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Mit Anborns Ankunft begannen sich die Häuser in die Flotten aufzuteilen, mit denen sie in ihre neue Heimat gesegelt waren. Auch innerhalb der einzelnen Flotten gab es große Unterschiede. Obwohl die cymrischen Lirin nun hauptsächlich bei der Ersten Flotte standen, sah man doch viele Lirin in der Dritten. Ihnen war ihre Herkunft wichtiger als die Seite, auf der sie während des Krieges gestanden hatten. Die Nain begaben sich zwischen Anborn und die Abordnung der Dritten Flotte, die sich im südlichen Teil des Gerichtshofes niedergelassen hatte, auch wenn man hier und da einige Nain inmitten der anderen Gruppen sah. Kleinere Rassen wie die Gwadd hatten sich abgesondert und entfernt von den größeren Gruppen zusammengefunden. Einige aus der Diaspora, sogar solche, die in den anderen Häusern willkommen waren, sonderten sich ebenfalls von dem Rest ab und bildeten ihre eigenen Gruppen. Rhapsody war sich nicht sicher, ob sie dies aus Verwirrung taten, ob sich während des Wartens neue Bündnisse gebildet hatten oder ob sie einfach nicht mit den allgemeinen Feindseligkeiten in Verbindung gebracht werden wollten. Noch waren nicht alle Gäste eingetroffen, und schon zeichneten sich Kämpfe ab. Sie schaute hinüber zu Oelendra, die in ein einfaches Kettenhemd und einen fließenden blauen Umhang gekleidet war, und rollte mit den Augen. Oelendra lächelte sie an.

Dann aber wurde die Aufmerksamkeit der beiden auf die nächste Gruppe gelenkt, welche die Senke betrat. Ein ungemütliches Schweigen setzte ein. Einige in der Prozession waren Lirin oder sahen wie Lirin aus, hatten aber eine dunklere Haut und wirkten älter. Andere waren Riesen, so groß wie Grunthor, doch von dünner, geschmeidiger Gestalt. Ihre Haut war golden, und die Gesichter wirkten uralt. Bei ihrem Anblick hielt Rhapsody den Atem an. Obwohl sie niemand aus diesem Volk je zuvor auf der Insel gesehen hatte, erkannte sie es als die Alten Seren, die Legendenhaften Erstgeborenen von Serendair, die schon lange vor ihrer Geburt als ausgestorben gegolten hatten. Sie vermutete, dass die dunkleren Lirin die Kith waren, ein weiteres, rätselhaftes Erstgeborenen-Volk aus den alten, uranfänglichen Wäldern der Insel. Es war dieses Haus, das die letzte Strophe ihres Morgenliedes gesungen hatte.

Niemand führte das Haus der Erstgeborenen an. Am Kopf der Prozession lief ein Mann, stämmig wie Anborn, aber behäbig und weich, wo dieser geschmeidig und muskulös war. Seine Abstammung war deutlich zu erkennen. Die Adlernase, das silberne Haar: es war Edwyn Griffyth, der älteste Sohn von Anwyn und Gwylliam, der zu Beginn des Krieges angeekelt fortgegangen war und seither auf Gaematria, der Insel der Meeresmagier, zwischen den beiden Kontinenten gelebt hatte. Nun verstand Rhapsody endlich die Herkunft der Meeresmagier und den Grund für ihre Macht. Sie waren Erstgeborenen und deren Abkömmlinge, die bereits vor dem Ausbruch des Krieges getrennt von den anderen Cymrern gelebt hatten und daher von ihm nicht berührt worden waren. Ein Jahrtausend lang hatten sie sich in Wohlstand entwickeln können. Sie hielten sich von beiden Flotten fern und bildeten eine eigene Gruppe.

Als der letzte der Meeresmagier seinen Platz eingenommen hatte, traf die Zweite Flotte ein. Rhapsodys Herz schlug höher. Ashe befand sich am vorderen Ende. Er ritt auf einem grauen Hengst und führte die Häuser in den Gerichtshof. Wie die Nain hielten sie Banner hoch, auf denen Zeichen ihrer Herkunft abgebildet waren, aber sie trugen keine Rüstungen, sondern Reisekleidung. Die letzte, größte Flotte war die uneinheitlichste der drei. In ihren Reihen waren alle Rassen vertreten, und es gab eine große Zahl von Mischlingen. Sie nahmen ihren Platz zwischen der Ersten und der Dritten Flotte ein und mischten sich nicht unter sie, obwohl es viele herzliche Begrüßungen gab.

