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»Natürlich«, antwortete Rhapsody unsicher.

»Falls du noch immer der Meinung sein solltest, ich sei schlecht beraten, will ich dir etwas sagen: Während ich deinen hübschen Hintern aus einer Meeresgrotte gezogen habe, wurde mein Königreich von der Meisterin der yarimesischen Mördergilde unterwandert. Sie stammt aus demselben Volk, dem ich und meine Bolg nach deiner Anweisung helfen mussten, eine neue Quelle für die Entudenin zu bohren, wofür wir übrigens noch immer keine vollständige Bezahlung erhalten haben. Besagte Gildenmeisterin hat nicht nur den Gipfel des Gurgus zerstört, sondern auch einen großen Teil des Königreiches mit Pikrinsäure vergiftet.«

»O Götter!«, rief Rhapsody entsetzt aus.

Achmed dachte nach. »Nein, diese hat sie nicht erwischt, was aber möglicherweise ein reiner Zufall war. Es reicht schon, dass mindestens tausend Bolg gestorben oder sehr krank geworden sind. Sie haben Ruhr, bluten aus den Augen, verbluten innerlich ...«

»Gut, es reicht«, sagte Rhapsody. Sie kämpfte gegen die Übelkeit an und verlor. Sie rannte zur nächsten Topfpflanze und übergab sich in den Kübel.

Achmed wartete selbstgefällig, bis sie zurückkehrte.

»Ich gehe davon aus, dass ich auf deine Hilfe in dieser Angelegenheit zählen kann?«

Rhapsody seufzte. Sie war noch immer blass und fühlte sich benommen.

»Ich werde mein Möglichstes tun, Achmed, aber ich kann dir nicht versprechen, dass ich dir die Informationen beschaffen kann, die du brauchst«, sagte sie und lehnte sich gegen die Mauer. »Wenn es dich beruhigt, kann ich dir sagen, dass ich vermutlich schon sehr bald daran arbeiten werde.«

»Ach?«

»Ja. Ich muss zuerst mit Ashe sprechen, ob er damit einverstanden ist, aber ich hoffe, bald einige Zeit bei Elynsynos zu verbringen.«

Achmeds Augen weiteten sich. »Du willst in schwangerem Zustand in ein Drachennest gehen?«

»In der Tat. Sie ist die Einzige, die wirklich weiß, wie es ist, ein Drachenkind auszutragen. Ich mache dir ein Angebot. Wenn Ashe zustimmt, nehme ich die Manuskripte mit und arbeite daran, so weit es meine Übelkeit erlaubt. Ich werde tun, was ich kann, aber es ist mir wieder einmal nicht möglich, dir eine Garantie zu geben. Dafür bringst du zur Tauwetterzeit Krinsel zu mir, damit sie bei der Geburt meines Kindes bei mir ist.«

Sie wusste, dass der Bolg-König hinter seinen Schleiern lächelte.

»Du würdest dich einer Bolg-Hebamme anvertrauen, obwohl es so viele prahlerische Heiler in Roland gibt?«

»Sofort. Abgemacht?«

»Ja«, antwortete Achmed. »Wenn du deinen Teil der Abmachung einhältst.«

Faron schaute schweigend auf die Feierlichkeiten unter ihm.

Sein Verstand wusste nicht, was ein Feiertag war. Da er fast sein ganzes Leben im dunklen Keller des Gerichtsgebäudes von Argaut verbracht hatte, brachte ihn der Lärm des Festes durcheinander, das am Fuß des Hügels stattfand, auf dem er stand.

23

Jehveld — Südlich von Jeremias’ Landung — Avonderre

»Frohe Sonnenwend, Bächlin.« Der stämmige Fischer grinste so breit, dass seine Zahnlücken sichtbar wurden, hörte aber nicht mit dem Netzknüpfen auf.

»Freut mich, dass es dir besser geht, Kail. Auch dir frohe Sonnenwend«, sagte er und sah dem Schnee zu, den der Wind peitschte, der auch das Wasser bei den Docks aufwühlte. Die Wärme des Ozeans hielt hier an der Spitze des Landungsstegs südlich des Ortes die Luft rein. Bächlin verknotete die letzten Seile miteinander und zog sich dann den Hut bis über die roten Ohren. »Willst du mir und Stark beim Einholen der Fallen helfen?«

Kail wischte sich mit dem Ärmel seines Kammgarnhemdes den Rotz von der roten Nasenspitze und trocknete dann seine gleichermaßen roten Augen.

»Die Hummer können noch einen Tag warten«, murmelte er mürrisch, als Stark, ein weiterer Hafengenosse, herbeikam und die Fangkörbe hinter sich herzog. »Braut sich ’n Sturm zusammen; man kann am Himmel erkennen, dass es ein echter Kracher wird.«

Stark spuckte ins Meer und schüttelte den Kopf.

