Выбрать главу

»Das ist das Verfahren, das wir nun jeden Tag und bei jedem Kind anwenden werden, um das Blut ihres Vaters von ihnen zu trennen«, sagte die Fürstin schlicht, wobei sie die Tränen der Sängerin nicht beachtete. »Es muss unmittelbar aus dem Herzen genommen werden. Wie du gesehen hat, ist es außerordentlich schmerzhaft.«

Rhapsody keuchte. »Sogar bei dem Baby?«

»Ja.«

»Nein«, stammelte Rhapsody und versuchte ihre Übelkeit zu bekämpfen. »Bitte nicht.«

»Die andere Möglichkeit ist noch weitaus schlimmer, oder etwa nicht?«

Rhapsody senkte den Kopf. »Ja.« Die Fürstin sah sie durchdringend an; Rhapsody spürte den Blick der Frau auf ihr ruhen. »Wie lange wird es dauern?«

»Jahre. Mindestens fünf, vielleicht sieben. Es schneller zu machen würde bedeuten, bei jeder Sitzung mehr Herzblut zu entnehmen, und das könnte sich als tödlich erweisen. Wenn sie sterben, bevor der Prozess der Trennung abgeschlossen ist, gehen sie zu ihrem Vater in die Leere der Unterwelt, und zwar für immer.«

»Gute Götter«, flüsterte Rhapsody. Sie warf einen Blick auf den Tisch und die Werkzeuge, die mit jenen identisch waren, die man bei Constantin benutzt hatte. »Bitte sagt mir, dass es noch einen anderen Weg gibt.«

»Es gibt keinen anderen Weg, das Blut zu trennen«, sagte die Fürstin unverblümt. »Es gibt aber etwas, das du tun kannst, wenn du willst.«

»Was immer es ist, ich will es tun«, antwortete Rhapsody schnell. »Bitte sagt mir, wie ich helfen kann.«

Die Augen der Fürstin verengten sich. »Du bist vorschnell, mein Kind; das ist nicht gut. Die Kinder werden dich brauchen, damit du dich um ihre täglichen Bedürfnisse kümmerst und ihnen Trost und Liebe schenkst. Du solltest nicht zu etwas deine Zustimmung geben, von dem du noch nichts weißt.«

»Es tut mir Leid«, sagte Rhapsody demütig. »Bitte sagt mir, was ich tun kann.«

Die Fürstin sah sie gleichmütig an. »Du kannst die Schmerzen von einem oder zwei von ihnen übernehmen, wenn du willst.«

»Die Schmerzen übernehmen?«

»Ja. Du bist eine Sängerin, eine Benennerin. Du kannst ihr Namenslied zu deinem eigenen machen und ihre Schmerzen zu deinen. Das ist eine große Bitte und würde sehr viel von dir verlangen. Wenn du es ablehnst, wird dir niemand einen Vorwurf machen. Ich weiß, dass du gern eine Heilerin wärest; es wird dich viel lehren. Es wird dich mitfühlend machen und in die Lage versetzen, andere zu heilen, indem du ihre Verletzungen auf dich nimmst. Aber du wirst die Schmerzen in ihrer Fülle spüren, wenn du einem oder zwei der Kinder die täglichen Qualen ersparst, die du eben beobachtet hast. Es wird dir fürchterliche Schmerzen bereiten.«

Rhapsody starrte auf den Boden. »Einem oder zwei? Wie um alles in der Welt sollte ich sie aussuchen?«

Ein mitfühlendes Lächeln flog über das Gesicht der Fürstin. »Auch das wird nicht leicht sein. Es könnte sinnvoll sein, die beiden jüngsten auszuwählen, aber Schmerz ist Schmerz, egal wer ihn spürt, wie du soeben gesehen hast.«

Rhapsody dachte über ihre Worte nach. »Wird es mir körperlichen Schaden verursachen?«

»Nein. Es ist nur der Schmerz, den du übernimmst, nicht das Verfahren selbst. Du wirst weder eine Wunde noch eine Narbe davontragen.«

Rhapsodys Blick klarte auf. »Ich mache mir keine Sorgen über Narben außer denen, die die Schmerzen in den Seelen der Kinder hinterlassen. Bedeutet es das Versprechen, für ein Kind zu wachen und seine Schmerzen zu übernehmen, wenn ich die Kerze entzünde?«

»Ja.« Die Fürstin lächelte sie an. »Willst du es tun?«

»Ja.«

»Ich hatte es mir gedacht. Soll ich eine oder zwei Kerzen nehmen?«

Rhapsody erwiderte ihr Lächeln und nahm zwei Kerzen aus der nächsten Schachtel. Sie stellte sie auf den Tisch. »Hier?«

