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O heiliger Vater des Universums, Herr des Lebens, erhöre mein Gebet, denn ich fürchte um diese Welt. Er neigte den Kopf und zwang sich, ruhig zu bleiben.

Die Stille in der Basilika, die nur durch den gelegentlichen Widerhall von Schritten und Geflüster durchbrochen wurde, legte sich ihm auf die Schultern, aber keine Worte drangen in seinen Geist. Nach beinahe einer Stunde Meditation hob Lasarys den Kopf und schaute die beiden Hilfspriester an.

Dominikus war noch im Gebet versunken; er hatte die Hände vor die Augen gelegt. Lester starrte blicklos den Altar an; auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck stiller Panik.

»Irgendetwas?«, fragte er sie leise.

Die beiden Priester in der Ausbildung schüttelten den Kopf.

Lasarys seufzte. Er erhob sich steif und spürte sein Alter in Knochen und Gelenken.

»Also gut, meine Kinder. Wir sollten diesen Ort verlassen und uns in der Stadt umsehen. Vielleicht finden wir jemand aus unserem Orden, bei dem wir Verpflegung erhalten können. Aber nennt niemandem euren Namen, damit er nicht den Weg zurück zu Talquist findet.«

Die Diener nickten erneut und folgten dem Hauptpriester aus der Basilika.

Als sie in die blendende Wintersonne traten, stach ihnen ein noch hellerer Lichtblitz in die Augen. Er kam von einer Speerspitze, die um Haaresbreite vor Lasarys’ Gesicht zum Stillstand kam.

»Bist du der Hauptpriester von Terreanfor?«, wollte der Wächter wissen. »Hast du diese Stadt unter falschen Angaben betreten?«

Lasarys, der schon immer ein scheuer Bücherwurm gewesen war, sah dem Mann ins Auge und nickte leicht.

»Kommt mit«, sagte der Wächter barsch.

Als sich vier weitere Wächter um sie gesellten, funkelten die Augen der Priester, aber sie sagten nichts. Sie neigten die Köpfe unter den Kapuzen ihrer Umhänge und folgten dem Anführer fort von der Basilika.

Als sich die Erde unter dem herannahenden Winter verhärtete, verhärtete sich in ähnlicher Weise auch Farons Wille.

Jeder neue Tag trieb ihn weiter hinaus auf die frostüberzogenen Felder und durch den jungfräulichen Schnee des inneren Kontinents. Sein einfacher Verstand hatte die Notwendigkeit begriffen, sich zu verstecken und in bevölkerten Gegenden nicht gesehen zu werden, doch jetzt, als er das Land südöstlich von Navarne durchstreifte, in dem es kaum etwas anderes als weite Felder, endlose Straßen und Wälder gab, verlor er seine Angst, gesehen zu werden, und wurde kühn, ja beinahe unbesonnen.

Die Kälte der Erde gefiel ihm nicht; er fühlte sich wie ein Kind, das vom Schoß der Mutter heruntergeschoben worden war. Er spürte noch den Herzschlag der Erde und ihre Wärme unter dem dicken Schneetuch, doch das Gefühl der Geborgenheit, das er aus dem Boden unter seinen Steinfüßen im Herzen des Wüstensandes gezogen hatte, war abhanden gekommen und durch wachsende Wut und Unruhe ersetzt worden.

Und durch Hass.

Er musste weder schlafen noch essen; die Erde nährte ihn durch das Lebendige Gestein, aus dem sein Körper bestand. Die ganze Zeit hindurch buk das dunkle Feuer, das Erbe seines dämonischen Vaters, das Innerste seines Selbst, trocknete den Stein aus, machte ihn hart wie die frostige Erde.

Wie seinen Willen.

Unter der Kruste derselben kalten Erde hörte die Drachin, wie sich das Echo ihres Namens veränderte. Aaaaaannnnnnnwwwyyyyyyyyyyyyyyynnnnnnn.Til

In der Dunkelheit öffnete die Bestie die Augen weit. Der Klang, dem sie seit so langer Zeit folgte, drang durch alle Erdschichten und tönte nun klar und hoch über ihr. Offensichtlich befand sie sich nun genau unter dem Ort, wo ihr Name ausgesprochen worden war.

Er schwang wellenartig, als ob sie ihn durch Wasser hörte. Die Bestie sammelte sich und entschied nach einem Augenblick, dass sie tatsächlich ein wässeriges Echo aus einem von einer Quelle gespeisten, dunklen und kalten See über ihr empfing. Trotz aller Verzerrungen war eine Klarheit in ihm, die man nicht leugnen konnte. Ihr Herz raste vor Erregung, die durch grausame Rachegefühle verdunkelt wurde.

