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»Es scheint Uneinigkeit über deinen Anspruch zu geben, Anwyn«, sagte sie höflich.

»Was der Pöbel sagt, ist ohne Bedeutung für mich«, antwortete diese. Der stumme Hass, der sich in beinahe greifbaren Wogen vom Boden der Senke erhob, berührte sie nicht. »Ich bin die Herrin der Cymrer. So lange ich lebe, kann es keine andere geben.«

Wieder wurde die Luft von hässlichen Rufen erfüllt. Freiwillige boten sich an, diese Situation sofort zu ändern. Wütende Stimmen erhoben sich allerorten. Anwyn starrte kalt auf die Menge herab, die von ihr forderte herunterzukommen. Die tiefe Stimme eines der alten Seren übertönte alle anderen.

»Trotz deiner Behauptung wirst du aus diesem Konzil verbannt und deiner Stellung entkleidet. Hier trägst du keinen Titel mehr.«

»Ich erkenne die Autorität des Konzils zu einem solchen Akt nicht an«, erwiderte Anwyn eisig.

»Du erkennst sie nicht an?«, rief Anborn wütender, als man ihn je gesehen hatte. »Wieso maßt du dir das Recht an, überhaupt irgendetwas anzuerkennen? Das alte Konzil hat dich zur Herrin ausgerufen. Nachdem du dich selbst entehrt und uns beinahe vernichtet hast, haben wir dich verbannt!«

Anwyn richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und starrte den ihr fremd gewordenen Enkel an, dessen Worte die Menge wieder zum Verstummen gebracht hatten. »Du bist genau der Richtige, jemanden der Entehrung zu bezichtigen, du Nichtswürdiger. Mein Recht auf dieses Land entspringt einem Erbe, das älter als alles andere ist. Mein Blut ist das älteste in diesem Land. Ich bin das Kind Merithyns, des Entdeckers, und der Drachin, deren Reich dieses hier war, lange bevor ihr herkamt. Ich bin das Bindeglied! Meine Existenz ist das Symbol für den Bund zwischen den Cymrern und diesem Land und für die Einheit des Blutes der Ältesten von der Insel Serendair und der hier lebenden Erstgeborenen. Wer kann das sonst noch von sich behaupten? Wer kann mein Recht infrage stellen?«

»Eigentlich ...«, begann Edwyn Griffyth, doch seine Worte wurden von Anwyns weiterem Wortschwall erstickt.

»Ich bin die Seherin der Vergangenheit, das Kind der Alten, das lebende Zeichen für die Einheit des Volkes mit dem Land. Ohne mich wäret ihr in das Meer zurückgetrieben worden, aus dem ihr hervorgekrochen seid! Ihr verdankt mir euer Leben. Was glaubt ihr, wer ist verantwortlich für eure Langlebigkeit, eure Unsterblichkeit? Wer unter euch hat das Recht, mich in Verruf zu bringen?«

Schweigen setzte ein. Als das Echo ihrer Stimme verhallte und keine Antwort erfolgte, blickte Anwyn mit siegreichem Lächeln hinab auf die stille Menge. Sie sah sich in der cymrischen Versammlung um. Mit durchdringenden blauen Augen starrte sie die Menschen an, über die sie einst geherrscht, mit denen sie einst gekämpft und gegen die sie einst gefochten hatte. Einen Moment lang ruhte ihr Blick auf Oelendra. Das Lächeln wich aus ihrem Gesicht und wurde von sengendem Hass abgelöst. Die lirinsche Kriegerin erwiderte ihren Blick, ohne die Augen niederzuschlagen. Anwyn zitterte vor Wut, erhob die Hand und deutete anklagend auf die alte Frau.

»Ich habe das Recht, dich in Verruf zu bringen.« Ashes Stimme durchbrach die Stille, und aller Augen wandten sich in seine Richtung. »Du hast deine Stellung als Seherin missbraucht. Du hast mich belogen.«

Leises Gemurmel schwang erneut durch die Menge, diesmal eher von Erstaunen als von Wut gefärbt.

Anwyns goldenes Gesicht nahm eine beinahe purpurne Färbung an. »Blasphemie! Ich habe dir nicht die Unwahrheit gesagt.«

»Nein, du hast mir eine Halbwahrheit gesagt. Du hast das, was du gesehen hast, verändert und mir nur das berichtet, was ich wissen sollte, aber nicht das, was ich wissen musste oder worum ich gebeten hatte. Das ist dasselbe wie eine Lüge, Großmutter. Du hast den letzten Rest von Vertrauen zerstört, den ich noch in dich hatte.

