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Eine Welle schallenden Gelächters und Beifalls schwappte durch die Senke und verschwand, als die Herrin der Cymrer sich erhob.

»Hört auf damit«, sagte sie ernst. »Der Herr von Roland ist der erwählte Sprecher der Provinzen von Roland, eines wichtigen Teils des neuen cymrischen Bündnisses. Er hat eine wichtige Rolle inne, und ich werde seinem Ratschluss sehr aufmerksam lauschen, wenn die Sprecher nach der Generalversammlung zusammenkommen. Ich freue mich darauf, mit ihm zu reden, nachdem er sein Heer heimgeschickt hat. Und ich will über niemanden hören, dass ihn die Ratten fressen sollen.« Sie sah Edwyn Griffyth mit übertriebener Strenge an. Der Meeresmagier kicherte und verneigte sich ehrerbietig. Rhapsody setzte sich wieder. Edwyn Griffyths Bemerkungen hatten eine neue Debatte in Gang gesetzt, die zum Ergebnis hatte, dass die Herrscherrolle einem von Anwyns und Gwylliams Erben verliehen werden sollte. Grunthor zog sich enttäuscht zurück, aber Achmed zuckte bloß die Achseln. Er sah hoch zu Rhapsody, die bäuchlings aus dem Sims lag und den Kopf in die Arme gelegt hatte.

»Ihr ermüdet die Herrin der Cymrer«, sagte Rial wütend. »Wir sollten diese Sitzung entweder ohne Ergebnis beenden oder bald zu einem Ergebnis kommen. Das ist doch lächerlich.« Ein allgemeines zustimmendes Murmeln lief durch die Menge.

»Wenn wir dem Recht der Könige folgen, ist Edwyn Griffyth erbberechtigt«, sagte Longinotta. »Stimmt es, dass Ihr den Titel abgelehnt habt, Euer Ehren?«

»Ich wüsste nicht, wie ich es noch klarer sagen könnte«, brummte der Anführer der Meeresmagier verärgert.

»Dann geht das Recht auf die verbleibenden Erben über, ohne Rücksicht auf die Rangfolge«, fuhr Longinotta fort. »Das würde Llauron...«

Llauron war des Geredes müde geworden und hatte sich halb zusammengerollt am Kopf der Zweiten Flotte unter dem Banner des Hauses Neuland auf die Erde gelegt. Er schien zu schlafen, doch als sein Name genannt wurde, öffnete er das Auge einen Spalt breit und sandte ein unheimliches blaues Licht über den Boden der Senke bis zu der kleinen Wachtmeisterin. Das metallische Kratzen der Schuppen war deutlich zu hören, als er sich auf dem Boden ausstreckte und entrollte. Seine Stimme war würdevoll, aber kalt und reptilienhaft. Sie verursachte bei fast allen, die ihn hörten, eine Gänsehaut.

»Ihr scherzt wohl«, sagte er, schloss die Augen wieder und nahm eine bequemere Lage ein.

»Wir haben deine Meinung zur Kenntnis genommen«, sagte Rhapsody schnell, und das Konzil schien ihr zuzustimmen.

Es dauerte einen Moment, bevor Longinotta fortfahren konnte. Schließlich sagte sie: »Übrig bleiben also Gwydion, der Sohn Llaurons, der in direkter Linie von Anwyn und Gwylliam abstammt, und Anborn ap Gwylliam. Zwischen diesen beiden können wir wählen. Weder dem einen noch dem anderen gebührt der Vorzug.« Sofort brandeten neue Diskussionen in der Senke auf, und Lärm erfüllte die Luft.

»Aber Anborn hat die Truppen gegen die Erste Flotte geführt!«

»So wie Llauron es gegen die Dritte Flotte getan hat. Ist sein Erbe etwa besser?«

»Anborn hat die äußeren Wälder von Tyrian abgebrannt! Wie können wir ihm das je vergeben?«

»Und Anborn hat die Lirin kaum siebzig Jahre später vor dem Angriff der khadzanianischen Piratenflotte gerettet. Ist das etwa vergessen worden?«

»Die Gunst der Nain besitzt Anborn«, sagte Faedryth mit donnernder Autorität, und viele im Gerichtshof verstummten. Dann erhob sich eine weitere Stimme.

»Nicht die der Nain von Manosse. Wir stehen zu Gwydion.«

»Wir brauchen ein Zeichen. Vielleicht sollte die Herrin die Sterne befragen.«

»Die Sterne sagen mir, dass ich schon seit Stunden im Bett liegen sollte«, murmelte Rhapsody, und die Menge lachte gezwungen.

