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»Hat sie dich auch mit Schwester Canair bekanntgemacht?«

»Das tat Muirgel. Warum?«

»Ich möchte nur wissen, wie du in diese Pilgergruppe gekommen bist.«

»Das habe ich dir schon gesagt.«

»Dann sag’s mir noch mal.«

»Ich kam dazu, weil ich von Mormohec gehört hatte, dem Heiler am Schrein des heiligen Jakobus.«

»Das hast du erwähnt. Deshalb hast du also Schwester Canair überredet, dich auf die Pilgerfahrt mitzunehmen, die sie organisiert hatte?«

»Von organisiert kann man kaum reden. Dieser Truppe fehlt Disziplin.«

»Es sind Pilger, Cian, keine Soldaten. Eins ist mir ein Rätsel. Wenn Schwester Canair die Organisatorin war, weshalb kam sie nicht an Bord, als das Schiff auslief?«

»Das kann ich dir nicht sagen. Manche Leute kommen immer zu spät. Gibt es nicht ein altes Sprichwort, daß den Letzten die Hunde beißen? Die Letzte auch. Vielleicht dachte sie, daß die Gezeiten und der Wind auf sie warten.«

»Willst du damit sagen, daß Schwester Canair als unpünktlich bekannt war?«

»Das will ich nicht. Die Bemerkung sollte nur eine mögliche Erklärung für ihr Ausbleiben geben.«

»Trotzdem ist es eigenartig, daß die Leiterin der Gruppe nicht einmal das Schiff erreichte, nachdem sie die Schar den ganzen Weg von Ulaidh nach dem Süden von Muman geführt hatte.«

»Das Leben besteht aus eigenartigen Zufällen.«

»Wie zum Beispiel das vorzeitige Ableben von Schwester Muirgel?« ergänzte Fidelma ruhig.

»Das sehe ich nicht als eigenartig an. Schwester Muirgel war eine sehr starrköpfige Frau. Wenn sie sich zu irgend etwas entschlossen hatte, konnte nichts sie davon abbringen. So war es auch, als sie sich entschied, diese Fahrt mitzumachen.«

»Woher weißt du, daß jemand sie veranlassen wollte, ihre Absicht zu ändern?« Seine Anspielung interessierte Fidelma.

»Nachdem ich ihr davon erzählt und gesagt hatte, daß ich mich Schwester Canairs Gruppe anschließen wollte«, erwiderte Cian unbeeindruckt, »ging Schwester Muirgel sofort zu Schwester Canair und überredete sie, zwei andere Schwestern, die sie schon angenommen hatte, zurückzuweisen, damit Muirgel und Crella ihre Plätze einnehmen konnten. Schwester Mu-irgel besaß großen Einfluß auf andere.«

Fidelma überlegte.

»Du scheinst anzudeuten, daß Schwester Muirgel sich erst dazu entschloß, auf diese Pilgerfahrt zu gehen, als sie wußte, daß du auch daran teilnimmst.«

Cian schüttelte den Kopf.

»Das würde ich nicht sagen.«

»Ich habe jetzt den Eindruck, daß Schwester Muirgel größeren Einfluß auf die Zusammensetzung der Pilgergruppe hatte als Schwester Canair.«

»Die Reise wurde über Wochen vorbereitet. Ich vermute, daß Schwester Muirgel tatsächlich versuchte, Schwester Canair die Leitung abzunehmen. Darin wurde sie von Schwester Crella unterstützt, die ihr in allem folgte. Doch Schwester Canair war auch eine starke Persönlichkeit. Sie war den Befehlen unserer verlorenen Freundin mehr als gewachsen.«

»Du scheinst Schwester Muirgels Schwächen gut zu kennen.«

»Man lernt so manches, wenn ...« Cian suchte nach dem richtigen Ausdruck. »Wenn man mit Leuten reist. Man erkennt ihre Schwächen.«

»Du sagtest, du fändest ihren Tod nicht eigenartig wegen ihrer Starrköpfigkeit?«

»Damit meinte ich, daß sie querköpfig genug war, an Deck zu gehen trotz aller Ratschläge von anderen. Hatte sie sich etwas in den Kopf gesetzt, dann tat sie es auch.«

Fidelma horchte auf.

»Hat ihr jemand geraten, bei dem Sturm nicht an Deck zu gehen?« fragte sie rasch.

Cian schüttelte den Kopf.

»Ich habe das nur als Beispiel erwähnt. So war sie eben. Nun habe ich dir alles gesagt, was ich darüber weiß.«

Cian wandte sich ab, doch Fidelma hielt ihn zurück.

»Noch eins .«

Erwartungsvoll drehte er sich um.

