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»Sie fressen die Blumen aus den Haarreifen, Herrin«, sagte die Kammerfrau.

Rhapsody nickte. »Ich weiß. Bitte versuch zu vermeiden, dass ihnen die Bänder zwischen den Zähnen stecken bleiben.« Als die älteste Brautjungfer schließlich herausgeputzt war, stand Rhapsody auf. Ihr Haar war in kleinen, verwickelten Mustern geflochten und aus dem Gesicht zurückgekämmt, doch im Rücken hing es lang herab und wurde von winzigen weißen Blumen und Rosmarinzweigen durchbrochen, die Weisheit symbolisierten. Sie schenkte Oelendra ein verwirrtes Grinsen und folgte den schwatzenden Kammermädchen dorthin, wo das Hochzeitskleid hing. Miresylle, die Näherin, half ihr mit einem Blick hinein, der dem einer Hebamme glich, die ein königliches Kind zur Welt bringt. Nach vielem Herumgezupfe stand die Königin schließlich aufrecht da und drehte sich, und die lirinischen Dienerinnen traten ehrfürchtig zurück. Oelendras belustigtes Lächeln wurde wärmer. Sie hatte nicht geglaubt, dass es ein Kleid gäbe, welches Rhapsody noch schöner machte, als sie schon war. Doch jetzt sah sie, dass sie sich geirrt hatte. Sie fragte sich, ob dies von dem Kleid herrührte, das in Weiß und einem Schimmer von Rosa erstrahlte, oder von dem Licht, das in den Augen der Braut leuchtete.

Sylvia klatschte entschieden in die Hände. »In Ordnung, jetzt hinaus mit euch. Alle!«, sagte sie zu den Kindern und Kammerdienerinnen. Die darauf folgende Hektik verschaffte Oelendra die Gelegenheit, auf die sie gewartet hatte. Sie stellte sich hinter Rhapsody, die vor dem Spiegel gerade ihre Ohrringe anlegte, trat dann zum Toilettentisch und legte einen Schlüssel darauf. Rhapsody sah sie mit einem verwirrten Lächeln an.

»Was ist das?«

»Der Schlüssel zu meinem Haus«, sagte Oelendra und richtete den Kragen ihres eigenen Kleides. »Ich habe dir gesagt, dass es jetzt auch dein Haus ist.«

Rhapsody nickte. »Aber warum brauche ich einen Schlüssel? Ich komme doch nur, wenn du da bist.«

Oelendra küsste sie auf die Wange und ging zur Tür. »Nur falls du einmal fern vom Palast einige Zeit allein mit deinem Mann verbringen möchtest. Du siehst wunderschön aus, meine Liebe, und so glücklich. Ich werde mich immer an diesen Anblick erinnern und ihn wie einen Schatz in mir bewahren. Beeil dich, dein Bräutigam wartet.« Sie lächelte und reihte sich in die Prozession ein. Rhapsody bürstete ihr Kleid ein letztes Mal ab und schaute sich um. Sie war umgeben von Leuten, die sie liebte, und es würden bald noch mehr werden. Ihre Enkel die Navarnes, die Kindern des Hoen und die Firbolg waren allesamt in weiße Seide gekleidet und mit Blumen geschmückt. Rial befand sich in der Prozession, genau wie Oelendra, die als Trauzeugin diente. Achmed und Grunthor standen in vollem Ornat bereit, um sie den Hauptgang hindurch zu eskortieren. Anborn lag auf seiner Bahre, die von zwei Nain-Soldaten getragen wurde, und wartete darauf, hineingebracht zu werden. Und glimmernd im Äther hingen von allen außer Rhapsody unbemerkt zwei große Drachenumrisse, deren vielfarbige Augen sie liebevoll ansahen. Sie dachte daran, wie Jo bei diesem Anblick gelacht hätte, und warf ihrer Schwester eine Kusshand zu, denn die Sängerin wusste, dass auch sie unsichtbar anwesend war.

»In Ordnung«, sagte sie zu der seltsamen Versammlung. »Lasst uns anfangen.«

»Das ist widernatürlich.«

Madeleine Steward, die Frau des Herrschers von Roland, trat der Hochzeitsprozession rasch aus dem Weg, damit sie keinen Kontakt mehr mit dem grinsenden Jungen hatte, der im Vorübergehen ihr Juwelenbesetztes Kleid angefasst hatte. Das haarige kleine Gesicht wirkte unpassend unter dem Blumenreifen. Nach der Meinung Madeleines lag etwas Obszönes darin, Firbolg-Bälger in Hochzeitskleider zu stecken, um ihre Teilnahme an einer königlichen Zeremonie erst gar nicht zu erwähnen.