»Ja. Du bist sehr tapfer.«

»Soll ich sie jetzt anzünden?«

»Ja, aber dann musst du die Kinder nennen, für die du Wache halten willst.«

Rhapsody streckte den Finger aus und berührte die erste Kerze. »Aria«, sagte sie leise. Die Flamme flackerte zwischen ihrem Daumen und Zeigefinder auf, zuckte zunächst und brannte dann ganz ruhig. Sie griff nach der nächsten Kerze. »Mikita«, sagte sie und entzündete sie. Dann drehte sie sich um und stellte sich vor die Fürstin, die anerkennend nickte.

»Du solltest dich jetzt hier hinlegen, mein Kind. Ich werde dir alle Kräuter geben, die deine Schmerzen lindern können, aber ich muss dich warnen. Ich habe sie auch dem Gladiator vor dem Beginn des Eingriffs verabreicht. Ich muss meinen Gehilfen befehlen, diese beiden Kinder auszusondern.«

Rhapsody griff in die Schachtel, holte zwei weitere Kerzen hervor und stellte sie neben die bereits brennenden. Sie berührte die erste. »Jecen«, sagte sie, als die Kerze Feuer fing.

»Arie.«

Die Fürstin streckte die Hand aus und packte Rhapsody am Handgelenk. »Was tust du da, mein Kind?«

»Ihr habt gesagt, es würde mir keinen körperlichen Schaden zufügen. Ich übernehme nur die Schmerzen.«

»Ja, aber...«

Rhapsody befreite ihre Hand und entzündete zwei weitere Kerzen. »Ellis. Anya.« Sie warf einen Blick zurück auf die Fürstin. »Wie könnte ich eine Wahl treffen? Wie könnte ich es zu lassen, dass auch nur eines der Kinder die Schmerzen erleidet, die ich sowieso auf mich nehme?«

»Unterschätze nicht die Auswirkungen der kombinierten Schmerzen. Dein Herz mag willig sein, aber dein Körper wird gequält werden. Du hast dich immer noch nicht von den Strapazen deiner Reise hierher erholt. Ich glaube nicht, dass du verstehst, was du da tust.«

Zwei weitere Flammen sprangen auf. »Mari. Vincane.« Sie lächelte die Fürstin an. »Mag sein, aber ich habe nichts Besseres zu tun, so lange ich hier bin. Außerdem welche ihrer Mütter wäre dagegen gewesen? Sie sind nicht hier, also muss jemand sie vertreten.«

»Aber du bist nicht die Mutter dieser Kinder.«

Rhapsodys Augen schimmerten im Licht des heller werdenden Raumes. »Quan Li.« Sie sah auf. »Nein«, sagte sie lächelnd. »Ich bin ihre Großmutter. In meinem Leben gibt es vieles, für das ich Buße leisten muss. Vielleicht ist das hier ein Anfang.« Die letzte Kerze strahlte auf.

»Constantin«, sagte sie.

39

Fröhliches Kreischen erfüllte das schläfrige Tal. Rhapsody lächelte, als die Kinder ihr nachjagten, wie aufgeregte Bienen ausschwärmten, um ihre Aufmerksamkeit buhlten und alle gleichzeitig erregt durcheinander plapperten. Sie presste die Hände auf die Ohren.

»Um Himmels willen, beruhigt euch doch«, sagte sie lachend. »Ich werde noch taub.« Sie schloss die Tür ihrer Hütte hinter sich und trat hinaus in das Licht des späten Morgens. Sie hatte die Kleidung angezogen, in der sie für gewöhnlich mit den Kindern spielte, und hatte einen Leinensack dabei. Acht Kinder waren da, das Älteste und das Jüngste fehlten. Ihr heutiges Ziel war, mehr über ihre persönlichen Lernbedürfnisse zu erfahren, was sowohl die körperliche als auch die geistige Seite anging. Zu diesem Zweck hatte sie beinahe die ganze Nacht damit verbracht, Spielzeuge anzufertigen, mit denen sie die Wendigkeit der Kinder auf die Probe stellen konnte. Es handelte sich um Dinge, welche bei den Liringlas als Knöchelsänger bekannt waren. Nun nahm sie eines davon aus dem Sack.

»Hier. Ich habe etwas für euch.« Rhapsody hielt den Knöchelsänger hoch, und die Kinder versammelten sich neugierig um sie. Er war grob gemacht, aber glatt, und erfreute Rufe drangen durch den Wald, als er von Kind zu Kind gereicht wurde.

»Wie geht das, Rhapsody?«