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Obwohl den Findern keine ihnen allen gemeinsame körperliche Eigenschaft oder aber ihre Neigung zu einem etwas längeren Leben bewusst war, bemerkten sie doch eine sehr besondere Fähigkeit, die in ihrer unausgesprochenen Gefährtenschaft einzigartig war. Sie hatten einen Sinn für den Aufenthaltsort von Willum-Objekten, besonders für jene, die das Zeichen trugen.

Die Bolg waren kein Volk der Geschichtenerzähler; daher waren die Berichte über ihre Geschichte sowohl unzusammenhängend als auch spärlich und weit verstreut. Aber eine Geschichte war bei allen Klanen der Bolg mehr oder weniger Allgemeingut. Sie handelte von den Augen, den Spionen auf den Berggipfeln, von den Klauen, jenen Bolg, welche die westlichen Gebiete von Ylorc bewohnten, die ihre Grenze an der breiten, trockenen Schlucht und der darüber liegenden verdorrten Heide hatten, und von den Mutigen, den wilden, kriegslüsternen Klanen des Versteckten Reiches, der tiefen Länder hinter der Schlucht. Unabhängig vom Klan kannten alle Bolg die Geschichte, wie sie dem Willum-König den Berg abgenommen hatten.

Bevor sie Canrif bewohnt hatten, einst eines der Weltwunder, dann für Jahrhunderte eine Ruine und nun langsam im Wiederaufbau begriffen, waren die Bolg Höhlenbewohner gewesen, ein unmenschliches Volk, das kaum anders war als die Höhlenbären und unterirdischen Wölfe, die ihnen nachjagten und denen sie im Gegenzug ebenfalls nachstellten. Sie hatten in endloser Dunkelheit gelebt und sich mit allen kleinen Gruppen von Außenseitern gepaart, die sie unterwerfen konnten. Die Firbolg lebten über die ganze Welt verstreut, doch die einzelnen Mitglieder hätten dies niemals erfahren, weil ihre Vorstellung von der Welt auf die Höhlen und Berge beschränkt war, in denen sie ein karges und zuweilen grausames Dasein fristeten.

Zumindest bis die Willums kamen. Die Firbolg hatten die Cymrer beinahe von dem Augenblick an bemerkt, als die Reisenden aus Serendair bei den Zahnfelsen angekommen waren. Die zerzauste Karawane sturmgepeitschter Überlebender aus der stürmischen Überfahrt der Dritten Flotte hatte zunächst wie ein erstklassiges Angriffsziel ausgesehen: verwundbar, erschöpft, völlig hoffnungslos zumindest hatte es so geschienen. Bolg konnten so etwas riechen. Als jedoch ihre Anzahl offenkundig wurde es waren mehr als fünfzigtausend , stahlen sich die Bolg zurück in die Schatten ihrer Höhlen. Sie sahen zu, wie die Neuankömmlinge die Berge in hoch aufragende Städte, weit ausgedehntes Ackerland, gut gepflegte Wälder und tiefe Labyrinthe verwandelten. Es war das Reich, das Gwylliam Canrif nannte, das cymrische Wort für Jahrhundert, weil er geschworen hatte, dass es in hundert Jahren zu einem Weltwunder werden würde.

Als so das cymrische Reich wuchs und sich ausdehnte, zogen sich die Bolg tiefer und tiefer in die Erde und nach Osten in die Wüste zurück, bis der Krieg kam.

Gwylliams Kampf gegen seine Frau und Königin Anwyn, die Halbdrachentochter des Wyrm Elynsynos, hatte seinen Ausgang in einem Ereignis genommen, das die Cymrer den Schweren Schlag nannten. Dabei hatte es sich um einen Schlag in Anwyns Gesicht gehandelt, der aus einem ehelichen Zank unbekannter Ursache hervorgegangen war. Der daraus folgende Krieg war sowohl für den Kontinent als auch für die cymrische Bevölkerung, die sich in zwei Lager gespalten hatte, verheerend. Einige folgten Anwyn, andere blieben Gwylliam treu ergeben. Es war ein blutiger Konflikt, der Familien auseinander riss. Selbst Anwyns und Gwylliams eigene Söhne Llauron und Anborn stellten sich gegeneinander und veranlassten so Edwyn Griffyth, den ältesten Sohn, der ganzen Familie den Rücken zu kehren.

