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Oelendra sah die geschlossene Tür an und seufzte traurig»Ich fürchte, dazu wirst du nicht einmal kommen.«

In der Stille eines Traumes trafen sie sich an einem nebligen, unwirklichen Ort: Rhapsody und die große Drachin Elynsynos. Alle Geräusche, alle Schwingungen, alles Weben der Welt war zu Stille verstummt, erstickt von der Macht des Wyrm über die Elemente. Rhapsody konnte vor lauter weißen Wolken fast nichts erkennen, konnte kaum die großen, leuchtenden Augen sehen, kaum das prismatische Glitzern auffangen, das durch die dunstige Magie zu ihr drang. Sie erkannte undeutlich, dass sie durch ihre geschlossenen, durchscheinenden Augenlider hindurch auf den sicheren Ort hinter ihren quälenden Nachtmahren blickte, den die Drachin für sie zwischen der Welt des Traumes und der Wirklichkeit erschaffen hatte. Und an diesem Ort erzählte sie der Drachin von ihren größten Sorgen.

Was ist, wenn ich versage?

Die warmen, schillernden Augen des Wyrm verschwanden, als Elynsynos zwinkerte.

Das ist möglich.

Trotz dieser Antwort verspürte Rhapsody keine Angst und keine Panik im Herzen. Es war, als hätte die Drachin auch alle Gefühle von diesem ätherischen Ort verbannt und nur solche Worte zurückgelassen, die zwar auf einer geschriebenen Seite stehen mochten, aber im Herzen keinen Widerhall fanden.

Ich habe den Tod einer Welt überlebt. So etwas will ich nicht noch einmal mitmachen.

Ich weiß. Durch den Dunst bewegte sich das Gesicht der Drachin fort, wurde ferner. Rhapsody versuchte, an den wogenden Wolken vorbeizuschauen, doch es verblieb nur ein schwacher Umriss der Drachin.

Ein Versagen könnte das Ende der Zeit nach sich ziehen, flüsterte sie wortlos. Ich darf nicht einmal daran denken.

Die Wärme in den fernen Augen strahlte durch den Nebel. Du befindest dich an dem Ort, wo der Beginn der Zeit sein Ende hat. Und das Ende der Zeit wird auch seinen Anfang hier nehmen. Du kannst es nicht ändern, auch wenn du in der Lage bist, es zu verzögern.

Warum? Warum ich? Warum wurde mir diese erdrückende Verantwortung übertragen?

Die verschwommenen Umrisse der Drachin lösten sich auf. Von ihrer Stimme verblieb nur ein Wispern im Nebel.

Weil du nicht allein bist.

In jener Nacht schlief Rhapsody tief und traumlos in Elynsynos’ Armbeuge. Sie erwachte viele Stunden später erfrischt, aber noch immer gequält. Der große Wyrm betrachtete sie mit Mitgefühl und Besorgnis.

»Etwas Böses wächst in dir, meine Schöne«, sagte die Drachin ernst und richtete den vielfarbigen Blick auf Rhapsodys verweintes Gesicht. »Genau da.« Die Klaue fuhr ihr sanft über den Bauch. »Es fühlt sich falsch und unnatürlich an, aber mehr kann ich dir darüber nicht sagen.«

Rhapsody nickte. »Ich weiß.« Sie kämpfte sich auf die Beine. »Ich gehe jetzt.«

Die Drachin schüttelte den Kopf. Dabei flogen Sandwolken durch die Höhle und stachen in Rhapsodys wunde Augen. »Nein. Bleib bei mir. Leiste mir Gesellschaft. Was in dir wächst, ist gleichgültig. Ich will dir helfen, was auch immer geschehen wird.«

Die Sängerin lächelte. »Ich weiß. Ich weiß, dass du das tun wirst. Du hast es schon getan. So viel Schlaf wie in der letzten Nacht habe ich seit vielen Wochen nicht mehr gehabt.«

»Es ist seltsam, etwas Wachsendes in sich zu tragen, das nicht von der eigenen Art ist«, sagte Elynsynos und zog Rhapsody wieder in ihre Armbeuge. »Als ich Merithyns Kinder getragen habe, war das eine traurige Zeit für mich. Der Leib, in dem ich gefangen war, war so klein wie deiner, und die Kinder bewegten sich wie Maulwürfe in der Erde. Sie haben mich getreten und gestoßen und wollten herauskommen. Es war schrecklich. Ich war so einsam und habe jeden Tag gewartet, Ausschau gehalten und mir gewünscht, er wäre bei mir. Er ist nie zurückgekommen, meine Schöne. Er wusste nicht einmal, dass er mich geschwängert hatte.«

Rhapsody streichelte den schuppigen Unterarm. »Es muss schrecklich gewesen sein. Es tut mir so Leid für dich, Elynsynos. Ich wünschte, ich hätte bei dir sein können. Die Lirin haben ein Lied, das sie den Frauen in den Geburtswehen vorsingen, um ihnen die Schmerzen zu nehmen.« Ihre Augen umwölkten sich bei der Erinnerung an Arias Geburt. Sie schüttelte den Kopf und vertrieb das grässliche Bild aus ihren Gedanken. Die Vorstellung, dass ihr eigenes Schicksal nun mit jener Erfahrung untrennbar verbunden sein könnte, empfand sie als unerträglich.

