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»In der Tat«, antwortete Anborn matt und schaute wieder aus dem Fenster. »Wenn ich mit deiner Unterrichtung fertig bin, kennst du jedes Hurenhaus von hier bis zum mittleren Kontinent.« Er bemerkte das bleiche Gesicht des jungen Herzogs und blinzelte erstaunt. »Nicht als Kunde, du junger Narr, obwohl nichts dagegen einzuwenden wäre, sobald du etwas älter bist. Bordelle sind ausgezeichnete Orte der Informationen und des Schutzes. Ich habe mich in meinem Leben öfter in Bordellen als in Bunkern versteckt.«

»Warum also sind wir hier? Sucht Ihr in den Bordellen von Immernur nach Informationen über Sorbold?«

Anborn blickte finster drein, zog den Vorhang zurück und rief dem Hauptmann der berittenen Ehrengarde zu:

»Roust! Bring zwei reiterlose Pferde her. Der junge Herzog und ich möchten auf eigene Faust Weiterreisen. Sobald wir weg sind, dürft ihr schichtweise den Hafen besuchen.« Der Hauptmann drehte die Augen nach oben, doch dann schlich sich ein Grinsen in sein Gesicht.

»Ja, Herr.«

Anborn zwang sich zu einem Lächeln. »Haltet euren Dolch bloß nicht in verdächtiges Lampenöl«, sagte er fröhlich. »Alle Legenden, die ihr über die Bordelle von Immernur gehört hat, sind wahr. Am besten reibt ihr euch danach mit Harz ab, ansonsten werdet ihr dieselben Läuse wie alle Seeleute bekommen, die auf dem weiten Meer unterwegs sind. Verstanden?«

»Ja, Herr.«

»Gut. Wir werden in etwa einer Woche zurück sein.«

Anborn zog den Vorhang wieder vor das Fenster. Er griff unter seinen Sitz und zerrte ein Bündel Kleider hervor, das er Gwydion zuwarf.

»Wir sollten unter den besseren Bürgern von Immernur nicht allzu sehr auffallen«, erklärte er und deutete auf das Wappen an Gwydions Brust. »Man stelle sich den Skandal vor.« Er griff um seine nutzlosen Beine, holte ein weiteres Bündel hervor und kleidete sich ebenfalls um.

Nach kurzer Zeit waren zwei Pferde gesattelt und ausgerüstet. Gwydion sah zu, wie die Gardisten Anborn beim Aufsteigen auf das eine Tier halfen, dann kletterte er unsicher auf das andere. Anborn zerrte an den Zügeln und ritt auf die Hafenstadt zu. Gwydion folgte ihm. Er hatte keine Ahnung, was sie beim Absteigen erwarten mochte.

Sobald sie den Berg in Richtung Immernur überquert hatten, warf Anborn einen Blick zurück über die Schulter; dann wandte er sich nach Osten und ritt einen Handelspfad entlang. Gwydion kämpfte darum, nicht abgehängt zu werden.

»Wir ... wir reiten nicht nach ... Immernur?«, keuchte er, während er sein Reittier in dem nutzlosen Versuch antrieb, Anborn einzuholen.

»Tut mir Leid, wenn ich deine Lenden in die Irre geführt habe. Nein, wir sind nach Ghant unterwegs«, rief Anborn zurück. »Wenn sie glauben, dass wir bei den Huren sind, breiten sie den Mantel des Schweigens über unsere Abwesenheit.«

»Aha«, meinte Gwydion. Seine Stimme signalisierte Enttäuschung, aber in Wirklichkeit war seine Erleichterung gewaltig. Die Aussicht auf gewisse Lektionen in einer Hurenstadt am Meer hatte seinen Magen in Brei verwandelt, besonders im Hinblick auf Anborns Ruf als Hurenbock und auf einige seiner Neigungen.

An der windumtosten Küste ritten sie schweigend nach Osten, durch frostgebleichtes Gras und über steinige Pfade, die von langem Nichtgebrauch beinahe zugewachsen waren. Die meisten Seehandelsschiffe der Neutralen Zone gingen in dem westlich gelegenen Minsyth vor Anker, denn Tyrian war für sie ein angenehmerer Nachbar, als es Sorbold für Immernur war.

Anborns Behinderung setzte den einzelnen Reiseabschnitten enge Grenzen, doch Gwydion war jedes Mal froh, wenn der cymrische Held eine Pause ankündigte. Gwydion stellte fest, dass er wund geritten war, als er Anborn aus dem Sattel half. Nach einigen Ruhestunden bei einem hastig errichteten Lagerfeuer und einer weiteren Stunde Unterricht im Gebrauch Tysterisks saßen sie wieder auf und ritten weiter. Sie wollten die Grenze ungesehen überqueren.