Deine Lüge hat mir das Herz gebrochen, doch das betrifft nur mich allein, und deshalb könnte ich dir vergeben. Aber indem du dich entschieden hast, mir die Wahrheit zu verheimlichen und mich unter deinem Daumen zu halten, hast du die Natur der Drei vor mir verborgen. Viel zu viele sind deshalb gestorben, Großmutter. Das war ein weiterer Verrat am cymrischen Volk und ihren Meisterkriegern, die umsonst auf der Suche nach einem Dämon abgeschlachtet wurden, den wir auch ohne den Einsatz ihres Lebens hätten besiegen können. Du wirst nie mehr Vergebung finden.«

Er richtete den Blick auf Rhapsody. Der Rest der Versammlung vermutete, er werde nun weichen, doch Achmed, der knapp unter Rhapsody stand und in dieselbe Richtung wie sie blickte, sah mehr. Er wusste nicht, auf welche Lüge sich Ashe bezog, doch sie schien etwas mit der Sängerin zu tun zu haben. Er schaute hoch zu Rhapsody. Ihr Gesicht war ausdruckslos. Vermutlich hatte auch sie keine Ahnung, wovon er redete, doch die plötzliche Aufmerksamkeit, die sich auf sie richtete, trieb ihr die Schamesröte auf die Wangen.

Er war nicht der Einzige, der das bemerkte. Auch Anwyn starrte die lirinsche Königin an. Ihre Miene wurde hart; sie sah von Rhapsody zu Oelendra und zurück.

»Komm herunter, Mädchen«, befahl sie. »Das ist mein Volk und mein Konzil. Ich bin die Herrin der Cymrer und räume dir nicht das Recht ein, hier den Vorsitz zu führen.«

Rhapsody lächelte. Die Menge holte leise, aber hörbar Luft, um der Wut Ausdruck zu verleihen. Seit die Ersten in der Senke eingetroffen waren, hatte das cymrische Volk sein Herz an die sanfte Sängerin und die bescheidene Königin verloren, und Achmed wusste, wie stark ihre Verehrung war.

Nun brodelte in ihnen tiefer Zorn über die beleidigende Art, in der Anwyn Rhapsody behandelte. Achmed war klar, dass sie dies genau begriff. Das war der Grund, warum sie lächelte. Es war ein Weg, die Lage zu entspannen, bevor es zu Ausbrüchen von Gewalttätigkeit kam.

»Du solltest mich nicht Mädchen nennen, denn ich bin einige Jahrhunderte vor dir geboren«, sagte sie ruhig.

Ein höhnisches Grinsen kräuselte die Lippen der Seherin. »Was soll das bedeuten, Mädchen?«

Achmed verspürte keine Notwendigkeit, höflich zu sein. Seine sandige, kühle Stimme durchschnitt das Gemurmel wie ein Schwert. »Es bedeutet, dass dem Mädchen die Art nicht gefällt, wie sie von der Hexe angesprochen wird.«

Lachen mischte sich in das schockierte Keuchen, das die Menge durchlief. Anwyns Gesicht verzerrte sich in Wut, und selbst Rhapsody wirkte erschrocken.

»Du vergisst dich, Achmed«, sagte sie tadelnd. »Anwyn ist keine Hexe.«

»Du hast Recht«, ertönte die gewaltige Stimme Grunthors. Die ganze Versammlung drehte sich bei diesem Laut um und sah den riesigen Firbolg-Kommandanten um Beherrschung kämpfen. Er schien die Schlacht zu verlieren, was eine schreckliche Aussicht war. Der Zorn, den die Cymrer wegen Rhapsody empfunden hatten, verblasste im Vergleich zu der Raserei in den Augen ihres lieben Freundes. »Sie ist ’ne blutige Harpye. Du solltest besser deine Zunge im Zaum halten und respektvoller mit Ihrer Majestät umgehn, oder ich reiß dir das raus, was eigentlich dein Herz sein sollte, und ess es roh.« Es handelte sich keineswegs um eine leere Drohung. Rhapsody gab Achmed, der neben dem Sergeanten stand, ein Zeichen. Er packte den Riesen am Ellbogen.

Anwyn war blass geworden. »Wie kannst du es wagen, so mit mir zu reden, du untermenschliches Ungeheuer? Du Missgeburt der Natur! Deine Gegenwart besudelt diesen edlen Boden. Als deine Herrscherin befehle ich dir, den Gerichtshof sofort zu verlassen. Wenn du je wieder dein kannibalisches Gesicht in meiner Gegenwart erhebst, werde ich dich in den Schlamm drücken, aus dem du und dein Volk hervorgekrochen seid.« Sie warf ihm einen hasserfüllten Blick zu. Es war derselbe Angriff des Drachenauges, der zuvor den lirinschen Sprecher in eine zitternde Masse auf dem Boden der Senke verwandelt hatte. Grunthor zeigte keinerlei Reaktion. »Dann versuch’s doch, du Luder!«, brüllte er. Sein wütendes Rufen hallte von den Felswänden der Senke wider und erhob sich über die Zahnfelsen, wo sogar die Bolg in den Bergen es hörten und erschauerten.

Er hastete von dem Vorsprung herunter, auf dem er gestanden hatte, und schoss auf den Sprecherhügel zu. Bei seinem schrecklichen Anblick keuchte die Menge auf. Er war die vollkommene tierische Stärke in Bewegung, siebeneinhalb Fuß hohe, wütenden Muskulatur, die nichts anderes als Töten im Sinn hatte. Er wäre im nächsten Moment am Fuß der Erhebung gewesen, wenn Achmed sich ihm nicht in den Weg geworfen hätte. Die lirinschen Cymrer, die unter Rhapsody gestanden hatten, waren indessen rasch zurückgewichen.