Mit aller Kraft ihrer titanischen Muskeln bohrte sich die Bestie durch die Gesteinsschichten, kroch mit ungeheurer Stärke voran, gewann an Geschwindigkeit, an Wut und kam der Oberfläche immer näher.

Und der bevorstehenden, lieblichen Zerstörung.

28

Immernur — Neutrale Zone

Unter dem Ruf des Hauptfahrers hielt die königliche Karawane langsam an.

Gwydion Navarne wartete, bis sein Wagen stand, zog den schweren Vorhang zur Seite und schaute hinaus. Salzgischt sprühte in den Wagen und trieb Eiskristalle herbei, die auf der Haut stachen. Er ließ den Vorhang wieder sinken und blickte den Marschall fragend an, der unbequem ihm gegenüber auf der samtbezogenen Bank saß.

Der Staatsbesuch in Tyrian, dem lirinischen Waldreich, dessen Titularkönigin Rhapsody war, war recht gut verlaufen. Anborn war größtenteils außer Sichtweite geblieben, denn die Lirin hegten aus der Zeit des cymrischen Krieges noch einen Groll gegen ihn, den sie auf Drängen der Herrscherin erst allmählich überwanden. Deswegen hatte Gwydion seinen ersten offiziellen Staatsbesuch ganz allein unter der Führung von Rial durchstehen müssen, dem Vizekönig Rhapsodys. Beeindruckt war er durch die Waldstraßen der Stadt Tyrian geschritten, die tief innerhalb des Forstes lag, und hatte die Verteidigungsanlagen und erhöhten Wege betrachtet, die von den Baumkronen herabhingen. Er hatte ein Staunen verspürt, das er lange nicht mehr empfunden hatte, als er den Verkehr beobachtet hatte, in dem die Menschen und Waldtiere friedlich dieselben Straßen nahmen. Sein Vater hatte die Lirin immer sehr gemocht und freundschaftliche Beziehungen zu ihnen unterhalten. Gwydion hatte es gut getan zu wissen, dass diese Zuneigung durch das lirinische Volk erwidert wurde. Die schlanken, dunkeläugigen Waldbewohner hatten ihre Häuser und Verteidigungsanlagen sowie ihre Paläste und Wintergärten für ihn geöffnet, als sie ihn gebührend begrüßt hatten.

Der Abschied war ihm schwer gefallen, aber sobald seine offiziellen Pflichten erledigt und seine Reise abgeschlossen waren, hatte er Rial und den lirinischen Würdenträgern Lebewohl gesagt und ihnen auf Anborns Anraten mitgeteilt, seine nächsten Ziele seien Minsyth und Immernur in dem von keinem Land beanspruchten Gebiet, das allgemein als Neutrale Zone bekannt war. Er hatte die Staatsgeschenke freudig in Empfang genommen und sich mit ausgezeichnetem canderianischem Branntwein und Kristall aus seiner eigenen Provinz bedankt, wozu Rhapsody ihm geraten hatte, und dann den Marschall abgeholt, damit sie dorthin aufbrechen konnten, wo seiner Meinung nach die wahren Ziele der Reise lagen. Es folgten zwölf Reisetage, der größte Teil davon in Schweigen verbracht, während Anborn aus dem Wagenfenster schaute und alles mit seinen azurblauen Augen in sich aufnahm, die viel von der blutigen Geschichte dieses Landes gesehen hatten. Gwydion respektierte das Schweigen.

»Sind wir jetzt endlich in Immernur?«, fragte er schließlich unsicher.

Anborn nickte knapp.

Gwydion zog den Vorhang wieder zurück, vorsichtiger diesmal.

In der Ferne brandete das Meer gegen das windgepeitschte Ufer und schlug mit eisigen Brechern gegen schwimmende Docks. Er sah etwa ein Dutzend Schiffe unterschiedlicher Größen, viele von ihnen meeresmüde und alt und an einem Pier festgemacht, der aus genauso altem, dunklem Holz bestand. Von den Docks führte ein holperiger Weg zu einem kleinen Hafenort, dessen Häuser und Läden aus Holz und Ziegel schon bessere Tage gesehen hatten.

Nach unangenehm langem Schweigen hüstelte Gwydion höflich.

»Äh, Marschall, warum sind wir hier? Ich hatte geglaubt, Ihr wollt Euch auf Sorbold konzentrieren.«

Anborn richtete seinen durchdringenden Blick auf Gwydion.

»Wir sind hier, weil Immernur berühmt für seine Bordelle ist«, sagte er. »Das ist ein wichtiger Teil der Erziehung eines jeden jungen Mannes.«

Schweißperlen traten auf Gwydions Stirn.

»Ich ... ich wusste nicht, dass das Euer Ziel ist«, stammelte er nervös. »Gibt es so etwas nicht auch in Roland?«