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»Dann ist also die Aufregung für den Augenblick vorbei?«

Murchad grinste.

»Die Aufregung ist vorbei«, bestätigte er. »Bis zum Tagesanbruch!«

Kapitel 13

Nach der Abendmahlzeit beschloß Fidelma, ihre Befragungen zu vervollständigen. Sie suchte die Brüder Dathal und Adamrae in ihrer Kajüte auf. Wie die anderen Kajüten unter Deck war diese dumpf und stickig, und die Laterne darin gab sowohl Hitze wie Licht ab. Nach der kühlen Brise an Deck wirkte es bedrückend hier.

»Was willst du von uns, Schwester?« fragte Bruder Adamrae schroff, als sie nach der kurzen Antwort auf ihr Klopfen eintrat.

»Nur wenig, bloß die Antwort auf ein paar Fragen«, antwortete sie höflich.

»Wahrscheinlich handelt es sich um Schwester Mu-irgel«, murmelte Bruder Dathal. »Ich hörte von Schwester Crella, daß du dem nachgehst.«

Bruder Adamrae schaute sie mißgünstig an.

»Woher nimmst du das Recht, Fragen zu stellen?«

Fidelma blieb gelassen.

»Der Kapitän hat mich darum ersucht«, erwiderte sie. »Ich bin ...«

»Ich weiß, du bist Anwältin«, fauchte Bruder Adamrae. »Uns geht das alles nichts an. Wir kommen nicht aus derselben Abtei. Also stell deine Fragen und geh.«

Bruder Dathal blickte sie entschuldigend an.

»Adamrae meint, unsere Zeit ist kostbar für uns. Wir sind wissenschaftlich beschäftigt, weißt du, wir übersetzen etwas.«

»Zeit ist kostbar für jeden«, stimmte Fidelma ernst zu. »Besonders kostbar ist sie für jemand, dessen Zeit abgelaufen ist - wie für Schwester Muirgel.«

Sie nahm das Pergamentblatt auf, das vor Bruder Dathal auf dem Tisch lag. Es war in der alten Ogham-Schrift beschrieben, der ältesten Schrift der Sprache von Eireann.

»Ceathracha is cheithre chead ...« Sie begann den Text zu lesen.

Bruder Dathal war überrascht.

»Kannst du die alte Ogham-Schrift lesen?«

Sie verzog das Gesicht.

»Hat nicht der heidnische Gott Ogma, der Gott der Schriftkunde und der Gelehrsamkeit in Urzeiten, die Kenntnis solcher Buchstaben zuerst den Leuten von Muman gegeben?« konterte sie. »Wer ist denn in der Lage, die alte Schrift zu entziffern, wenn nicht eine Frau aus Muman?«

Bruder Adamrae machte ein finsteres Gesicht.

»Jeder kann vielleicht die Buchstaben aussprechen, aber was bedeutet der Text? Entziffere die Worte, wenn du so klug bist.«

Fidelma sah sich die alten Sätze genauer an. Sie besaßen deutlich eine Versform.

»Vierzig und vierhundert Jahre, das ist nicht gelogen, Vom Auszug des Volkes Gottes, Das versichere ich euch, Über die Oberfläche des Meeres von Romhar, Bis sie über das Meer von Meann eilten, So kamen die Söhne Miles in das Land Eireann.«

Dathal und Adamrae staunten, wie mühelos sie das alte Epos las.

Dann brummte Bruder Adamrae mürrisch, als wolle er ihre Leistung herabsetzen: »Die alte Sprache der Texte kennst du also, aber verstehst du sie auch? Wo zum Beispiel liegt das Meer von Romhar? Und wo ist das Meer von Meann?«

»Das ist leicht zu beantworten«, erklärte Fidelma. »Romhar heißt heute Rua Mhuir, das Rote Meer, und Meann ist offensichtlich ein alter Name des Mittelmeers.«

Bruder Dathal lächelte über die Niederlage seines Gefährten.

»Sehr gut, Schwester. Wirklich ausgezeichnet«, lobte er.

Schließlich gab auch Bruder Adamrae nach und rang sich sogar ein Lächeln ab.

»Nicht jeder kennt die Geheimnisse der alten Texte«, sagte er. »Wir bemühen uns, sie zu entschlüsseln, Schwester.«

»So wie ich mich bemühe, der Wahrheit im Gesetz nachzuspüren«, antwortete Fidelma. »Wie ihr wißt,

hat mich der Kapitän gebeten, einen Bericht zu verfassen, weil er nach dem Gesetz zum Schadenersatz verurteilt werden kann, wenn ihm Fahrlässigkeit nachzuweisen ist.«

»Das verstehen wir. Was möchtest du von uns erfahren?« fragte Bruder Dathal.

