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Ashe rieb sich die Faust mit der anderen Hand. »Sie wird mir vergeben. Sie wird mich verstehen.«

»Wird sie das?« Der Fürbitter goss einen Schluck Branntwein in ein Kristallglas und hielt es gegen den Feuerschein. »Was hast du mir noch letzten Frühling erzählt? Du könnest nicht erwarten, dass jemand zu dir hält, wenn du ihn als Spielfigur benutzt hast, um zu ihrem Nachteil deine eigenen Ziele durchzusetzen ... Ja, das war es.« Er nippte an dem Getränk und sah Ashe ernst an. »Wenn du dich jetzt einmischst und den Lauf der Ereignisse änderst, wirst du damit nicht nur meinen Tod meinen wirklichen Tod heraufbeschwören, sondern auch Khaddyr den Stab des Fürbitters übergeben. Willst du das?«

»Nein, natürlich nicht.«

»Und was Rhapsody angeht: Was wird Khaddyr mit ihr machen, wenn er sie nicht mehr als nützlich für sich ansieht, da sie ihm nicht länger als Botin zur Verfügung steht?«

Llauron spürte quer durch den Raum die Kälte, die von Ashes Erschauern ausging. Als er sprach, klang seine Stimme freundlich. »Du musst den Dingen nun ihren Lauf lassen, Gwydion. Rhapsody muss ihre Rolle spielen, so wie wir alle. Sie wird es überleben wir alle werden es überleben. Mit ein wenig Glück werden wir am Ende das bekommen, was wir haben wollen.«

»Warum soll ich deinem Urteil über Rhapsodys Schicksal vertrauen? Du hast ihr Verstärkung versprochen, aber sie allein im Sturm zurückgelassen. Wie konntest du das jemandem antun vor allem Rhapsody? Wie konntest du von ihr unerschütterliche Treue verlangen und sie dann dem Tod in die Arme treiben?«

»Bist du jetzt nicht ein bisschen theatralisch? Sie ist schließlich nicht gestorben, oder?«

»Was nicht dein Verdienst ist. Du solltest dich in Grund und Boden schämen, aber ich bezweifle, dass du so viel Ehrgefühl besitzt.«

»Verschone mich mit deiner selbstgerechten Entrüstung. Davon hat mir dein Onkel schon genug gegeben.«

»Würdest du eine mörderische Wut bevorzugen? Das kommt dem, was ich fühle, sowieso viel näher.«

»Fühle, was du willst, aber lass mich damit in Frieden. Ich habe kein Verständnis für diese Respektlosigkeit und werde sie nicht hinnehmen.«

»Hast du eine Vorstellung davon, was ihr in ihrem Aufzug in Sorbold hätte zustoßen können?«

»Nichts, was ihr nicht früher schon zugestoßen ist.«

Ashes Augen verengten sich noch stärker vor Zorn. »Was soll das heißen?«

»Also bitte, Gwydion. Als sie herkam, war sie nicht gerade eine errötende Jungfrau. Das weißt du doch genauso gut wie alle anderen.« Eine Blumenvase zerplatzte hinter ihm und ließ Wasser und Porzellanscherben auf seinen Schreibtisch regnen. »Nein, wie männlich. Willst du mir damit sagen, du findest es beleidigend, dass sie keine Ehre mehr hat, die du verteidigen kannst?«

»Rhapsody hat mehr Ehre in einer Haarsträhne als du in deinem ganzen selbstsüchtigen Leben. Ich hoffe, du willst nicht behaupten, sie habe das verdient, was ihr zugestoßen ist. Ich möchte Vatermord der Liste meiner Verbrechen nur ungern hinzufügen.«

»Keineswegs. Ich war lediglich der Meinung, dass Rhapsody mit allem fertig werden würde, was ihr widerfahren könnte. Sie ist schließlich die Iliachenva’ar.«

»Sie hat dir immer geholfen und war stets freundlich zu dir. Warum hasst du sie so?«

Llauron starrte seinen Sohn ungläubig an. »Hast du den Verstand verloren? Wovon redest du? Ich liebe dieses Mädchen wie meine eigene Tochter und habe die größte Hochachtung vor ihr.«

»Oh, natürlich, wie eine Tochter. Kein Wunder, dass du geglaubt hast, du könntest sie ungestraft missbrauchen und manipulieren.« Nun war der Zorn in beiden Augenpaaren gleich groß. »Warum willst du ihr wehtun? Bist du eifersüchtig? Hast du Angst, sie könnte die Herzen der Cymrer auf eine Weise gewinnen, die dir immer verschlossen geblieben ist? Bezweifelst du ihre Klugheit, falls sie Rhapsody als ihre Führerin erwählen würden?«

»Natürlich nicht. Rhapsody wäre eine großartige Führerin. Sie hat ein edles Herz und ein wunderbares Aussehen. Ich habe überhaupt nichts gegen sie.«