»Aber wer wird für dich singen, meine Schöne?«

Sie zwang die Tränen zurück. »Niemand«, sagte sie leise. »Niemand wird es tun.«

»Aus diesem Grund ist es besser, sich mit einem Drachen zu paaren«, meinte Elynsynos klug.

»Dann kannst du vielleicht Eier legen wie normale Tiere. Es tut etwas weher, wenn sie herauskommen, aber es ist schneller vorbei.« Rhapsody lachte.

»Ich werde es mir merken«, sagte sie und blinzelte rasch. »Das werde ich auf alle Fälle beim nächsten Mal tun, falls ich überlebe. Schließlich habe ich mir einen Drachen als Gemahl ausgesucht, und er ist mit mir einverstanden.« Anborns Gesicht tauchte vor ihren rasch trocknenden Augen auf.

Die schillernden Drachenaugen zwinkerten. »Gut. Dann werde ich vielleicht bald Kinder meiner eigenen Abstammungslinie hier haben, mit denen ich spielen kann.«

»Vielleicht.« Rhapsody schaute fort. Sie sagte der Drachin nichts über ihre Vereinbarung mit Achmed.

Rhapsody blieb einige Tage bei Elynsynos. Sie schlief friedlich und gewann in dem magischen Nest ihre Stärke zurück. Sie sang der Drachin die Meereslieder vor, welche die Lirin ihr beigebracht hatten, und ertrank beinahe in Elynsynos’ wehmütigen Tränen. Sie zeigte ihr auch die Krone. Elynsynos war von dem Diadem begeistert und versuchte, die wirbelnden Sterne zu fangen, die Rhapsodys Kopf umkreisten. Sie war bezaubert wie ein kleines Kind von einem neuen Spielzeug.

Die Drachin war erfreut, dass Rhapsody das cymrische Konzil einberufen wollte, und verbrachte viele Stunden damit, ihr Geschichten über die frühen Tage der Ersten Flotte zu erzählen. In jener Zeit hatte sie großen Gefallen an den Fertigkeiten der Cymrer gefunden, auch wenn sie sehr um Merithyn getrauert hatte, von dem sie oft sprach.

Rhapsody lächelte jedes Mal, wenn Elynsynos dieselbe Geschichte wiederholte. Merithyns und Elynsynos’ Zeit als Liebende war kurz gewesen und die Lebensspanne eines Drachen lang. Daher gab es nur eine begrenzte Anzahl an Geschichten, von denen jede ein gut gehüteter Schatz war. Immer wenn die prismatischen Augen bei der Erinnerung einen sanften Glanz bekamen, dachte Rhapsody an Anborns zynische Bemerkungen über seine Großeltern. Offenbar hatte er Elynsynos nicht gut gekannt. Wie auch immer ihre Gefühlswelt beschaffen sein mochte, war es doch unmöglich, die tiefe Liebe zu übersehen, die diese Drachin für ihren verschwundenen Seemann empfunden hatte. Ihre Heftigkeit bereitete Rhapsody Herzschmerzen.

Die Schwefelhitze des Drachenatems stachelte ihre Erinnerungen an, und in ihrem Kopf erhob sich das Bild einer anderen Nacht vor langer Zeit, die sie im Schatten eines knisternden Lagerfeuers verbracht hatte.

Deshalb habe ich gesagt, du könntest ein Problem haben, hatte Ashe gemeint. Er war in den Nebelfalten seines Umhangs verborgen gewesen und hatte sie eindringlich über das Feuer hinweg angesehen. Wenn du eine Cymrerin einer späteren Generation bist, dann wirst du sehr lange zu leben haben und dich zweifellos dem. gegenüber sehen, was auch die anderen verkraften müssen: der Aussicht zuzusehen, wie deine Liebe alt wird und stirbt, in einem Zeitraum, der dir vorkommt wie ein Augenblick. Und wenn du eine Cymrerin der Ersten Generation bist, dann ist es noch viel schlimmer, denn wenn du nicht getötet wirst, lebst du ewig. Stell dir vor, wie es ist, immer wieder jemanden zu verlieren, der dir nahe ist: deine Geliebten, deinen Mann, deine Kinder...