Jedes Mal, wenn Gwydion die beinahe unsichtbare Klinge aus der Scheide zog, spürte er, wie der Wind um ihn erstarb, als ob sogar die Luft auf seinen Befehl lauschte. Anborn schien sein Unbehagen zu spüren, beachtete es aber nicht. Schon zu Beginn der Ausbildung hatte er dem jungen Herzog die Augen verbunden, damit dieser die Schwere der Waffe spüren konnte und nicht von der scheinbaren Abwesenheit der Klinge getäuscht wurde. Gwydion spürte, wie seine Angst Tag für Tag wich. Achmeds Worte hallten ihm im Kopf wider, und Anborns Ermahnungen klangen ihm in den Ohren:

Bedenke, dass du die Waffe führst. Lass nicht zu, dass sie dich führt.

Sorbold war eine Nation von gewaltiger Ausdehnung, ihre Grenzen waren lang und nur teilweise bewacht, obwohl Anborn mehr als einmal bemerkte, die Anzahl der Truppen und Vorposten sei seit dem Tod der Kaiserinwitwe wesentlich erhöht worden. Als sie schließlich an die Grenze kamen, benötigten sie fast einen ganzen Tag, bis sie eine Stelle gefunden hatten, wo zwei Reiter unbemerkt passieren konnten.

Als sich Anborn in jener Nacht vergewissert hatte, dass sie außer Sichtweite der Patrouillen waren, schlugen sie ihr Lager im Windschatten einer alten Taverne auf, die früher einmal eine Station auf der transsorboldischen Straße gewesen war. Anborn hielt ein Feuer für unklug; also deckten die beiden Männer die Pferde zu und setzten sich mit ihren verbliebenen Decken zwischen die Tiere, damit sie deren Körperwärme für sich nutzen konnten.

In der mondhellen Dunkelheit zog sich Gwydion die Handschuhe enger um die Finger und beobachtete eingehend den Mann, den er mehr als alle anderen verehrte – mit Ausnahme seines Paten. In Gwydions Gegenwart war Anborn im Allgemeinen recht fröhlich, doch heute Abend wirkte er melancholisch, als er die grobe Pferdedecke glatt strich, unter der sie beide hockten.

»Sie hat Dorndreher gehört«, murmelte der Marschall, während er mit der schwieligen Hand über sie strich. Gwydion schwieg. Dorndreher war einer der Soldaten gewesen, dem Anborn vertraut hatte; vielleicht war er sogar der beste Freund des Marschalls gewesen. Im Gegensatz zu ihm war Dorndreher ein uralter Cymrer der Ersten Generation gewesen, ein mürrischer, knorriger Mann, den Gwydion nur schwer hatte verstehen können. Er wartete ab, ob der General ihm noch mehr erzählen wollte; er würde dies nur tun, wenn er nicht dazu aufgefordert wurde. Gwydions Geduld wurde einen Augenblick später belohnt.

Anborn schaute durch die löcherige Decke der Taverne und suchte den klaren, kalten Himmel nach Sternen ab.

»Das ewige Leben ist der ewigen Jugend nicht ganz unähnlich«, sagte er schließlich. »Als Dorndreher die Insel verließ, war er schon ein recht alter Mann. Welches verfluchte Wesen auch immer den Cymrern die verlängerte Lebenszeit verliehen hat, muss einen kranken Sinn für Humor gehabt haben, weil es so viele zu langem Alter verdammt hat.«

Gwydion nickte und schwieg weiter. Der General hatte nicht mehr über Dorndreher gesprochen, seit dieser vor einigen Monaten in einem Hinterhalt getötet und Rhapsody dabei entführt worden war.

Anborns Augen leuchteten in der Dunkelheit. »Ich habe ihm immer erlaubt, Feuer zu machen, weil ihm oft so kalt war. Seeleute ...«, schnaubte er mürrisch, aber mit einem Unterton der Belustigung. »Dürre, drahtige Seeratten, die einem Sturm trotzen können, der ihnen die Haut von den Knochen fegt, und einer Kälte, gegen die dieser ungemütliche Ort ein tropisches Paradies ist, so lange sie sich auf ihrem verdammten Wasser befinden. Wenn man sie aber an Land bringt, bibbern sie wie die Kinder.«

Gwydion kicherte verstohlen. »Euer Bruder Llauron war doch auch für eine Weile Seemann, nicht wahr? Er schien sich an Land recht wohl zu fühlen, sogar wenn es kalt war.« Er versuchte die Erinnerungen auszublenden, die sich bei seinen eigenen Worten erhoben: Das Bild des Fürbitters auf dem blutigen Winterkarneval, wie er bei dem Angriff inmitten des Winterwindes stand und den Wölfen gebot, sich aus dem Schnee zu erheben und die Reittiere der Feinde zu zerfleischen.

Anborn kniff die Augen zusammen. »Llauron hatte schon immer mehr von einem Drachen an sich als Edwyn oder ich. Die Vielfalt der Elementargaben kommt ihm zupass, auch wenn sie all jene verletzt, die um ihn herum sind, besonders meinen nichtsnutzigen Neffen, deinen Paten. Es ist gut, dass er seine menschliche Gestalt aufgegeben hat und als Drache mit seinen Elementen Zwiesprache hält. Soll er auf ewig zufrieden im Äther bleiben!«