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Er schüttelte den Kopf, wandte sich nach Norden und machte einen Schritt auf das Dorf zu.

Der Kopf der Statue bewegte sich im Einklang mit ihm.

Kail keuchte auf. Die Laterne in seiner Hand zitterte heftig.

Er hielt sie höher in den Wind. Es lag etwas Bösartiges in der Haltung der Statue, als ob der Künstler seinen ganzen brodelnden Zorn in sie hineingearbeitet hätte. Kail wusste nicht, wieso er auf diesen Gedanken kam, doch Anspannung und Wut waren deutlich spürbar. Er beugte sich vor und starrte der Gestalt in die Augen. Und prallte vor Entsetzen zurück, als diese Augen ihn ebenfalls anstarrten. Hinter milchigen Wirbeln glühten sie vor Hass.

Die Laterne fiel ihm aus der Hand, schlug in den Marschsand und erlosch. Schwärze schluckte Kail.

In dieser Schwärze spürte er, dass die titanische Gestalt vor ihm atmete.

Und sich bewegte.

Blind wirbelte Kail herum und schoss nach links. Wie von Dämonen gehetzt, rannte er auf die Lichter des Dorfes zu. Er war ein halbes Dutzend Schritte weit gekommen, als er mit einer Kraft, die ihm den Atem nahm, vom schlüpfrigen Boden in die Luft gehoben wurde.

Ein widerliches Knacken drang in seine Ohren. Benommen bemerkte Kail, dass sein Becken unter dem zerschmetternden Gewicht brach, das ihn zusammendrückte. Er versuchte zu schreien, aber keine Luft kam in seine Lunge. Er konnte nur den Mund schweigend und voller Entsetzen öffnen und schließen, während er weiter hochgehoben wurde, bis er nur noch um Haaresbreite von den schrecklichen Augen entfernt war, die ihn schwarz und mit einem milchigen Überzug aus der Dunkelheit anstarrten.

Kails Verstand, der nie der hellste der Welt gewesen war, löste sich von seinem Körper. Die Unwirklichkeit der Ereignisse war zu viel für ihn. Er kam zu dem Schluss, dass er sich noch im Griff des Fiebers befand, das ihn zusammen mit der Erkältung überfallen hatte.

Ich liege im Bett und habe Albträume, dachte er, als ihn der Titan auf den Rücken drehte und sich die Steinfinger in seinen Bauch gruben und an seinen Eingeweiden zerrten. Dann trafen ihn Schmerzen und Luftmangel gleichzeitig, und er erbebte. Es war die einzige körperliche Regung, zu der er noch fähig war.

Die Statue schlitzte ihm den Bauch auf, wühlte im Gedärm herum, zog dann die blutigen Finger aus dem Fleisch und drückte die Falten von Kails Gewand zur Seite. Sie ergriff die abgewetzte Scheibe, die Kail in seinem Hemd getragen hatte, und ließ den Fischer fallen, während sie die Schuppe gegen den Mond hielt, dessen Licht in Regenbogenfarben von den Rändern tropfte.

Als die Finsternis näher rückte, sah Kail noch einmal das riesige Wesen über ihm. Es hatte einen Ausdruck von beinahe mitleidiger Freude im grob behauenen Gesicht, während es den Fuß hob und ihm auf den Kopf trat. Sein Schädel platzte wie die Schale eines weichen Krebses.

Seine Überreste fanden am nächsten Morgen zuerst die Schneehühner und Möwen und dann Bächlin, der den Sand mit allen Flüssigkeiten befleckte, die sein Körper bei diesem Anblick von sich geben konnte.

Zum ersten Mal, seit sich sein umwölkter Verstand erinnern konnte, empfand Faron Freude.

Er war nicht länger eine formlose Kreatur innerhalb einer Statue, sondern spürte, wie die verschiedenen Teile seines Selbst zueinander fanden. Nun war er ein Mann, ein Titan aus lebendiger Erde und Feuer, der Sohn eines Dämons, gesegnet und geschlagen mit den Erinnerungen an uralte Schlachten und Eroberungszüge, die er nicht begriff.

Die grüne Schuppe summte in seiner Hand. Das Licht des Mondes tropfte von ihren Rändern wie Meerwasser über den Rand der Welt. Ehrerbietig drückte er seinen Schatz gegen das Gesicht und spürte wieder die Schwingung, die er so lange in sich vernommen hatte. Er hatte ihren Verlust betrauert und war immer schwächer geworden, doch nun kam die Geistesstärke zurück und entzündete sich in ihm. Er steckte die Schuppe zu den anderen drei und bildete einen schimmernden Fächer in seiner Steinhand. Die Wärme, die aus ihnen strömte, erfüllte ihn mit etwas wie Glückseligkeit.

