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Der Rumpf drehte sich ihr mit dem Schwert in der Hand erneut zu und ging ihr entgegen. Als er das Schwert hob, hörte sie Achmeds Stimme aus weiter Ferne, als riefe er ihr von der anderen Seite der Zeit etwas zu.

Rhapsody.

Sie wandte sich um und sah, dass er hinter ihr stand und sie aus dem Inneren des Observatoriums anstarrte. Dann warf sie rasch wieder einen Blick über die Schulter. Der kopflose Soldat war verschwunden. Nichts von ihrer Vision war geblieben.

Sie stieß den angehaltenen Atem aus und legte die Hand gegen die Stirn. Einen Augenblick später stand der König der Firbolg neben ihr.

»Was hast du gesehen?«

»Es geht mir gut, vielen Dank, es geht mir wirklich gut«, murmelte sie leise. Sie war zu erschöpft für Sarkasmus.

Achmed packte sie bei den Schultern und schüttelte sie heftig. »Bei allen Göttern, sag es mir«, zischte er. »Was hast du gesehen?«

Rhapsody verengte die Augen zu smaragdenen Schlitzen. »Du hast das absichtlich getan, nicht wahr? Du hast mich hier hinauf geführt, an diesen Ort, der voller Magie und alter Erinnerungen steckt, damit er in mir eine Vision entzündet, oder etwa nicht? Das hast du gemeint, als du gesagt hast, ich könnte hier etwas sehen, was ich von der Heide oder der Hohen Warte aus nicht erkennen kann. Du hinterhältiger Bastard!«

»Ich muss wissen, was du gesehen hast«, sagte er ungeduldig. »Das hier ist der höchste Aussichtpunkt in den Zahnfelsen und der beste Ort, um einen bevorstehenden Angriff frühzeitig zu erkennen. Und es wird ein Angriff erfolgen, Rhapsody. Ich weiß es, und du weißt es auch. Ich muss wissen, aus welcher Richtung er kommt.« Seine unnatürlich kräftigen Hände packten noch ein wenig fester zu.

Rhapsody drückte sie fort und entwand sich seinem Griff.

»Ich bin nicht deine persönliche Sklavin. Beim nächsten Mal fragst du mich vorher. Du hast keine Vorstellung, was mich diese Visionen kosten.«

»Ich weiß, dass es ohne sie dein Leben kosten wird mindestens«, knurrte Achmed. »Natürlich nur, wenn du Glück hast. Aber die anderen Möglichkeiten sind wahrscheinlicher und weitaus schlimmer. Und weitaus üblicher. Hör endlich auf, dich wie ein verdrießlicher Balg zu benehmen, und sag mir, was ich wissen muss. Aus welcher Richtung erfolgt der Angriff?«

Rhapsody sah wieder aus dem Fenster auf die glitzernde Ebene und die Berge, die im Licht der Morgendämmerung zu rosigem Leben erwachten. Einen Augenblick stand sie schweigend da, atmete die frostige Luft ein und lauschte der Stille, die nur von dem gelegentlichen Jammern des bitteren Windes durchbrochen wurde, der immer kälter wurde.

»Überall«, sagte sie. »Der Angriff erfolgt von überall her.«

Von seinem hohen Beobachtungspunkt in der Zukunft aus starrte Meridion voller Abscheu auf die Personen in dem runden, gläsernen Observatorium zwischen den Fäden der Zeit, mit deren Hilfe er die Geschichte dieses Ortes in der Hoffnung verändert hatte, sie würden den feurigen Tod abwenden, der nun die Überreste der Erde verzehrte.

Er ließ den Kopf auf die Instrumententafel des Zeit-Editors sinken und weinte. Das Licht ergoss sich über die ganze Weite der Krevensfelder, als Achmed und Rhapsody aufbrachen. Sie trugen Umhänge, Handschuhe und Kapuzen und ritten auf den Pferden, die Grunthor für sie ausgewählt hatte, durch das dünne Schneetreiben, das mit dem Morgenwind eingesetzt hatte.

