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Die Schmerzen wurden unerträglich. Ashe atmete schwer. Das Bild in dem neu geschaffenen Teich verblasste. Er flüsterte noch einmal das, was er zu ihr gesagt hatte, als die Vision in dem reflektierten Mondlicht verschwamm und schließlich verschwand.

»Du bist die wunderbarste Frau der Welt.«

Die einzige Antwort war das Heulen des Winterwindes. Ashe sah auf, die Augen rot vor ungeweinten Tränen.

Dorndreher lag unter der Lagerdecke in der Dunkelheit und atmete flach. Ashes Drachensinne warnten ihn sofort, dass es mit dem alten Mann eine schlechte Wendung genommen hatte und er um sein Leben kämpfte. Ashe stand rasch auf und zog das Laken enger um Dorndreher, dann hob er ihn vom Boden auf und trug ihn zum Pferd.

»Keine Angst, Großvater, wir sind schon fast bei Anborn«, sagte er, während er hinter Dorndrehers zusammengesacktem Körper aufsaß. »Lehne dich gegen mich und ruh dich aus. Wir sind bald da, und dann wirst du deinen Trost finden.«

Dorndreher konnte nur noch nicken und brach dann unter einem heftigen Hustenanfall zusammen. Ashe trieb den Wallach voran und folgte den Schwingungen, die er aus der Ferne von Anborn empfangen hatte.

»Vielen Dank, dass du mir das gezeigt hast«, sagte er leise.

Dorndreher hörte ihn nicht mehr.

20

Ashe fing den Geruch von Asche als Erster auf; nun war er stärker und wehte mit dem Wind aus Westen heran. Dorndreher war bewusstlos geworden; seine Haut war grau und vom kalten Schweiß gesprenkelt, und er atmete flach. Sein Leben hing am seidenen Faden, und Ashe wusste, dass noch mindestens zwei Meilen vor ihnen lagen, bis er die Brände erreicht hatte, die die Asche in die Luft entsandten.

Seine Drachensinne tasteten sich voran, als er sich dem Wirtshaus näherte, in dem er Anborn finden würde. Aus einer Entfernung von fünf Meilen in jeder Richtung überschwemmten ihn wahllos alle Arten von Informationen wie eine Meeres welle: die Veränderungen im Herzschlag seines galoppierenden Reittieres, das unterschiedliche Gewicht des Schnees auf den einzelnen immergrünen Zweigen in dem ausgedehnten Wald; der Ruß im Gefieder des Schneezaunkönigs, der über ihnen in einem eisigen Aufwind kreiste. Ashe schluckte und schärfte seine Aufmerksamkeit. Er trieb den Drachen in seinem Blut dazu, sich auf das zu richten, was er suchte.

Er spürte es sofort. Eine kleine Herberge, erbaut aus dem verfaulenden Holz des Waldes, zwischen den Balken dick mit getrocknetem Lehm und Mörtel verschmiert, anderthalb Stockwerke hoch, die durch eine Treppe von zweifelhafter Standfestigkeit verbunden waren. Strohgedecktes Dach, der Boden mit Strohmatten belegt. Die Farbe abgeblättert von dem Schild vor dem Haus, auf dem einst nichts als ein krähender Hahn abgebildet war. Acht Feuerstellen zwei kürzlich entfachte, fünf halb aufgezehrte und eine kurz vor dem Erlöschen erhellten den Pfad vor der Herberge. Ashe wusste genau, wie lange sie schon gebrannt hatten; die Menge geschmolzenen Schnees um sie herum verriet es ihm.

Dorndreher jammerte bewusstlos, als Ashe den Wallach vorantrieb. Vier Reiter näherten sich ihnen, alle aus Nordwest. Er wusste, dass Anborn seine Gegenwart nicht verborgen geblieben war, auch wenn er zweifellos nicht ahnte, dass es Ashe war. Er hatte die Kapuze übergezogen und der Nebelumhang verhüllte ihn noch immer. Er rief, sobald seine Drachensinne ihm sagten, dass Ohren in der Nähe waren; sein Ruf traf mit dem verwehenden Jammern des Windes zusammen.

»Hilfe! Helft mir! Ich habe einen Verwundeten!«

Die Reiter, die die Worte durch das Geheul hörten, wandten sich nach Osten in seine Richtung und ritten so schnell, wie es der schlammige Waldweg erlaubte. Ashe verlangsamte sein Pferd, denn er wollte nicht mehr in Bewegung sein, wenn Anborns Männer auf ihn stießen.

Bis dahin schien es eine Ewigkeit zu dauern. Es war eine Zusammengewürfelte Gruppe von Soldaten, gekleidet in verschiedene Arten von Rüstungen und ohne die Standarte eines königlichen Hauses. Ashe erkannte drei der Männer: Knapp, Garth und Solarrs. Sie waren Anborns Gefährten gewesen, so lange Ashe seinen Onkel kannte. Der Weisheitsring des Patriarchen, den er an der rechten Hand trug, sagte ihm, dass Knapp und Solarrs wie Dorndreher Cymrer der Esten Generation waren. Den vierten Mann kannte er nicht.