»Warum also? Wenn du sie liebst, sie respektierst und glaubst, dass sie eine großartige Führerin ist, warum versuchst du dann, sie umzubringen? Oder bist du etwa der Meinung, dass ich sie nicht verdient habe? Ist es das? Versuchst du, sie für dich selbst zu behalten?«

»Das ist absurd.«

»Warum dann? Sag es mir, Vater. Warum? Warum versuchst du das einzige Glück zu zerstören, das ich möglicherweise je haben werde? Hasst du mich so sehr, dass du mich wieder im Unglück sehen willst?«

Wut erfüllte Llaurons Gesicht, als er sich abwandte. »Welch ein dummes Geschwätz.«

»Dann erkläre es mir, Vater. Erkläre mir, warum du mein Glück gestört und meine Hochzeit mit der einzigen Frau hintertrieben hast, die mich wieder zu einem ganzen Menschen machen kann. Die mich zu einem ganzen Menschen gemacht hat.«

Einen Moment lang sagte der Fürbitter nichts. Er ging zum Fenster und starrte hinaus in die Dunkelheit; seine Gedanken beschriften alte Pfade. Endlich meinte er mit tonloser Stimme:

»Sag mir, Gwydion, glaubst du, deine Drachenseite ist ein stärkerer Teil von dir, als es bei mir der Fall ist?«

»Ja, offensichtlich, sonst würden wir nicht deinen wahnsinnigen Plan verfolgen.«

»Also gut. Ich vermute, du weißt, was deiner eigenen Mutter passiert ist, als sie dem Kind eines Drachen das Leben geschenkt hat?« Llauron spürte, wie unter der Kapuze das Blut aus Ashes Gesicht wich. »Ich habe dir die Einzelheiten bis jetzt erspart. Willst du sie hören? Willst du wissen, wie es ist, einer Frau, die man zufälligerweise auch noch liebt, zuzusehen, wie sie unter Schmerzen stirbt, während sie versucht, dein Kind zur Welt zu bringen? Ich will es dir gern beschreiben. Da das Drachenjunge instinktiv die Eierschale durchbrechen und sich mit den Krallen einen Weg hinausbahnen will...«

»Halt«, befahl Ashe mit einer Stimme, die so beißend wie Säure war. »Warum tust du das?«

»Um deine Frage zu beantworten, undankbarer Sohn. Ich weiß, dass du sie liebst. Ich wusste, dass du sie lieben würdest, noch bevor du sie gesehen hattest. Wer würde sie nicht lieben? Wie hättest du ihr widerstehen können? Und ich wusste auch, dass deine Ausbildung und die natürliche Gelassenheit unserer Familie bei dir keine tiefen Auswirkungen hatten. Du warst immer schon verrückt, hast von deiner toten Seelengefährtin geplappert und Anwyn andauernd mit Fragen über etwas belästigt, das nur ein Traum war.

Als es offensichtlich wurde, dass du dein Herz an diese Frau verloren hattest, musste ich dazwischen treten und dich an deine Verpflichtungen erinnern, die wichtiger als die Glut deiner Lenden sind und nicht nur die verantwortungsvolle Wahl einer Ehepartnerin, sondern auch die Zeugung eines Erben beinhalten. Und das wird aller Wahrscheinlichkeit nach bedeuten, dass deine Frau wie die meine bei der Geburt sterben wird. Dein Kind wird noch drachenähnlicher sein als du; also sind die Aussichten der Mutter auf ein Überleben nicht groß. Wenn schon deine eigene Mutter es nicht geschafft hat, wie wird es dann wohl deiner Gemahlin ergehen?

Du wirfst mir vor, dass ich dich hasse wie dumm bist du doch! In Wirklichkeit ist es die Liebe zu dir, die meine Handlungen bestimmt. Ich will nicht, dass du so leidest wie ich. Wenn die Lirin-Königin meinen Heiratsantrag angenommen hätte, wären mir die Schmerzen angesichts von Cynrons Tod erspart geblieben, doch das Leben geht nun einmal eigene Wege. So musste ich mit Entsetzen und der größten Trauer meines Lebens dem zusehen, was eigentlich meine größte Freude hätte sein sollen. Und ich will nicht, dass du meinen Fehler wiederholst. Ich will nicht, dass Rhapsody für unsere Welt verloren geht. Du würdest kraftlos werden, und diese Welt wäre noch dunkler. Du kannst mich in deiner Enttäuschung gern schlagen, aber die Wahrheit ist, dass ich versuche, dir Schmerzen zu ersparen, von denen du dich nie erholen wirst.«

Llauron hörte nicht das leiseste Geräusch, als er verstummte; es war, als hätte sogar die Luft den Raum verlassen. Er drehte sich langsam nach seinem Sohn um, der starr am anderen Ende des dunklen Studierzimmers stand. Llauron machte einen Schritt auf ihn zu und sah, wie Ashes Körper sich entspannte. Das war ein Anzeichen dafür, dass er die Dinge überdachte.