Ashes Ankunft erregte den größten Aufruhr, denn die meisten hatten zweifellos geglaubt, er sei tot. Eine Welle des Wiedererkennens hatte bereits außerhalb der Senke eingesetzt und begleitete seinen Eintritt. Unter lauten Rufen und Freudenschreien ritt er umgeben von seinen Verwandten aus dem Haus Neuland in den inneren Kreis und blieb vor dem Rufersims stehen. Einen Moment lang sah er Rhapsody an. Sein Gesicht war außer einem tiefen Verlangen ausdruckslos. Rhapsody spürte ihr Herz höher schlagen wie vor einem Jahr, als sie nach ihrer ersten Liebesnacht aus dem Fenster auf ihn geschaut und er sich am Ufer des Sees von Elysian befunden hatte. Damals hatte sie sich selbst verdammt. Nun hielt sie Ausschau nach seiner Frau. In der ersten Reihe des Zuges gab es viele junge Frauen, doch es war unmöglich zu sagen, ob eine davon die neue Herrin von Neuland war. Ashe verneigte sich vor ihr und kehrte dann in die Mitte der Zweiten Flotte zurück.

Sobald er wieder an seinem Platz war, erkannte sie seinen Aufzug besser. Er trug den Stab des Fürbitters. Rhapsody schloss daraus mit grimmiger Befriedigung, dass Khaddyr aus diesem Amt entfernt worden war. Über dem Rücken flatterte der Nebelmantel, der ihn für so lange Zeit vor der Welt verborgen hatte. Aber statt aus dunstiger Dunkelheit schien er nun aus azurblauen Meereswellen zu bestehen und die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, die er früher verhindert hatte. Um Ashes Hals funkelte Crynellas Kerze und erleuchtete den Brustpanzer, der wie blaugrüne Fischschuppen in den goldenen Strahlen der Vormittagssonne glitzerte. Doch mehr noch als die Rüstung fing das Haar des Kirsdarkenvar das Sonnenlicht ein, sodass er wie das Urbild eines großen und edlen Herzogs oder Königs alter Abstammung wirkte. Auch Rhapsodys Augen leuchteten im Licht. Es war leicht zu erkennen, warum sie seiner unwert war.

Achmed, Grunthor und die cymrischen Bolg hatten sich inzwischen zur Diaspora gesellt und bildeten nun eine eigene Gruppe. Sie standen auf einer Erhöhung östlich des Rufersimses und nahmen dort die Ehrenplätze der Gastgeber ein. Rhapsody drehte sich nach ihnen um und bemerkte, dass sich aus der neuen Gruppe vierzehn Gestalten in Mantel und Kapuze schweigend hinter den Fir-Bolg-König gestellt hatten. Zuerst drückte es ihr vor Besorgnis die Kehle zu. Sie hatte diese Cymrer nicht ankommen gesehen und wusste nicht, von welcher Flotte sie stammten. Dann bemerkte sie die dünnen Hände und die vage Ähnlichkeit zu Achmed in ihrer Haltung. Achmed lächelte und schaute Rhapsody an. Sogleich schmolzen ihre Sorgen. Es handelte sich um Dhrakier. Rhapsody verspürte eine Welle der Freude, als sie begriff, dass Achmeds Rasse doch noch nicht ausgelöscht war.

Ein rumpelnder Lärm vertrieb das Lächeln aus ihrem Gesicht. Als ihr Blick zur Versammlung zurückkehrte, stellte sie fest, dass sich die gesamte Senke im Aufruhr zahlloser Streitereien und offener Feindseligkeiten befand. Die Flotten stritten miteinander und mit sich selbst, und das Gebrüll zwischen den Nain und den Lirin drohte in Gewalt umzuschlagen. Rhapsody seufzte verärgert. Das Konzil war noch nicht einmal zusammengetreten, und schon befanden sich die Cymrer am Abgrund eines neuen Krieges.

Sie holte tief Luft und sang. Im selben Ton wie das cymrische Hörn sang sie die alten Worte von Gwylliam, dem Visionär, die Merithyn in die Höhle der Drachin gemeißelt und welche die Cymrer selbst auf jeden Pfosten entlang ihres Weges zur Wiedervereinigung in der neuen Welt geschrieben hatten.