Die Herrin von Roland war in den letzten drei Monaten nicht sehr glücklich gewesen, seit ihr Mann sie vom cymrischen Konzil nach Hause begleitet hatte. Dabei hatte er darüber schwadroniert, seine Herrschaftsgewalt an die neuen Herrscher der Cymrer abzutreten. Für Madeleine war es eine Frage des Stolzes gewesen, in das mächtigste Haus des Landes einzuheiraten, und nun unterstand sie einem zugegebenermaßen schönen Mann mit kupfernen Haaren und einer Frau, die gerade den Mittelgang an den Armen eines Ungeheuers und der gröbsten Kreatur entlang schritt, die sie je gesehen hatte. Ihre Welt drohte zu versinken. Madeleine konnte nichts anderes tun, als hilflos da zu sitzen und den Albtraum zu beobachten.

Tristan Steward schaute seine Frau finster an. »Psst«, flüsterte er grimmig und drehte sich wieder um. Er schaute zu, wie das Gesicht der cymrischen Herrin dasselbe Strahlen annahm wie das ihres Gemahls, als sie sich die Ehe versprachen.

Gemessen an königlichen Standards war die Hochzeit klein. Obwohl es seltsam war, dass man an der frischen Luft unter der sagischen Eiche stand, wo einst der Hof des Hauses der Erinnerung gewesen war, anstatt in der Basilika in Bethania oder Sepulvarta zu feiern, lag etwas Bezauberndes in der Zeremonie. Er lächelte traurig, während er zusah, wie der neue Patriarch die Ehe zusammen mit dem Fürbitter der Filiden segnete.

Es war ihm unmöglich, länger Madeleines Gesicht anzusehen, das vor Ekel und Abscheu verzerrt war. Lieber betrachtete er Rhapsody. Was es ihm trotz der Missbilligung seiner Frau unmöglich machte, den Blick von ihr abzuwenden, waren nicht ihre ebenmäßigen, schönen Gesichtszüge, sondern die Blicke, die sie dem Herrn der Cymrer zuwarf. Sie war sich ihres Ausdrucks nicht bewusst und sah aus wie eine Frau, die hoffnungslos verliebt und unendlich glücklich war.

Tristan seufzte. Er wünschte, jemand würde ihn auf diese Weise anschauen, auch wenn es nur ein einziges Mal wäre. Da Prudence fort war, würde es wohl nie geschehen. Dieser Gedanke verdunkelte ihm den Tag, obwohl die Glocken in den Bäumen und im neu errichteten Turm läuteten, als das Paar sich in einem Kuss vereinte.

Rhapsody redete gerade mit Constantin im Schatten der großen Bäume, als sie einen eindringlichen Blick im Rücken spürte. Aus den Augenwinkeln sah sie eine reglose vertikale Linie, die auf sie ausgerichtet war. Rhapsody drehte sich um und schenkte der Erscheinung ihre Aufmerksamkeit. Sie brach in warmes Lächeln aus; es war Oelendra. Die lirinische Kriegerin hatte das Kleid abgelegt, das sie vorhin bei der Hochzeit getragen hatte, und steckte nun in einer weißen Robe aus ungefärbter Wolle, wie sie die Priester des Baumes trugen. Oelendra erwiderte ihr Lächeln, doch in ihren Augen lag ein bedeutungsvoller Blick, der alle anderen Gedanken Rhapsodys beiseite schob.

»Entschuldigst du mich bitte?«, sagte sie zu Constantin.

Die hellen blauen Augen in dem runzeligen Gesicht lächelten. »Natürlich, meine Dame.«

Rhapsody hob den Saum ihres Hochzeitskleides und trat auf die Felsen neben dem Waldpfad. Dabei schüttelte die Gestalt in der Ferne den Kopf und hob die Hand, um Rhapsody aufzuhalten. Oelendra winkte und ging langsam in den Wald, auf den Schleier des Hoen zu. Sie drehte sich noch einmal um, lächelte der Braut zu und schenkte ihr einen liebevollen Blick unendlicher Wärme. Dann betrat sie den Wald und verschwand.

»Rhapsody? Was ist los, meine Liebe?«, fragte Ashe sanft und nah an ihrem Ohr.

Rhapsody drehte sich nach ihrem Mann um und lächelte ihn an. Sie bemerkte nicht, dass ihr dabei Tränen die Wangen herunterrannen. »Nichts, Sam. Nichts ist los.«

Gwydion schaute in die Ferne und schloss kurz die Augen. »War das Oelendra? Ich habe sie kaum wieder erkannt.«

»Ja. Schau genau hin, Sam. Du wirst sie nie mehr sehen, zumindest nicht in dieser Welt.«

Gwydion wischte ihr die Tränen von den Wangen. »Geht es dir gut?«