»Dann nimmst du mich wieder auf?«
Rhapsody lachte. »Ich glaube nicht, dass ich dich je verstoßen habe. Vielleicht vergebe ich dir eines Tages sogar, dass du mich zur Herrin der Cymrer gemacht hast, aber verlass dich nicht darauf.«
»In Ordnung, solange du begreifst, dass ich dein dir ergebener Gemahl bin. Es gibt keine andere als dich; es gab nie eine andere.«
»Ich glaube, das habe ich inzwischen verstanden.«
»Es gibt da eine kleine Bemerkung von dir, über die ich in den letzten sechs Monaten gern mit dir geredet hätte.«
»Wirklich?«
»Ja. Erinnerst du dich an die Nacht unserer Hochzeit, als du mir von unserer gemeinsamen Zeit im alten Land erzählt hast? Als du noch nicht wusstest, wer ich bin?«
»Ja.«
»Wenn ich mich recht erinnere, hast du unser Liebesspiel unter dem Sternenhimmel von Serendair, unser erstes Mal, unsere gegenseitige Entjungferung, als ›eine Nacht mit bedeutungslosem Sex auf einer Weide‹ bezeichnet. Ist das richtig?« Seine Augen glitzerten, während er die Stirn in gespielter Verärgerung runzelte.
Rhapsody lachte, obwohl sie rot vor Verlegenheit wurde. »Ja, ich glaube, das waren meine Worte. Ich fürchte, du hast Recht.«
»Oh, ich habe Recht«, sagte er, während Belustigung seine gespielte Wut zu verdrängen drohte. »Für mich war das ein wunderbarer, geheiligter Augenblick, Rhapsody.«
Ihr Lachen wurde zu einem ernsten Lächeln. »Das war es für mich auch, Sam«, sagte sie nachdrücklich. »Es war wie der Vollzug einer Ehe, die ihren Segen schon erhalten hatte.«
»Genau! Genau so habe ich es empfunden. Ich kann mich nicht einmal erinnern, dir ein Heiratsversprechen gemacht zu haben. Es war, als hätten wir gegenseitig erklärt, wir seien nun verheiratet.«
»Ja, so war es.«
»Da dem so ist, halte ich wohl den Rekord für eheliche Enthaltsamkeit, denn zwischen den Liebesakten mit dir lagen etwa einhundertundvierzig Jahre, und noch viel mehr, wenn du sie nach deiner Zeit berechnest. Dann wären es Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende.«
Rhapsody lachte wieder. »Herzlichen Glückwunsch! Das ist eine Leistung, auf die du stolz sein kannst.«
»Und seit wir verheiratet sind, uns das Eheversprechen gegeben und die Ringe getauscht haben, sind sechs Monate vergangen. Sechs Monate, Rhapsody. Kein Mann, der dich je gesehen oder von dir gehört hat, könnte glauben, dass eine solche eheliche Enthaltsamkeit möglich ist.«
»Es war auch für mich nicht leicht, Sam.«
»Ich werde allmählich zum Herrn der Geduld, nicht wahr?«
»Eindeutig. Ich habe deine Selbstbeherrschung schon immer bewundert. Was willst du sonst noch?«
»Das ist eine dumme Frage.«
»Lass mich raten. Möchtest du einen weiteren Enthaltsamkeitsrekord aufstellen?«
»Das ist nicht witzig.« Trotz seiner Bemerkung kicherte er.
Rhapsody grinste ihn an. »Bedeutet das, dass du von mir erwartest, ich soll dich irgendwie dafür entschädigen?«
»Ja.«
»Oh. Ich glaube nicht, dass mir das heute Nacht in vollem Umfang möglich ist. Tut mir Leid.«
Er beugte sich über sie, legte die Stirn gegen ihren Kopf und sah ihr tief in die Augen. »Du könntest es wenigstens versuchen.«
»Vermutlich. Bis zum Sonnenaufgang habe ich keinen Termin mehr.«
»Vergiss den Sonnenaufgang. Die Cymrer trinken immer noch auf uns. Bis Mittag oder noch später werden sie sich kaum bewegen können.«
Rhapsodys Augen leuchteten. »In Ordnung.« Sie legte ihm die Arme um den Hals.
Gwydion rieb die Nase an ihrer. Er kletterte dabei auf das Bett und stützte sich auf Armen und Knien ab. »Wenn dieses verdammte Konzil vorbei ist, hast du für die nächsten sechs Monate keine Zeit mehr für jemand anderen.«
»Sechs Monate? Das glaube ich nicht, Sam. Vielleicht zwei Wochen. Ich bin schon so lange von Tyrian weg.«
Ein drachenhaftes Grollen ertönte.
