Выбрать главу

Rhapsody beobachtete verzaubert, wie die Traumfrau Constantin umarmte, sich zu ihm auf das Bett setzte und ihn wie einen verlorenen Schatz in den Armen wiegte. Der Gladiator weinte im Schlaf. Rhapsody nahm das Lautespiel sanft wieder auf. Als der Duft der Kerzen sie erreichte, kämpfte sie darum, nicht ebenfalls ihrem Zauber zu erliegen.

Die beiden saßen lange zusammen und redeten in einer Sprache, die Rhapsody als Sorboldisch erkannte, aber sie verstand wegen des Lautespiels nicht, was die beiden sagten. Sie wollte keineswegs in das Gespräch eindringen, hatte jedoch Schwierigkeiten, die Augen offen zu halten und die Hände weiterhin über die Saiten zu bewegen.

Schließlich erhob sich die Frau, küsste ihren lächelnden Sohn auf die Wange und flüsterte ihm Abschiedsworte ins Ohr. Dann verließ sie das Zimmer. Constantin legte sich wieder nieder, fiel in tiefen Schlaf und lächelte immer noch.

Rhapsody brachte das Lied zu einem Ende, als sich Constantin auf die Seite rollte. Die Tür wurde erneut geöffnet; diesmal sah sie, wie ein Traumbild ihrer selbst den Raum betrat und die Tür leise hinter sich schloss. Rhapsody schlug das Herz bis zum Hals. Alles, was sie nun tun konnte, war weiterzuspielen.

In der Dunkelheit seines Traumes trug sie dasselbe weiße Kleid wie alle anderen im Reich der Rowans. Das Traumbild zog es aus und stellte sich neben das Bett. Rhapsody sah den Blick in Constantins Augen, als er die Erscheinung anstarrte. Sie musste für ihn nun wirklicher denn je sein, was er den Kerzen, deren verbleibendes Leben nicht mehr lang war, und dem Lied der Laute zu verdanken hatte.

Ihr Magen drehte sich um, als er die Erscheinung näher an sich heranzog und ihr die Hände auf die Hüfte legte. Sie wusste, was nun geschehen würde, und wollte nicht dabei zusehen. Ihre Haut brannte, als Constantin seine Phantasien in die Tat umsetzte. Rhapsody hätte gern die Augen geschlossen, fühlte sich aber gezwungen zuzusehen, denn an seinen Handlungen war etwas bemerkenswert. Sie waren zart und sanft und hatten nichts von der grausamen Wildheit, die er in Sorbold gezeigt hatte. Er schlief mit der Gestalt, die er als Rhapsody ansah, aber er vergewaltigte sie nicht, wie er es in dem Schlafzimmer des Arenakomplexes vorgehabt hatte. Die Erkenntnis, dass dieser Mann, den sie als gefährlichen Jäger angesehen hatte, zu solch sanften und liebevollen Handlungen fähig war, schnürte ihr den Hals zu. Sie hatte Recht gehabt, was seine Verwandtschaft mit der Tugend der Freundlichkeit anging. Sie schloss die Augen, überließ ihn sich selbst und zupfte fester an den Saiten ihrer Laute, um mögliche Geräusche zu übertönen.

Als sie sicher war, dass der Traum geendet hatte, ging sie zum Bett und stellte sich neben ihn. Sie sah ihn im Schattenlicht der beiden verbliebenen, heruntergebrannten Kerzen zärtlich an. Seine ungeheure Größe und die Wunden an seinem Körper täuschten über sein Alter hinweg. Er war wie sie selbst: scheinbar jung, doch gebeugt unter dem Gewicht seiner Erfahrungen. Mit den geschlossenen Augen und dem zufriedenen Gesichtsausdruck wirkte er sehr verwundbar.

Du hast mir eine Nacht mit dir in meinem Bett versprochen. Du willst doch dein Wort nicht brechen, oder?

Rhapsody löschte die Kerzen und zog die Laken wie in Trance zurück. Sie kroch ins Bett und zwischen die Decken, wobei sie darauf achtete, ihn nicht zu wecken. Dann rutschte sie unter dem groben Stoff heran, bis sie ihn neben sich spürte. Sie legte sanft den Kopf auf seine Schulter und schlang den Arm um seine Hüfte. Sie drängte sich an ihn, so wie sie es bei Grunthor getan hatte, als sie entlang der Wurzel gereist waren.

Im Schlaf zog Constantin sie enger an sich heran und seufzte. Der Laut drang unmittelbar in Rhapsodys Herz. Ryle hira, dachte sie. So ist das Leben. Sie wünschte sich nur, es wäre manchmal nicht so verdammt traurig.