Die Bolg kannten keine Einzelheiten. Sie wussten aber, dass die einst unzugängliche Festung in den Zahnfelsen an den Rändern abbröckelte; die Grenzpatrouillen, die die Berge in eisernem Griff gehalten hatten, waren nach den ersten zweihundert Jahren des sieben Jahrhunderte dauernden Krieges kaum mehr zu sehen. Nachdem die Bolg fünfhundert Jahre dieses Konflikts mitbekommen hatten, fassten sie endlich den Mut, Vorteile aus dieser Situation zu ziehen.

Zuerst langsam und dann, ermutigt durch ihren Erfolg, kühner werdend, errichteten einige Klane kleine Enklaven am Rande von Gwylliams riesigem Reich. Der Herr der Cymrer war so beschäftigt, dass es ihm gleichgültig war, ob eine rattenhafte Bevölkerung von Höhlenbewohnern den Weg durch die östliche Steppe fand und in einige der älteren Abschnitte seines gewaltigen Labyrinths eindrang. Kleinere Berichte über verschwundene cymrische Patrouillen oder unerklärliche Lagerstätten gingen in den größeren und blutigeren Bilanzen über die Schlachten mit Anwyn unter. Seine Gleichgültigkeit sollte sich am Ende als Grund für den Untergang seines Königreiches erweisen.

Als Anwyns Heer näher rückte und sich anschickte, eine letzte Reihe von erfolglosen Angriffen gegen den Berg zu beginnen, nutzten die Bolg die Gelegenheit und überrannten Canrif. Gwylliam war verschwunden, und Anborn, Gwylliams jüngster Sohn und sein General, sah sich der schweren Entscheidung gegenüber, entweder den Berg zu evakuieren, so lange es noch möglich war, oder eine Schlacht an zwei Fronten zu schlagen, innerhalb des Berges und außerhalb. Er erkannte richtig, dass er nicht beide Stellungen würde halten können und der Berg eigentlich schon an die Firbolg verloren war. Canrif, das Kronjuwel des cymrischen Reiches, das sich von den Bergen bis zur westlichen Meeresküste erstreckte, das große Provinzstädte umfasste, tausende Meilen von Straßen und Aquädukten gebaut und Basiliken mit visionärer Architektur und Häfen errichtet hatte, die tausend Schiffe gleichzeitig beherbergen konnten, zerbröckelte wie Sand und fiel für immer in die eifrig ausgestreckten Hände eines Volkes, welches die Menschen als Ungeheuer ansahen. Mit dem Überrennen von Canrif gingen natürlich Plünderungen einher, und alle zurückgelassenen Schätze wurden gesammelt, aufgeteilt, umkämpft oder vernichtet zumindest diejenigen Dinge, die nicht in den Grüften der Bibliothek verborgen waren, denn die Bibliothek war mit einem Musikschloss versehen, das die Bolg nie hatten öffnen können. So war vieles, was die Cymrer hoch geschätzt hatten Schriften, Kunstwerke, Landkarten und Artefakte aus der alten Welt, Museumsstücke und technische Erfindungen , für die Bolg von geringem oder keinem Nutzen und endete als verschmähte Kriegsbeute. Eine ganze Bibliothek alter Manuskripte wurde zu Brennmaterial für ein Freudenfeuer bestimmt. Diejenigen Hinterlassenschaften der Cymrer, mit denen die Bolg etwas anfangen konnten, wurden freudig aufgeteilt oder heiß umkämpft, manchmal wieder und wieder. Nutzvieh, Stoffe, Waffen und Rüstungen sowie Nahrungsmittelvorräte wurden fortgeschafft. Schmuck war ebenso hoch geschätzt. Selbst jetzt, fünf Jahrhunderte später, war es kein ungewöhnlicher Anblick, wenn die Zerlumptesten Frauen oder sogar Männer der Bolg, deren Körper wegen fehlender Kleidung und des der Sonne Ausgesetzt seins hart und ledrig waren, durch die Korridore von Canrif wandelten und dabei Ohrringe in den Haaren oder reich verzierte Halsketten wie Kronen auf dem Kopf trugen.

Goldmünzen waren zunächst wegen ihres Leuchtens von Wert gewesen, wurden aber bald von den meisten Bolg abgelehnt. Ihre Kultur kannte keine Währung, wenngleich sie Tauschhandel betrieben; aber die Bolg wussten nur, wie man nützliche Güter gegen andere nützliche Güter eintauschen konnte. Leuchtendes, schweres Metall war zwar hübsch, aber so weich, dass man daraus keine vernünftige Waffe herstellen konnte, und hatte daher keinen wirklichen Wert. Deshalb blieb es unbeachtet, wenn die Bolg die verlassenen Hallen und Gemächer plünderten, in denen einst die Cymrer gewohnt hatten.