Bitte, meine Liebe, sei nicht so verdrießlich. Ich komme, wenn ich kann. Das weißt du.
»Vierhundert Jahre?«, spuckte sie aus und zog ihren Brokatmantel enger um die Schultern.
»Du kommst nur, wenn es dir passt. Was willst du diesmal?«
Das Licht des Feuers zuckte beinahe fröhlich, doch mit einer düsteren Unterströmung.
Ich habe dich vermisst. In einem wirbelnden Rascheln von alter Seide wandte sie sich ab. Und bald ist die Zeit gekommen. Ich habe geglaubt, du willst vorbereitet sein.
»Verflucht seien deine Rätsel! Was willst du?«
Eine Kohle prasselte und explodierte dann mit einem scharfen Plopp, gefolgt von einem anhaltenden Zischen.
Dich, meine Liebe, flüsterte die seidene Stimme aus den Flammen.
Etwas in den Tiefen ihrer Einsamkeit stach sie schmerzhaft.
»Fort mit dir«, murmelte sie und blieb mit dem Rücken zum Feuer stehen. »Ich habe getan, was du wolltest. Sieh dir doch an, was daraus geworden ist.« Sie deutete wütend auf das gewaltige, zerfallene, leere Schloss. »Du hast mir die Alleinherrschaft versprochen, und du hast deinen Eid gehalten. Hier weile ich, die unangefochtene Königin der erfrorenen Welt, verbannt von allen, die mir lieb waren, vergessen von der Welt und den Menschen. Ein Wesen der Vergangenheit wie ironisch. Ich will deine leeren Versprechungen nicht mehr; ich will dich nicht mehr. Geh weg.«
Komm näher, Süße.
»Nein.«
Bitte. Verschwunden war der schmeichelnde Tonfall, ersetzt von etwas Dunklerem, Glühenderem. Es war die heisere Klangfarbe, die sie vor langer Zeit gehört hatte, und das Fleisch zwischen ihren Beinen brannte wieder. Widerstrebend drehte sie sich um; das Feuer sprang erregt auf, als sich ihre Blicke trafen.
Gwydion lebt.
Die Schlangenaugen öffneten sich weit und verengten sich dann sofort wieder.
»Unmöglich«, sagte sie trotzig. »Dieser pathetische Lirin-Verräter hat ihn zum Schleier des Hoen getragen, wo er gestorben ist. Er ist nie zurückgekehrt; das hätte ich gesehen.«
Setz dich neben mich, meine Süße. Das Feuer knisterte einladend. Bitte.
Sie starrte weiterhin in das kalte Inferno und sank langsam zu Boden. Ihr Mantel umwisperte sie, als er in seidenen Wogen von ihr abglitt.
Das Feuer schien noch heller, warf flackernde Schatten und schließlich auch Hitze in das kalte Zimmer. Schweißperlen befeuchteten ihren Haaransatz und Nacken.
»Unmöglich«, wiederholte sie.
Anscheinend gibt es Dinge auf dieser Welt, die deinen Augen verborgen bleiben, meine Flamme. Ein Aufbrausen neuer Hitze erfolgte, dann fiel das Feuer zurück und brannte warm weiter. Es ist gleichgültig. Ihn suche ich nicht mehr.
»Warum?« Überraschung ließ sie das Wort aussprechen. Sie schluckte hastig, als könnte sie es damit zurückholen.
Die Kohlen glimmerten. Er muss jetzt noch stärker sein als damals. Aber wie ich schon sagte:
Es ist gleichgültig. Ich habe einen anderen ausgewählt. Ein zweites pulsierendes Glimmern. Dann wieder die Stimme in tiefem Geflüster: Löse dein Haar für mich. Bitte.
Als ob ihre Hand einen eigenen Willen hätte, streckte sie sich zu der dichten Mähne aus ineinander verschlungenen Locken und berührte die Juwelenbesetzte Spange in ihrem Nacken. Ihre Hand zitterte, während die Finger den Verschluss lösten. Schließlich öffnete er sich, und die Masse aus glänzendem Kupferhaar fiel ihr schwer auf die Schultern. Sie hörte deutlich, wie in dem Feuer die Luft eingesogen wurde.
»Du wirst ihn also verschonen?« Sie hasste die zitternde Note, die sich in ihre Stimme geschlichen hatte.
Die Flammen brannten einen Moment lang dunkel und lösten sich dann wieder in helle Hitze auf.
Stell keine Fragen, auf die du nicht wirklich eine Antwort haben willst, meine Süße. Das trübt die Stimmung.
