hat sie dafür bekommen? Was haben wir alle für unsere Investitionen bekommen?

Früher oder später wirst du sie auf der cymrischen Versammlung sehen. Eigentlich wäre es die verdammte Pflicht deiner Familie gewesen, dieses Konzil einzuberufen. Wenn sich all die Lumpen treffen, werden sie dich zweifellos zum Herrn der Cymrer machen, wofür du, wenn ich das anfügen darf, wunderbar geeignet bist. Schlechter als dein Großvater zu sein ist kaum möglich, und ich glaube, das schaffst selbst du nicht. Du bist kein Taugenichts, du bist nur nutzlos. Du hast die Möglichkeit, der größte Fels in der Brandung der Geschichte zu sein du musst bloß in den See fallen , aber du schaffst es nicht einmal, die kleinste Kräuselung zu verursachen. Du magst zwar viele Titel haben, aber bilde dir nicht ein, dich mit Rhapsody vergleichen zu können. Sie wird dich überdauern, Ashe. Wir alle werden dich überleben. Du bist wie faules Getreide oder ein böser Nachbar. Geh fort. Wir mussten diese Insel schon einmal reinigen.« Er drehte sich um und ging zum Boot.

Allmählich dämmerte es Ashe. Er blickte durch die Beleidigungen auf das, was der Fir-Bolg-König ihm eigentlich sagen wollte. »Herzukommen war deine Art, ihr nahe zu sein.«

Achmed ging weiter, wurde aber langsamer. »Wenn ich ihr nahe sein wollte, hätte ich sie bloß nach Tyrian begleiten müssen. Hör auf zu glauben, dass jeder dieselben Beweggründe hat wie du.«

»Du vermisst sie, und du bist hergekommen, um in gewisser Weise bei ihr zu sein, oder?«

»Was du glaubst, ist völlig egal, Ashe. »Früher oder später wirst auch du das verstehen.«

Achmed näherte sich dem Boot und warf seine Stiefel hinein.

»Du liebst sie auch, nicht wahr?« Ashes Stimme war milde und voller Verständnis. Achmed blieb stehen, drehte sich aber nicht um. Eine Weile schwieg er. Als er schließlich sprach, war seine Stimme trocken, aber ohne seinen üblichen Sarkasmus.

»Nein, Ashe, du liebst sie auch. Willst du etwas Lustiges hören? Sie glaubt immer noch, dass ich den Rakshas für dich umgebracht habe.« Er kletterte in das Boot, legte die Ruder in die Dollen und ruderte außer Sichtweite.

Als Ashe in Tyrian ankam, war Rhapsody bereits wieder abgereist.

69

Oelendra war gerade damit beschäftigt, einen Schild zu reparieren, als sich die Tür ihres Hauses öffnete. Überraschung, Freude und Entsetzen flogen über ihr Gesucht, als Rhapsody hereinkam und Mantel und Waffen neben der Tür aufhing.

Oelendra stand auf und umarmte die Königin. Erleichterung erfüllte ihre Seele und erlaubte ihr, zum ersten Mal seit vielen Wochen freier zu atmen.

»Den Sternen sei Dank«, murmelte sie, vergrub das Gesicht in Rhapsodys schimmerndem Haar und zog sie noch fester an sich. »Es geht dir gut. Danke den Sternen dafür.«