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»Damit hätten wir verraten, daß wir im Nebenzimmer waren. Der Mörder hätte von unserer Anwesenheit erfahren, und wir hätten auf die Reise verzichten müssen. Es hätte alle möglichen Schwierigkeiten gegeben.«

Er schaute beschämt drein.

»Jetzt klingt es albern und selbstsüchtig, das gebe ich zu, aber damals erschien es uns nicht so, jedenfalls nicht, als wir im Zimmer neben dieser schrecklichen Leiche saßen. Du wirst uns sicher verurteilen. Aber es ist leicht, logisch zu denken, wenn Zeit vergangen ist und man Abstand vom Geschehenen hat.«

»Urteilen soll man erst, wenn alle Vorgänge geklärt sind. Sprich weiter.«

»Wir waren noch vor Tagesanbruch zurück in der Abtei.«

»Habt ihr nicht befürchtet, der Herbergswirt würde Alarm schlagen und ihr könntet wegen eurer Flucht in Mordverdacht geraten?«

»Wir hatten Geld für unser Zimmer hinterlassen. Die Tür zu Canairs Zimmer hatten wir geschlossen und hofften, daß die Leiche erst später entdeckt würde. Wir glaubten, daß alle noch schliefen, als wir aufbrachen, doch wir merkten, daß der Herbergswirt bei Fackellicht seinen Karren belud. Er sah uns nicht. Wir eilten zurück zur Abtei und nahmen unsere Plätze im Speisesaal ein, und als die anderen Mitglieder unserer Gruppe erschienen, kamen sie nicht auf die Idee, daß wir nicht die ganze Nacht dort verbracht hätten.«

Fidelma rieb sich die Nase und überlegte. Die Geschichte klang so seltsam, daß sie nicht an ihrer Wahrheit zweifelte.

»Alle anderen aus eurer Gruppe waren in der Abtei?«

»Ja.«

»Keiner hatte den Verdacht, daß ihr nicht die ganze Nacht dort geblieben wärt?«

Bruder Guss schüttelte den Kopf, fügte aber hinzu: »Ich glaube, Crella hatte Verdacht geschöpft. Sie warf uns böse Blicke zu.«

»Canair erschien also nicht am Kai, ihr beide habt keinem etwas von eurer Geschichte erzählt, und dann gingt ihr alle an Bord.«

Bruder Guss bejahte das mit einer Geste.

»Ich dachte, alles wäre in Ordnung. Muirgel hatte die Führung übernommen und die Kajüten zugeteilt, wie ich schon sagte. Sie nahm eine für sich allein in der Hoffnung, wir könnten später dort zusammenkommen. Doch sie rief mich noch vor dem Auslaufen zu sich. Sie war bleich und zitterte, war fast außer sich vor Furcht.«

»Hat sie dir erklärt, weshalb?«

»Sie sagte, sie wüßte, daß Canairs Mörder an Bord sei.« Er wies auf das Kreuz, das Fidelma noch in der Hand hielt. »Sie hatte jemanden gesehen, der dieses Kreuz trug. Es war Canairs Kreuz, das sie immer bei sich hatte. Sie hatte Muirgel einmal erzählt, es sei ein Geschenk von ihrer Mutter. Muirgel schwor, Canair habe es getragen, als sie uns verließ, um ihre Freunde zu besuchen. Es konnte ihr nur von der Person abgenommen worden sein, die sie tötete.«

»Aber das allein konnte doch Schwester Muirgel nicht solche Angst einjagen. Sie hatte offensichtlich die Person mit dem Kruzifix erkannt. Sie hätte zum Kapitän gehen und ihm alles berichten können.«

»Nein! Ich sagte dir schon - sie fürchtete sich sehr.

Sie meinte, sie wüßte, weshalb Canair umgebracht worden sei, und sie wäre das nächste Opfer.«

»Hast du eine weitere Erklärung von ihr verlangt?«

»Ich hab’s versucht. Als ich sie fragte, woher sie das wüßte, zitierte sie einen Vers aus der Bibel.«

»Welchen?« fragte Fidelma rasch. »Kannst du dich daran erinnern?«

»Die Worte lauteten etwa so:

>Setze mich wie ein Siegel auf dein Herz Und wie ein Siegel auf deinen Arm. Denn Liebe ist stark wie der Tod, Und Eifersucht ist fest wie die Hölle. Ihre Glut ist feurig Und eine Flamme des Herrn.<«

Fidelma blieb nachdenklich.

»Hat sie dir erklärt, was sie damit meinte?«

Bruder Guss errötete.