Sie erhob sich kurz vor Sonnenaufgang und ging, als die ersten Strahlen den Zimmerboden berührten. Als der erste Lichtpfeil über die Bettlaken fiel, legte sie ihm die Hände auf die Schulter und beugte sich über ihn, so wie es ihr Abbild in seinem Traum getan hatte. Sie gab ihm einen langen, warmen Kuss auf die Stirn, wobei ihre Haare auf seine Brust fielen. Er sog den Duft ihrer Haut mit dem ersten Atemzug des Erwachens ein.

Er schlug gerade die Augen auf, als sie seine Hände ergriff und auch sie küsste.

»Nun sind die Schalen im Gleichgewicht«, sagte sie leise.

Sie ging zum Stuhl, auf dem ihre weiße Robe lag. Sie zog sie an und lächelte ihm zu, während er sie erstaunt beobachtete; dann öffnete sie die Tür, trat hinaus und schloss sie sanft hinter sich.

Rhapsody schlief in jener Nacht selbst unter dem warmen Glanz einer der Kerzen; es war eine schöne Säule rosenfarbenen Bienenwachses, parfümiert mit Lilabella, einer Pflanze, die für ihre beruhigende und reinigende Wirkung bekannt war. Der würzige Duft drang in ihren Geist und klärte viel von ihrer Verwirrung, hinterließ aber einen leichten Kopfschmerz. Dunstige Rauschwaden sammelten und zerstreuten sich in ihrem Traum, als würden sie von einem kalten, reinigenden Wind fortgeblasen.

In der Benommenheit des schmerzhaften Schlafes öffnete Rhapsody die Augen. Vor ihr stand Fürst Rowan, gekleidet in Waldgrün, und stützte sich auf einen Stab aus Winterholz. Begreifst du jetzt, wofür du kämpfst? Die Worte erfüllten ihren Verstand, auch wenn er sie nicht laut ausgesprochen hatte.

Ihre Antwort kam wie ein Lied, an das sie sich nicht mehr erinnerte, das sie aber vor langer Zeit einmal gekannt hatte.

Für das Leben selbst, erwiderte sie. Die F’dor hassen das Leben und versuchen, es auszulöschen. Wir kämpfen um das Leben selbst.

Ja, und um noch mehr. Der Fürst ging in den nebligen Wald ihres Traumes hinein, drehte sich kurz um und sah sie an. Du kämpfst auch um das Nachleben.

Das verstehe ich nicht.

Die Schlacht wird nicht nur um dieses Leben geführt, sondern auch um das Nachleben. Es gibt das Leben, und es gibt die Leere. Die Leere ist der Feind des Lebens und wird es verschlucken, wenn sie kann. Das Leben ist stark, aber die Leere wird stärker.

Fürst Rowan verschwand im Nebel; nur seine Worte hingen noch in der dunstigen Luft ihres Traumes.

Du darfst nicht verlieren.

42

Die zäh verstreichende Zeit weigerte sich, vorwärts getrieben zu werden. Frische Morgen verwandelten sich in warme Nachmittage aus schräg einfallendem Sonnenlicht, die sich hin zu süßen, trägen Abenden und der tiefen Dunkelheit der Nächte wandten, nur um mit der aufgehenden Sonne den Kreislauf von neuem zu beginnen. Es war genau so wie überall, doch irgendwie schienen Rhapsody die Tage länger zu sein, wobei sie dies sehr schätzte. Im Reich der Rowans war es friedlich und schläfrig, obwohl die Kinder recht unempfindlich gegen die einschläfernde Atmosphäre zu sein schienen. Die Kinder waren glücklich hier; sie wurden stärker und gesünder unter den wachsamen Augen des Fürsten und der Fürstin sowie unter der tröstenden Liebe ihrer schönen, jungen Großmutter.

Die Jahreszeiten in der Lichtung änderten sich nicht; es war immer Frühling, kurz vor dem Sommer. Obwohl der Herbst Rhapsodys Lieblings-Jahreszeit war, vermisste sie ihn nicht. Auch das war ein Teil des Zaubers dieses Ortes: geliebte Freunde und vertraute Dinge verblassten zur reinen Erinnerung; man bemerkte ihre Abwesenheit kaum. Die Zeit verstrich einfach, blind gegen alles.

Die einzige Schwierigkeit waren die Nächte. Wenn die Sonne unterging, sah Rhapsody über die Schulter; der Fürst oder die Fürstin nickten ihr zu und bedeuteten ihr, es sei Zeit. Sie hatte diesen Zeitplan selbst gewählt; er gab ihr die Gelegenheit, ihre Abendgebete zu singen, und sie wusste, dass die Fürstin in ihrer himmelblauen Robe am Ende des Verfahrens jedes Kind in den Schlaf küsste. Also war das der beste Zeitpunkt. Ihre Nächte wurden sowieso seit langem von verstörenden Träumen heimgesucht; sie war der Ansicht, es könnte kaum schlimmer werden.