Der Weg, der vom Vorgebirge hinab in die Steppe führte, war steinig und erlaubte nur ein langsames Fortkommen. Rhapsody betrachtete nachdenklich den Himmel; ihre Gedanken waren nun dunkler als in der Stunde vor Tagesanbruch. Es war nicht zu übersehen, dass sie still und grüblerisch geworden war, und schließlich unterbrach Achmed das Schweigen. »Was beunruhigt dich?«

Rhapsody wandte ihm ihren smaragdenen Blick zu. Ihr Gang durch das reine Feuer im Inneren der Erde hatte dazu geführt, dass sie dieses Element in sich einsaugte und auf eine hypnotische Weise anziehend geworden war, genau wie das Element selbst. Wenn sie erregt war, war sie atemberaubend; wenn eine Unterströmung von Sorge in ihren Zügen lag, war sie vollkommen bezaubernd. Achmed stieß vernehmlich die Luft aus. Es nahte die Zeit, wo seine Theorie über die Macht ihrer Schönheit einer Überprüfung unterzogen werden würde.

»Glaubst du, dem Erdenkind wird es gut gehen, so lange wir weg sind?«, fragte sie. Achmed schaute in ihr sorgenvolles Gesicht und dachte ernsthaft über diese Frage nach.

»Ja«, sagte er nach einem Augenblick. »Der Tunnel zum Loritorium ist fertig, und die anderen Eingänge sind versiegelt. So lange ich fort bin, zieht Grunthor aus der Kaserne in meine Gemächer und bewacht den Eingang.«

»Gut«, meinte Rhapsody. Sie hatte in der Dunkelheit des frühen Morgens vor dem Tunneleingang gestanden und dem Schlafenden Kind, dem seltenen und wunderbaren Geschöpf aus Lebendigem Gestein, das auf ewig in den Grüften meilentief unter Achmeds Gemächern schlummerte, ein Lied gesungen. Es war ihr schwer gefallen, die Stimme ruhig zu halten, denn sie wusste, dass der F’dor, nach dem sie suchten, seinerseits auf der Suche nach dem Kind war.

Lass das, was in der Erde ruht, ungestört schlafen, hatte der dhrakische Weise gesagt. Sein Erwachen kündet von ewiger Nacht. Von allem, was sie während ihrer Zeit in dieser neuen Welt gelernt hatte, ängstigte sie am meisten der Umstand, dass solche Prophezeiungen meist mehr als nur eine Bedeutung hatten.

Yarim, dachte sie traurig, warum musste die erste Dämonenbrut in Yarim stecken? Diese Provinz lag im Nordwesten, an der dem Wetter abgewandten Talseite der unfruchtbaren Ebene, die an die nördlichen Zahnfelsen grenzte. Sie war früher einmal mit Ashe in der verkommenen, verfallenden Stadt gewesen und hatte in dem untergehenden Tempel Manwyns, der Seherin der Zukunft, nach Antworten gesucht. Diese Antworten hatten sie zu der Reise veranlasst, die sie nun unternahmen. Rhapsody schüttelte den Kopf, um die Erinnerung an das irre Lachen der Wahnsinnigen zu vertreiben.

»Bist du bereit?« Achmeds Stimme zerschmetterte ihre Gedanken.

Rhapsody sah sich um. Sie hatten die Steppe und das felsige Land am Fuß der Berge erreicht. Sie streichelte ihr Pferd.

»Ja«, sagte sie. »Bringen wir es hinter uns.«

Gemeinsam trieben sie ihre Pferde zu einem gleichmäßigen Galopp an. Sie schauten nicht zurück, als die vielfarbigen Gipfel ihrer Bergheimat hinter ihnen wie eine Erinnerung verblassten.

In den Schatten des Griwen, eines der höchsten Berge der Zahnfelsen und des westlichsten militärischen Außenpostens, folgten vier Bolg-Augenpaare, Nachtaugen einer Rasse, die sich aus den Höhlen erhoben hatte, den Pferden, bis diese die Steppe durchquert hatten und in der gewaltigen Weite des orlandischen Plateaus verschwunden waren.

Als der Bolg-König nicht mehr zu sehen war, wandte sich einer der Bolg an die anderen und nickte bedächtig. Die vier Männer tauschten einen letzten Blick und verschwanden dann in vier verschiedene Richtungen in den Bergen.

Auch Meridion beobachtete sie und kämpfte darum, seine Verzweiflung im Zaum zu halten. Das Licht aus dem Zeit-Editor, der nun schlummernden Maschine vor ihm, ergoss sich über die Glaswände seines runden Turmes, der zwischen den Sternen hing. Unten wurde es dunkel in der Welt; das schwarze Feuer, das sie verzehrte, hatte beinahe das Landende erreicht. Bald würde es auch ihn verschlingen. Angesichts der übrigen Zerstörungen aber bedeutete das kaum etwas.