»Ist schon zwei Tage seit dem Auslegen her«, sagte er mit einer Stimme, die von Wind und mangelndem Gebrauch kratzig war. Stark redete selten. Wenn Bächlin mit ihm und Kail draußen auf dem Meer war, vergaß er manchmal, dass Stark bei ihnen im Boot saß. »Und ’n ganzes Dorf wartet heut Abend darauf, sie zu verspeisen.«

»Er hat Recht«, sagte Bächlin zu Kail »Geh nach Hause und mach dir ’nen Grog. Wir holen die Körbe ein.«

»Ihr seid verrückt, wenn ihr jetzt rausfahrt; die Sonne ist schon fast untergegangen.« Kail steckte die Hände in die Ärmel, als wären sie ein Damenmuff. »Will die Feiertage nicht damit verbringen, eure Witwen zu trösten.«

Stark runzelte die Stirn und kletterte in das Boot.

»Geh wieder ins Bett«, sagte er. »Komm, Bächlin. Mein Abendessen wartet.«

Bächlin sah von Kail zu Stark und dann wieder zu Kail.

»Er hat Recht«, sagte er schließlich. »Ruh dich etwas aus. Stark und ich werden den Fang mit dir teilen. Du hast ja schließlich die Köder mit ausgelegt. Wir feiern morgen, dann können wir am nächsten Tag wieder ’nen schönen Fang einholen. Ich bring dir auf dem Heimweg ein paar Hummer für deinen Kessel vorbei.« Kail nickte düster. Bächlin entzündete die Laterne, die den Bug erhellte, und fuhr mit Stark hinaus.

Lange stand Kail da und beobachtete das tanzende Licht auf den Wellen, während seine Freunde die Fallen mit ihrem Fang leerten. Der Wind peitschte die See und stach in die Haut. Sand und Salz flogen ihm in die Augen. Als schließlich das Boot so weit draußen war, dass er es nicht mehr erkennen konnte, richtete er seine Aufmerksamkeit nach Norden auf die flackernden Kerzen, die in den Fenstern von Jeremias’ Landung brannten, und die Feuer, die den Dorfplatz als Vorzeichen der Sonnenwendfeier erhellten.

Fröhliche Musik drang auf dem eisigen Wind zu ihm. Gemeinsam mit ihr trieben Kails bittere Gedanken über den verlorenen Gewinn davon, und seine Laune besserte sich angesichts der bevorstehenden Feierlichkeiten. Er war noch zu weit entfernt, um den Duft der Kochtöpfe zu riechen, doch wenn er sich beeilte, konnte er früh genug dort sein, um jedes Gericht im Dorfwettbewerb einmal zu probieren. Außerdem gab es wie zu jeder Sonnenwende Brot, Bier und Gesang und das Versprechen weiterer fleischlicher Gelüste später in der Nacht, in warmen Bordellen oder kalten Stallungen. Die Erregung stieg ihm zusammen mit dem kühlen, salzigen Wind in die Nase und vertrieb seine Trübsal. Er nahm seine Laterne, entfernte sich von den Docks und schritt über die salzigen Marschdünen am Rande der Bucht, wo es in der Winternacht pechschwarz war.

Heute Nacht scheinen die Dünen höher zu sein, dachte er. Die schwachen Lichtstrahlen der fernen Kerzen verschwanden, als er in eine Senke trat. Er zog den Hutrand enger über den Kopf, um die Augen vor dem Wind zu schützen, und legte die Hände um seine verbeulte Laterne, damit der Wind sie nicht ausblies.

Vor ihm in der Dunkelheit schien sich der frostbleiche Boden zu heben und bald bis in den Himmel zu ragen. Nachtblind blieb Kail stehen. Seine Lunge war plötzlich voll und schwer, als ob die Erkältung, die er vor einigen Tagen gehabt hatte, zurückgekommen sei und ihm den Atem raube. Zitternd hielt er die Laterne hoch.

Die Düne vor ihm bewegte sich erneut. Sand und Marschgras regneten wie ein Wasserfall von ihr herab. Das schwache Licht seiner Lampe beschien etwas, das wie eine gigantische Statue wirkte. Es war ein primitiv aussehender Mann in einer Rüstung, beinahe doppelt so groß wie er; der Sand fiel in langen, dünnen Rinnsalen von ihm herab. Die blinden Augen schienen auf Kail gerichtet zu sein.

»Verdammt und zugenäht«, flüsterte er. »Was ist das?«

Die Statue im Sand regte sich nicht.

Kail schluckte schwer. Sein Hals brannte und war plötzlich vollkommen trocken. Sein Verstand war benebelt von Entsetzen, Krankheit und der Vorfreude auf die Lüste des Abends. Er konnte sich einfach nicht erklären, wie diese Statue an den Strand gespült worden war, ohne dass man etwas gehört hatte. Jeremias’ Landung war ein kleiner Ort, in dem die Familien seit vielen Generationen vom Meer lebten und ihre Fänge in den Städten der Umgebung verkauften. Alle waren voneinander abhängig. Jedes noch so unwichtige Ereignis wurde sofort von Hütte zu Hütte mitgeteilt. Kail begriff nicht, wie er diese Neuigkeit hatte überhören können.