»Halt, im Namen von Anborn ap Gwylliam!«, rief er. Die Reiter bremsten ihre Tiere. Jeder trug eine schwere Armbrust, die auf Ashe gerichtet war. »Ich habe Dorndreher! Er ist verwundet!«

Drei der Reiter zügelten ihre Pferde, während Solarrs, Anborns Hauptspäher, vorsichtig Weiterritt. Er senkte die Armbrust, die anderen jedoch wiesen weiterhin auf Ashe.

»Dorndreher?«, rief Solarrs.

»Er stirbt«, brüllte Ashe zurück in den Wind. »Führt mich zu Anborn, wenn euch sein Leben lieb ist.«

»Du solltest für seine Verletzungen nicht verantwortlich sein, falls dir dein Leben lieb ist«, erwiderte Solarrs. Er wandte sich um und gab den anderen ein Zeichen. Knapp und der Mann, den Ashe nicht kannte, warteten, während er und Solarrs vorbeiritten und Garth sich zu ihnen gesellte. Die anderen beiden bildeten die Nachhut, und die Gruppe begab sich mit aller gebotenen Eile zu der Herberge, deren glühende, gelegentlich vom fallenden Schnee gesprenkelte Feuer jetzt auch menschliche Augen in der Ferne erkennen konnten.

Als die fünf Reiter bei der Herberge ankamen, hielt Ashe sein Pferd an und wartete darauf, dass die anderen Dorndreher mitnahmen. Anborns Männer saßen hastig ab; Solarrs und Knapp eilten auf ihn zu, nahmen ihm den sterbenden Cymrer vom Schoß und trugen ihn vorsichtig in das Wirtshaus.

Bei ihrer Ankunft wurde die Tür aufgerissen, und das flackernde Licht eines brausenden Feuers ergoss sich in die verschneite Dunkelheit. Einige weitere Schatten rannten in die kalte Nacht hinaus; jeder schlang einen Arm oder eine Hand unter eines von Dorndrehers Gliedern oder seinen Leib und half ihn zu tragen.

Einen Augenblick später wurde das Licht gelöscht, das aus der Tür fiel, weil sich ein Schatten davorschob. Ashe atmete tief ein.

Anborn.

Der alte Krieger warf einen Blick auf Ashe, dessen Gesicht durch ein Feuer nahe der Tür erhellt wurde. Anborn gab ihm brüsk ein Zeichen, er solle in die Herberge kommen, dann wandte er seine Aufmerksamkeit Dorndreher zu, während die Soldaten den Verwundeten über die Schwelle trugen.

Ashe stieg ab, warf die Zügel über den Rücken des Pferdes und klopfte ihm dankbar auf die Flanke. Kurz sah er hoch in den schwärzer werdenden Himmel. Ein Sturm zog herauf, aber er würde vor Sonnenaufgang vorbei sein. Er atmete tief ein und füllte die Lunge mit frischer Luft. In Nase und Hals brannte es vor Asche. Als der Lärm der Soldaten verebbt war, ging er über den kurzen, in den Schnee getrampelten Pfad zur Herberge.

Der Wirt sah ihn nervös an, als er die Tür hinter sich schloss. Sie waren allein in der Schankstube der Herberge; Anborn und seine Soldaten waren nirgendwo zu sehen. Der Mann deutete besorgt auf die wacklige Treppe, an deren oberem Ende zwei Türen sichtbar waren. Ashe nickte. Er nahm seine besudelten Handschuhe ab und legte sie zum Trocknen über das Feuereisen.

Schließlich räusperte sich der Herbergswirt. »Wollt Ihr ein Bier, Herr?«

Ashe nickte und trat sich am Herdgitter den Schnee von den Stiefeln, während ihn der Dampf seines Nebelumhangs noch umgab. »Vielen Dank.«

Der Wirt eilte hinter die Treppe und kehrte einen Augenblick später mit einem zerbeulten Krug voll dünnem Bier wieder. Ashe nahm den Krug an und kehrte zum Feuer zurück, wo er ihn leerte. Er drehte sich um und wollte ihn dem Wirt zurückgeben, doch dieser war verschwunden.

An seiner Stelle stand der cymrische General, der Marschall von Gwylliams schändlicher Armee. Anborns Gesicht war ausdruckslos; er sah Ashe nicht direkt an. Ashe verneigte sich leicht.

»Marschall.«

»Ich bin keiner mehr.« Anborn verschränkte die Arme. »Was ist Dorndreher zugestoßen?« Er setzte sich auf einen Tisch in der Nähe der Treppe. Einen Moment später kamen drei Männer die wacklige Treppe herunter. Anborn sah sie fragend an, und einer von ihnen nickte. Der Mann ging wieder die Treppe hinauf, während die beiden anderen sich zu Anborn und dem Tisch begaben, auf dem Krüge und eine Kanne warteten.