»Erstens, wann habt ihr Schwester Muirgel zuletzt gesehen?«

Bruder Dathal schaute seinen Gefährten hilflos an. Er zuckte die Achseln.

»Das weiß ich nicht mehr.«

Bruder Adamrae meinte: »War es nicht, als wir an Bord gingen?«

Bruder Dathal überlegte einen Moment.

»Ich glaube, du hast recht. Sie teilte uns die Kajüten zu. Danach ist sie uns nicht mehr begegnet. Es hieß, sie sei seekrank geworden und bleibe in ihrer Kajüte.«

»Und ihr beide habt sie nicht mehr gesehen?«

Sie schüttelten gleichzeitig den Kopf.

»Darf ich fragen, wo ihr während des Sturms letzte Nacht wart? Ich möchte nur genau wissen, ob niemand beobachtet hat, wie Schwester Muirgel während des Sturms an Deck ging.«

»Während der ganzen Zeit, als es so stürmte, waren wir hier drin«, erklärte Bruder Dathal. »Es war ein schlimmer Sturm, und wir konnten uns kaum auf den Beinen halten, geschweige denn im Schiff umherwandern.«

Bruder Adamrae nickte bestätigend.

»Wir verglichen ihn mit dem großen Sturm, der die Kinder Gaels auf ihrer Fahrt nach Gothia überfiel. Damals starben Eber, der Sohn von Tat, und Lamhgh-las, der Sohn von Aghnon, und bald darauf erhoben sich die Meerjungfrauen aus der See und machten eine so traurige Musik, daß die Kinder Gaels eingeschläfert wurden, nur der Druide Caicher war dagegen gefeit. Er rettete sie alle, indem er ihnen geschmolzenes Wachs in die Ohren goß. Als sie zu dem Vorgebirge von Sliabh Ribhe kamen, prophezeite ihnen Caicher, sie würden erst Ruhe finden, wenn sie in das Land namens Eireann gelangten, und er fügte hinzu, sie selbst würden es nicht erreichen, aber ihre Nachkommen.«

Erstaunt sah Fidelma den jungen Mann an, der sich so in Begeisterung geredet hatte, daß ihm fast der Atem fehlte.

»Ihr habt euch sehr in diese alten Zeiten vertieft«, bemerkte sie. »Das Thema muß euch Freude machen.«

»Wir haben vor, eine Geschichte der Kinder Gaels vor ihrer Ankunft in den fünf Königreichen zu schreiben«, strahlte Bruder Dathal.

»Ich wünsche euch Glück zu diesem Unternehmen. Es würde mich fesseln, ein solches Werk zu lesen. Doch ich muß meine Untersuchung abschließen. Ihr sagt, ihr beide seid die ganze Zeit in eurer Kajüte geblieben und habt Schwester Muirgel nicht mehr gesehen, nachdem ihr an Bord kamt?«

Bruder Adamrae nickte.

»Das ist eine genaue Zusammenfassung, Schwester.«

Fidelma unterdrückte einen Seufzer der Enttäuschung.

Einer unter den Pilgern mußte lügen. Einer mußte in Schwester Muirgels Kajüte gegangen sein und sie erstochen, an Deck gebracht und über Bord geworfen haben. Dessen war sich Fidelma sicher. Aber warum sollte jemand die Leiche über Bord werfen und die blutbesudelte Kutte mit den Einstichen an Bord lassen? Das war wirklich seltsam.

»Wie bitte?« Sie merkte, daß Bruder Dathal etwas gesagt hatte.

»Ich meinte, es sei traurig, wenn man den Wert eines Menschenlebens geringschätzt. Doch ehrlich gesagt, es werden wahrscheinlich nur wenige eine lange Zeit um Schwester Muirgel trauern.«

»Mir ist klar, daß einige sie nicht mochten.«

»Ein paar Leute haßten sie sogar, Bruder Tola zum Beispiel. Vielleicht auch Schwester Gorman. Ach ja, es gibt mehrere, die ihr nicht allzu sehr nachtrauern werden.«

»Gehört ihr auch dazu?« fragte Fidelma rasch.

Bruder Dathal schaute seinen Gefährten an.

»Wir haben sie nicht gehaßt. Aber wir könnten auch nicht sagen, daß wir sie gemocht hätten«, gab er zu.