»Auch die Gwadd unterstützen Gwydion. Er hat uns immer beschützt, selbst als er unsichtbar durch die Welt gestreift ist.«

»Allerdings hat Anborn das Gwaddi-Dorf -Finidel vor fünfzehn Jahren gerettet...«

»Wenn wir wollen, dass die Herrin heiratet, sollten wir vielleicht sie fragen, wen von beiden sie mehr mag.«

»Ich sage nochmals, dass Anborn die politische und militärische ...«

»Unternehmen wir das Ganze nicht, um gerade zu vermeiden, dass die militärische...«

»Natürlich hat sich Gwydion tapfer geschlagen, damals in der Schlacht von...«

Rhapsody hielt sich die Ohren zu; sie konnte es nicht mehr ertragen. Verzweiflung quoll in ihrem Herzen auf und fand den Weg zu den Augen. Ihr Blick fiel auf Ashe, oder Gwydion, wie er nun genannt wurde. Er stand still da und vermied es, in die Diskussionen über seine Würdigkeit hineingezogen zu werden. Er hatte denselben traurigen Gesichtsausdruck wie sie. Es schien ihm gleichgültig zu sein, welches Ergebnis die Diskussionen bringen würden. Sie begriff, dass es ihm so egal war wie ihr selbst.

Während sie ihn beobachtete, sah er hoch zu ihr und lächelte. Unbeabsichtigt erwiderte sie sein Lächeln. Sein metallisches Haar warf den Fackelschein zurück, und seine blauen Augen leuchteten ihr entgegen. Wie in den Tagen ihres Zusammenseins hüpfte ihr Herz bei diesem Blick. Seine geschuppte Rüstung glänzte in dem sanften, nebligen Licht von Crynellas Kerze; es sah aus wie Mondlicht auf den Meereswellen. In der linken Hand hielt er den weißen Stab des Fürbitters, und an derselben Hand steckte der Ring des Patriarchen. Sie erinnerte sich an die Worte, die sie vor langer Zeit gesprochen hatte.

Bist du dir bewusst, dass die ursprüngliche Religion die Gebräuche von Gwynwald und Sepulvarta vereinte und erst die cymrische Spaltung das Schisma erzwungen hat? Wenn du vorhast, den Riss in der Führung des cymrischen Volkes zu heilen, warum heilst du dann nicht auch den religiösen Riss? Ich habe die heiligen Riten in beiden Kirchen beobachtet, und sie ähneln sich mehr, als man erwarten könnte. Wer braucht einen Patriarchen und gleichzeitig einen Fürbitter? Warum kannst du nicht beides sein? Oder warum kann der Herrscher der Cymrer nicht das Haupt beider Sekten sein und die kirchlichen Regeln den Führern jeder einzelnen Gruppe überlassen? Damit würde man das Recht der Leute auf die verschiedenen Glaubensrichtungen anerkennen, sie aber trotzdem als monotheistisches Volk einigen.

Er sah sie nicht mehr so an wie damals, als sie noch Liebende gewesen waren. Obwohl sie sein Gesicht kannte, hätte sie ihn nicht mehr als den verhüllten Landstreicher erkannt, den sie an jenem Morgen in den Straßen von Bethe Corbair getroffen hatte, oder als den einsamen Waldläufer, der ihr als Führer und Reisegefährte gedient hatte. Jetzt sah er ganz wie ein König aus, als er vor den Mitgliedern seines Hauses stand. Macht strahlte von ihm aus, ein Drache lang zu seinen Füßen. Sein Bild gehörte auf ein Wappen oder einen Schild oder auf ein Hofgemälde. Trotz der Tatsache, dass er der Herrscherrolle gerecht werden würde, hoffte sie, dass man ihn überginge, denn sie wollte nicht in seine Nähe gezwungen werden.

Sie schaute sich verstohlen nach seiner Frau um nach der Frau, von der er ihr vor etwa einem Jahr erzählt hatte , doch niemand stand in seiner Nähe. Rhapsody vertrieb den selbstsüchtigen Gedanken. Er war gut so, und sie wusste es.

Nun spürte sie andere Blicke auf sich ruhen. Sie sah auf und bemerkte, dass Anborn sie eingehend beobachtete. Auch er hatte während der Diskussion über die Führerschaft geschwiegen. Auch er wirkte wie ein König und hatte gesehen, wie sie Ashe angeschaut hatte; dessen war sie sich sicher. Auf sein Gesicht legte sich nun ein berechnendes Lächeln mit einer Spur Grausamkeit darin. Sie fröstelte. Inzwischen hatte sie das Reptilienhafte auf den Gesichtern dieser Familie erkannt. Es war dieses Aussehen, das sie annahmen, bevor sie losschlugen. Das Blut wich aus ihrem Gesicht, als Anborn plötzlich aufstand und zu der Sprecherkanzel ging. Da niemand sonst reden wollte, ergriff er die Gelegenheit.

»Leute aus dem Konzil!«, rief er. Sofort schwieg die Menge. »Ich habe gehört, wie zahllose Beschuldigungen gegen mich wegen meiner Rolle im Großen Krieg ausgesprochen wurden, und ich will meinen Befürwortern die Mühe ersparen, mich zu verteidigen. Ich bekenne mich hinsichtlich der Anklagen als schuldig. Ich war der General von Gwylliams Truppen. Ich habe den lirinschen Wald verwüstet und zahllose Mitglieder der Ersten Flotte getötet. Doch die lautesten Anschuldigungen kommen von Leuten, die selbst auf dem Schlachtfeld schuldig geworden sind, auch wenn sie vielleicht nicht so geschickt im Austeilen des Todes waren wie ich. Es war Krieg ein fürchterlicher Krieg. Wer von euch, die ihr mich als schuldig befindet, hat darin keine unheilvolle Rolle gespielt?«