»Ich möchte mehr darüber hören, unter welchen Umständen die Gruppe sich von Schwester Canair trennte. Ich verstehe immer noch nicht, wie sie die Abfahrt verpassen konnte und warum sie nicht mit den anderen an Bord kam.«

Cian sah sie einen Moment unsicher an.

»Warum interessierst du dich so für Schwester Ca-nair, wenn du nachforschst, wie Schwester Muirgel über Bord gehen konnte?« fragte er zurück.

»Schreib es meiner natürlichen Neugierde zu, Cian. Du weißt sicher noch, daß ich in jüngeren Jahren nicht neugierig war, bis mir beigebracht wurde, daß ich mich lieber für die Gründe und Motive des Verhaltens der Menschen interessieren sollte.«

Ein aggressiver Ausdruck trat auf Cians Gesicht, verschwand aber sofort wieder.

»Soweit ich mich erinnere, trennten wir uns von Schwester Canair bereits, bevor wir Ardmore erreicht hatten«, sagte er.

»Und warum?«

»Wir wollten die Nacht in der Abtei des heiligen Declan verbringen, aber Schwester Canair verließ die Gruppe etwa eine Meile vor der Abtei.«

»Weshalb verließ sie euch?«

»Sie erklärte uns, sie wolle sich mit einer Freundin oder Verwandten treffen, die in dieser Gegend wohnte. Sie versprach, in der Abtei wieder zu uns zu stoßen, in der wir übernachteten, doch sie kam nicht, und als sie zur angesetzten Abfahrtszeit des Schiffes auch nicht am Kai erschien, übernahm Schwester Muirgel die Leitung. Damit hatte sie endlich erreicht, was sie wollte - die Führung der Gruppe.«

»Diese Führung hat nicht lange gedauert«, meinte Fidelma trocken. »Zwei eurer Führerinnen haben diese Stellung nicht lange genossen. Bist du sicher, daß du sie immer noch anstrebst?« Ein spöttisches Lächeln umspielte ihren Mund.

Cian Gesicht spannte sich.

»Ich weiß nicht, was du meinst.«

Fidelmas Lächeln wurde breiter.

»Das war nur eine Randbemerkung. Hab Dank für deine Zeit und deine Antworten.«

Wieder wandte sich Cian ab und zögerte dann. Mit einer seltsam hilflosen Geste hob er den gesunden Arm.

»Fidelma, wir sollten nicht Feinde sein. Diese Bitterkeit .«

Sie schaute ihn verächtlich an.

»Ich habe dir schon einmal gesagt, Cian, daß wir nicht Feinde sind. Feindschaft würde bedeuten, daß es noch Gefühle zwischen uns gäbe. Es gibt nichts mehr zwischen uns. Nicht einmal Bitterkeit.«

Schon als sie es aussprach, wußte Fidelma, daß sie log. Ihre gegenwärtige Verachtung für Cian bedeutete, daß es doch noch ein Gefühl gab - und das gefiel ihr gar nicht. Wenn sie wirklich das Leid, das er ihr zugefügt hatte, überwunden hätte, dann würde sie tatsächlich nichts mehr empfinden. Das beunruhigte sie mehr, als sie sich selbst eingestehen wollte.

Kapitel 11

Als nächstes, beschloß Fidelma, sollte sie mit dem bre-tonischen Steuermann Gurvan reden, der das Schiff gründlich abgesucht hatte. Sie fragte Murchad, wo er zu finden sei, und der Kapitän antwortete, er sei unten und kalfatere. Sie wußte zwar nicht, was das heißt, doch Murchad winkte Wenbrit heran und befahl ihm, Fidelma zu Gurvans Arbeitsplatz zu führen.

Gurvan befand sich im vorderen Teil des Schiffes, wo offensichtlich Vorräte aufbewahrt wurden. Dieser Teil lag noch weiter vorn als der Raum, in dem die Matrosen der »Ringelgans« ihre Hängematten an den Decksbalken befestigten, so daß sie mit den Bewegungen des Schiffes hin und her schwangen. Einige von ihnen schliefen gerade darin, erschöpft von den Anstrengungen der durchwachten Sturmnacht. Wenbrit schlängelte sich zwischen ihnen hindurch und leuchtete ihr bis zu einer Kajüte, die mit Kisten und Fässern angefüllt war.

Gurvan hatte ein paar Kisten beiseite geschoben, um an die Schiffswand zu kommen. Auf den Kisten stand eine Laterne, und er hatte einen Eimer mit etwas, was wie Schlamm aussah, vor sich und schmierte die Masse zwischen die Planken. Wenbrit verließ sie, nachdem sie ihm versichert hatte, daß sie den Rückweg zum Hauptdeck finden werde.