»Es tut mir Leid. Wenn du mich für dich allein haben willst, musst du mich öffentlich heiraten, ansonsten ...«
»Sprich nicht weiter. Abgemacht.«
»Gut.«
»Dann gehörst du ausschließlich mir, so lange du es ertragen kannst. Richtig?«
Ihre Augen glänzten in der Dunkelheit. »Richtig.«
Ein verwirrendes Lächeln legte sich über sein Gesicht. »Gut. Und jetzt gib mir mein Hemd zurück.«
Die Freudenfeuer hatten sich durch den ganzen Gerichtshof und über die angrenzenden Felder ausgebreitet. Es gab inzwischen zehntausende von ihnen, und im Mittelpunkt der Senke loderte ein flammendes Inferno. Die zuckenden Flammen erhellten den Nachthimmel, der orangefarben durch die dichten Schichten schwarzen Rauchs schimmerte, die allmählich zu Grau und Weiß wurden, je näher sie auf die Sterne zutrieben.
Die beachtlichen Vorräte an Wein und Spirituosen, die Achmed für die Versammlung angelegt hatte, waren schon nach den ersten Stunden aufgebraucht. Das berauschte, glückliche Volk schwelgte dennoch weiter in seinen wilden Feierlichkeiten. Lauter, trunkener Gesang hallte über die Berge und ängstigte die Bolg in Canrif, denn die Lieder wurden immer lauter.
Als der Mond unterging, erbot sich Achmed, der das Fest mit nüchterner Neugier beobachtet hatte, den Alkoholvorrat aus den Lagern in der Nähe des Griwen aufzufüllen. Dieser Vorschlag wurde begeistert aufgenommen. Faedryth und sein Gehilfe Therion stellten Freiwillige auf, die beim Transport des Nachschubs helfen sollten. Die Nain waren eine der wenigen Gruppen, die noch aufrecht stehen und etwas von Wert bewegen und tragen konnten.
Schon bald begleitete eine kleine Schwadron Freiwilliger den Fir-Bolg-König zum Ausgang der Senke. Sie nahmen Karren mit und schlurften unsicher durch die Steppe in die Richtung, die der König ihnen gewiesen hatte. Sie folgten den bolgischen Cymrern, die den Weg kannten.
Achmed blieb am Eingang zum Gerichtshof stehen, während die anderen in der Nacht verschwanden, und lauschte dem Knarren der Wagenräder, den unzähligen Liedern aus den verschiedensten Kehlen und dem fröhlichen Lachen und Brüllen, das gegen das Gewebe aus blank liegenden Nerven und Adern prallte, welches seine Haut bildete.
Einen solchen Lärm hatte er nie zuvor erlebt, selbst im Krieg nicht. Grunthor hatte einmal gesagt, das Beängstigendste am Krieg sei der Lärm, das Donnern der Pferde und das Klirren der Waffen, die in Position gebracht wurden, der schreckliche Klang von Raserei und Vernichtung, das Jammern und die Geräusche, welche die Menschen machten, wenn sie innerlich explodierten.
Dieser Lärm hier war anders; es lag etwas Faszinierendes und zugleich Verwirrendes in ihm. Es war eine Ansammlung kreischenden Lachens und Gesanges, knisternder Flammen, splitternden Holzes, von Gebrüll aus Freude und jahrelangem Schmerz, alles in einem unheiligen Röhren zusammengemischt. Auf ihn wirkte es wie das Meer, das einzelne Laute verhüllte, indem es sie in eine scheußliche Anti-Sinfonie einbettete, die für seine Ohren so schrecklich war, wie Rhapsodys Lied schön gewesen war.
Das schwankende Licht der Freudenfeuer fiel auf ihn, flackerte einen Moment lang mit blendender Helligkeit und wurde dann dunkel vor Rauch und fliegender Asche. Da die Dunkelheit etwas länger als gewöhnlich anhielt, schaute Achmed auf und sah, dass sein Sergeant-Major neben ihm stand. Der Lärm hatte ausgereicht, um seinen Puls zu übertönen, der bis zu diesem Konzil einer der beiden gewesen war, die er andauernd vernommen hatte. Nun ging er im Pochen aller Herzschläge der Ersten Generation unter. Es war erstaunlich angenehm und rief in Achmed beinahe nostalgische Gefühle wach. Grunthor reichte ihm einen zerbeulten Humpen, der von billigem Bier überfloss.
»Die wissen, wie man ’n Fest feiert, das muss man ihnen lassen, was?«