»Muirgel hatte . hatte andere Männer vor mir gekannt, das leugne ich nicht. Sie gestand mir, daß sie und Canair einmal in denselben Mann verliebt waren. Mehr wollte sie nicht sagen.«

»In denselben Mann verliebt? >Eifersucht fest wie die Hölle<?« Fidelma seufzte. »Das ergibt ein wenig Sinn, aber nicht viel. Bist du sicher, daß sie dir weiter nichts erzählt hat?«

»Nur, daß sie wüßte, daß dieselbe Person, die Ca-nair getötet hatte, auch sie umbringen würde, bevor die Seereise beendet wäre.«

»Aus Eifersucht?«

»Ja. Sie erklärte mir, sie werde sich den ganzen Tag in der Kajüte einschließen und vorgeben, sie wäre seekrank.«

»Dann kam ich an Bord, und Wenbrit meinte, ich sollte mit in ihre Kajüte ziehen«, sagte Fidelma.

»Ja - sie wehrte sich dagegen, aber auch als du woanders untergebracht wurdest, fühlte sie sich noch bedroht. Da faßte sie den Plan, sich zu verstecken und die blutbefleckte Kutte in ihrer Kajüte zu hinterlassen. Die Leute sollten denken, der Mord sei schon verübt worden, und deshalb nicht mehr nach ihr suchen.«

»Wollte sie vorgeben, vom Sturm über Bord gerissen worden zu sein?«

»Nein. Wir wußten ja nicht, daß ein Sturm über uns hereinbrechen würde. Die blutige Kutte sollte den Anschein erwecken, als sei sie erstochen worden. Die Leute sollten annehmen, sie sei in der Nacht umgebracht und über Bord geworfen worden. Der Sturm machte es nur schwieriger. Die Leute dachten, sie sei nachts über Bord gerissen worden. Jetzt ärgerten wir uns, daß wir die Kutte zurückgelassen hatten, weil dadurch alles komplizierter wurde.«

»Allerdings; hättet ihr die Kutte nicht in der Kajüte gelassen, wären wir davon ausgegangen, daß Muirgel das Opfer eines Unfalls geworden wäre.« Fidelma lächelte düster. »Und du hast wahrscheinlich das Blut für die Kutte geliefert.«

Bruder Guss faßte automatisch mit den rechten Hand den linken Arm, dann zuckte er die Achseln.

»Ich habe mir in den Arm geschnitten, um Blut auf die Kutte zu schmieren«, gab er zu. »Ich wußte nicht, daß du die Kutte schon gesehen hattest, und wunderte mich, weshalb du dich so für meinen verletzten Arm interessiertest. Ich mußte etwas erfinden.«

»Das ließ mich jedenfalls vermuten, daß du an ihrem vorgetäuschten Tod beteiligt warst. Wo hatte sie sich versteckt? Der Steuermann hat das Schiff abgesucht und keine Spur von ihr gefunden.«

»Ganz einfach, sie lag unter meiner Koje. Bruder Tola schläft fest, den würden nicht einmal die Posaunen des Jüngsten Gerichts aufwecken. Aus natürlichen Gründen mußte sie ab und zu mal hinausgehen, aber das tat sie in der Nacht oder kurz vor Tagesanbruch, bevor jemand anders auf war. Es war ganz problemlos. Wer dachte schon daran, unter meiner Koje nachzusehen?«

»Und heute morgen?«

»Sie stand früh auf und meinte, sie wäre sicher, wenn sie nun in ihre eigene Kajüte zurückginge. Da sie jetzt offiziell tot wäre, erklärte sie mir, würde niemand mehr nach ihr suchen. Nach dem Frühstück sollte ich zu ihr kommen.«

»Was meinst du, was dann geschah?«

»Sie wurde von derselben Person, die Schwester Canair getötet hatte, gesehen und umgebracht.«

»Nun gut. Du hast angedeutet, du wüßtest, wer sie umgebracht hat, oder besser, du hättest jemanden im Verdacht. Meinst du damit dieselbe Person, der du bei unserem Gespräch gestern die Schuld gegeben hast?«

»Crella? Ja, ich glaube, sie war es, die in der Nacht vor Muirgels Tür stand und vor sich hin sprach. Crella hat uns nachspioniert. Sie war eifersüchtig auf Canair, und sie war eifersüchtig auf Muirgel, obwohl sie so tat, als wäre sie Muirgels beste Freundin.«

»Aber du hast doch gesagt, daß Muirgel den Namen der Person, die sie im Verdacht hatte, nicht preisgab? Sie hat dir den Namen der Person, die sie mit Canairs Kreuz gesehen hat, nicht genannt? Ist es lediglich deine Vermutung, daß sie Schwester Crella gemeint hat?«

»Ich hab dir doch gesagt, ich glaube ...«