Doch noch immer fehlte etwas.

Von fern hörte er das Brüllen des Meeres. Es war ein Geräusch, das große Angst in Faron hervorrief, seit sein Väter ihn aus der stillen Dunkelheit der höhlenartigen Tunnel genommen hatte, in denen er gelegen hatte, und mit ihm durch die Welt bis zu diesem Ort gesegelt war. Sein Vater hatte eine Frau gejagt – eine Frau, deren Haar er aufbewahrt und bei sich getragen hatte; es war durch ein verrottendes Band zusammengehalten gewesen. Faron hatte sie mithilfe der Schuppen gesucht und gefunden. Sie waren zu diesem neuen, erschreckenden Land gekommen. Sein Vater war hier gestorben und ihr Schiff im Ozean versunken.

Er starrte nun auf diesen Ozean und krümmte sich unter dessen Gewalt. Langsam ging er zum Strand, wo die schäumenden Wellen über den Sand stürmten. Mit der glitzernden grünen Schuppe stand er da, bis die Wellen seine bloßen Steinfüße berührten. Das Gefühl bereitete ihm Übelkeit und erfüllte ihn mit Angst.

Er wich zurück zum trockenen Land, wo er wieder die Wärme der Erde spürte.

Nun, da sein Schatz zu ihm zurückgekehrt war, drehte er sich im Dunkel der Nacht langsam um und ging fort von der stampfenden See. Den Lärm, der aus dem Dorf und von der Sonnenwendfeier zu ihm drang, ließ er hinter sich.

24

Das Abschlussbankett des Winterkarnevals begann fröhlich und endete noch fröhlicher.

Nach den letzten Rennen, der Vergabe der letzten Preise und der Schlussrunde des Choralsingens, das so große Begeisterung ausgelöst hatte, dass die weißen Felder von Navarne von den Liedern widerhallten, hatten sich das cymrische Herrscherpaar, die beiden Navarne-Kinder, Anborn und die Hausbediensteten müde zu einem späten Abendessen niedergesetzt. Sie besprachen die Ereignisse und kamen zu dem Ergebnis, dass das Fest ein Erfolg gewesen war.

»Zwei Betrunkene, die in eine Schlägerei verwickelt waren, aber ansonsten ein sehr friedliches Fest, möchte ich sagen«, meinte Ashe und fuhr mit dem Daumen über die Hand seiner Frau. Rhapsody lächelte und stimmte ihm zu. »Und Navarne hat nun einen neuen Herzog, der für Roland am Konzil teilnehmen kann, was gut für die Provinz ist. Ich glaube, wir dürfen bei aller Vorsicht diesen Karneval als Erfolg bezeichnen.« Gerald Owen, der letzte der Diener, der den Tisch verließ, lächelte müde und nickte. Er sammelte die Teller ein und zog sich aus dem Zimmer zurück, gefolgt von Melisande, die sich auf den Weg ins Bett machte.

Anborn rülpste vernehmlich und erstickte damit alle anderen Geräusche im Raum.

»In der Tat. Jedes Fest, bei dem niemand von Bedeutung umgebracht wird, kann man ein gutes Fest nennen«, sagte er. »Ich möchte der Herrscherin meinen Dank für ihre Gastfreundschaft aussprechen und ankündigen, dass ich bald abreisen werde.« Die Tischgenossen nickten zustimmend. Eine solche Ankündigung kam nie unerwartet, denn Anborn blieb an keinem Ort lange.

»Diesmal möchte ich jedoch eine Einladung an den neuen Herzog von Navarne aussprechen, mich bei meiner Reise zu begleiten.«

»Wohin gehst du?«, fragte Ashe und nahm einen Schluck gewürzten Cidre.

Der Marschall wartete mit der Antwort, bis sich die Tür hinter Gerald Owen geschlossen hatte.

»Nach Sorbold. Ich mache mir Sorgen über einige Dinge, die der Wind mir von dort berichtet hat. Ich nehme an, sie sind eine Untersuchung wert.«

Ashe nickte zustimmend. »Ich bin mir sicher, dass alle Informationen, die du dort erhältst, wertvoll sind, Onkel. Ich mache mir schon seit einiger Zeit Sorgen über die Berichte des dortigen Schiffshandels. Wir beobachten die Handlungen des neuen Herrschers seit seiner Erwählung durch die Waage, doch bisher scheint er angemessen und vernünftig zu regieren. Einige Leute, denen ich vertraue, haben jedoch Zweifel über ihn geäußert, sodass alles, was du herausfindest, für uns wertvoll ist.«