Die Seherin lachte scharf auf. »Aha, du willst nicht an deine eigenen Fehlschläge erinnert werden, nicht wahr? Ich habe den Tod des Patriarchen, den du schon so lange vorhersagst, noch nicht gesehen. Warum? Ist dein Plan genau wie meiner fehlgeschlagen? Oder ist der Patriarch jetzt dein Wirt?«
Bei ihren Worten wurden die Flammen unvermittelt schwarz, und das Feuer brüllte wütend.
Sachte, meine Süße. Das ist kein Gelände, auf das du dich wagen solltest. Das Feuer brannte heiß und fiel dann wieder zurück in glimmende Wärme. Die Drei sind schließlich gekommen.
Ich nehme an, du weißt das.
Sie lachte. »In der Tat. Und sie haben Canrif eingenommen, aber ihre Taten trotzen meiner Gabe. Ich kann nicht in den Berg sehen.« Ihr Ton wurde dunkler. »Als Gwylliam mich verbannt hat, hat er dieses Gebiet vor meinen Augen versiegelt; es ist für immer jenseits meiner Reichweite.«
Die Flammen knisterten erotisch. Zieh deinen Mantel aus.
Sie lachte erneut. »Möchtest du mir Lust schenken?«
In der Tat. Zieh deinen Mantel aus, meine Flamme, und ich werde dir sagen, was jenseits deines Blickfeldes liegt. Ich werde dir von der Zukunft berichten.
Die vertikalen Schlitze in ihren blauen Augen dehnten sich vor Neugier, obwohl sie darum kämpfte, ihre Miene ruhig zu halten. Die Finger flogen zu ihrem Leibchen und nestelten hastig daran herum.
Die Stimme in dem Feuer kicherte. Ah, dich verlangt immer noch danach, nicht wahr, meine Süße? Es muss schmerzhaft sein, die Gegenwart erst dann zu erfahren, wenn sie schon zur Vergangenheit geworden ist. Die Flammen tanzten, als ihre Finger die Bänder gelöst hatten.
Hör nicht auf, meine Süße. Meine Zeit wird knapp.
Langsam öffnete sie das Leibchen und streifte sich die hauchdünnen Ärmel ab. Das Feuerlicht leckte über ihre goldene Haut, die wie kleine Schuppen von winzigsten Linien durchzogen war, wodurch sie wie poliertes Metall glänzte. Sie senkte den Blick, als sie nackt bis zur Hüfte in dem widerspiegelnden Glanz saß.
Du bist auf ewig wunderschön, meine Süße. Die warmen Worte riefen bei ihr eine wilde Röte hervor, die ihren Ausgang im einsamen Herzen nahm und bis zu den Spitzen der langen Finger ausstrahlte. Die Zeit hat dich nicht einmal mit einem einzigen Tag gezeichnet, seit wir uns zum letzten Mal in großer Leidenschaft auf dem Boden der Großen Halle geliebt haben.
Erinnerst du dich daran, meine Flamme?
»Ja.«
Komm näher. Zieh den Mantel aus.
Langsam stand sie auf. Sie hielt das Leibchen und die Ärmel gegen die Hüfte gedrückt. Dann, mit einer fließenden Bewegung, ließ sie alles los, und der seidene Nachtmantel rollte wie eine Meereswelle zu Boden.
»Warum kommst du nicht im Fleisch zu mir?«, flüsterte sie. »Es ist so einsam hier in dem kalten Berg.«
Gewisse Verpflichtungen meines gegenwärtigen Wirtes verwehren mir im Augenblick diese Freude des Fleisches. Aber hob keine Angst, meine Süße. Bald werde ich diesen Körper aufgeben und in einen wandern, den du sicherlich mehr schätzen wirst. Das Feuer fiel in die Kohlen zurück. Komm in mich.
Sie lachte. Es war nicht das helle Lachen einer jungen Frau, sondern der durchdringende Laut von Siegesposaunen. »Worte, die ich einst zu dir gesagt habe.«
Ich erinnere mich. Die Flammen wurden noch schwächer. Komm in mich, meine Süße.
Langsam näherte sie sich dem Kamin und kniete vor dem Feuer nieder. Zitternd vor Vorfreude legte sie sich auf den Rücken und schob die langen Beine vorsichtig in den Rachen des gewaltigen Kamins.
Die Kohlen glänzten zuerst sanft, dann stärker. Kleine Flammen erschienen und leckten an ihren Beinen entlang, tanzten über ihren Körper und erhitzten ihr Blut. Sie keuchte und kroch noch näher heran. Die wachsende Hitze schmolz die bittere Schärfe zwischen ihren Beinen.