Выбрать главу

Cians Miene spiegelte seinen Zorn.

»Heißt das, daß du Toca Nia glaubst und mir nicht?« fragte er grollend.

»Es steht mir nicht zu, zu entscheiden, wer von euch beiden die Wahrheit sagt. Toca Nia erhebt eine Beschuldigung, und du mußt darauf antworten. Es ist eine schwerwiegende Beschuldigung. Es geschieht zu deinem eigenen Besten, Cian, denn Toca Nia weiß sehr gut, daß ein Rechtsbrecher von jedem straflos getötet werden darf. Er könnte dich töten und auf Straflosigkeit pochen.«

»Das Gesetz gilt doch nicht außerhalb der fünf Königreiche«, protestierte Cian.

»Das spielt keine Rolle. Du befindest dich auf einem irischen Schiff und stehst damit ebenso unter den Gesetzen der Fenechus wie auf dem Boden von Ei-reann. Du mußt nach Laigin zurückkehren und dich dort verteidigen.«

Cian starrte sie ungläubig an.

»Das kannst du mir doch nicht antun, Fidelma.«

Ihre Augen trafen sich, ihr Blick war unnachgiebig.

»Das kann ich«, sagte sie leise. »Dura lex sed lex. Das Gesetz ist hart, aber es ist das Gesetz.«

»Und wenn ich mich nicht auf diesem Schiff befände, dann würde das Gesetz nicht gelten?«

Fidelma antwortete mit einem Achselzucken und wandte sich zum Gehen. An der Tür blieb sie stehen.

»Es ist an Murchad als Kapitän, seine Pflicht nach dem Gesetz zu erfüllen. Ich fürchte, er muß entscheiden, was mit Toca Nia und mit dir geschehen soll, ob er euch gehen läßt oder euch beide zur Verhandlung nach Eireann zurückbringt. Ich würde empfehlen, daß er euch einem Brehon in Laigin übergibt.«

»Ich handelte auf Befehl des Großkönigs«, beharrte Cian.

Fidelma stand an der Kajütentür.

»Das spricht dich nicht von deiner moralischen Verantwortung frei.«

Als sie später Murchad den Stand der Dinge erläuterte, spitzte der stämmige Kapitän die Lippen zu einem lautlosen Pfiff.

»Du meinst, ich muß Cian und Toca Nia nach Ei-reann zurückschaffen?«

»Oder sie einem anderen Schiff übergeben, das sie zurückbringt«, erklärte sie.

»Dann wollen wir hoffen, daß solch ein Schiff in Ushant liegt«, murmelte Murchad.

»Inzwischen, Kapitän, schlage ich vor, daß du sowohl Cian als auch Toca Nia verbietest, ihre Kajüten zu verlassen. Wir wollen kein weiteres Blutvergießen auf diesem Schiff.«

»Das werde ich tun, Lady«, stimmte er zu. »Beten wir dafür, daß Pater Pol in Ushant eine Möglichkeit findet, mir in dieser Sache zu helfen.«

Die »Ringelgans« umrundete das Vorgebirge von Ponte de Pern und holte dabei weit nach See aus, denn die Klippen und kleinen Inseln hier waren gefährlich. Murchad brauchte kaum darauf hinzuweisen, denn das Vorgebirge lief aus in zerklüftete schwarze Granitfelsen, die wie schlechte Zähne aus der See ragten, die sie gelblich umschäumte. Murchad steuerte langsam in die langgezogene, u-förmige Bucht von Porspaul hinein und hielt auf den geschützten Ankerplatz an ihrem Ende zu.

»Es wird schön sein, wieder eine Weile festen Boden unter den Füßen zu haben«, sagte Fidelma dankbar zu Murchad.

Der wies auf die Küste.

»Es sind keine anderen Schiffe im Hafen«, stellte er überflüssigerweise fest. »Das Hauptdorf und die Kirche von Lampaul liegen oberhalb von dem kleinen Kai, den du dort siehst. Ich will hier nur für einen Tag anlegen und frisches Wasser und Lebensmittel übernehmen. Das nächste Stück unserer Reise ist das längste, je nach dem Wind. Wir segeln dann fast genau nach Süden und sehen die ganze Zeit kein Land.«

»Aber wir müssen an die Sache mit Toca Nia denken«, erinnerte ihn Fidelma.

Murchad schaute sorgenvoll drein.

»Ich wäre sehr dafür, Toca Nia und Cian hier an Land zu bringen. Dann sollen sie die Sache unter sich ausmachen.«

»Das wäre eine einfache Lösung ... für uns. Aber ich sehe Schwierigkeiten dabei«, antwortete sie.

Die »Ringelgans« kreuzte die drei Kilometer bis zum hinteren Ende der Bucht, von wo ein Pfad zu der Ansiedlung Lampaul hinaufführte. Die Einwohner hatten ihre Ankunft beobachtet, und einige kamen zur Begrüßung hinunter an den Hafen.

Murchad ließ erst das Großsegel und dann das Steuersegel reffen. Der Buganker fiel, und zum erstenmal seit Tagen schwoite das Schiff leicht in ruhigem Wasser.

»Ich gehe an Land«, verkündete Murchad und fragte Fidelma: »Möchtest du mitkommen und Pater Pol kennenlernen? Er ist hier nicht nur der Priester, sondern mehr oder weniger auch der Herrscher der Insel. Es wäre am besten, wenn wir die Sache von Bruder Cian und Toca Nia mit ihm besprechen.«

Fidelma erklärte sich bereit dazu. Sie brachten gerade das Skiff zu Wasser, als Bruder Tola und die anderen Pilger an Deck erschienen. Tola wollte sofort wissen, ob sie auch an Land gehen könnten, und die anderen verlangten ebenfalls danach.

Murchad hob die Hand und gebot Ruhe.

»Erst muß ich hin und das regeln. Ihr könnt später an Land und meinetwegen eine Nacht bleiben, um euch die Beine zu vertreten, während wir die Vorräte für die weitere Reise übernehmen. Aber bis ich das geklärt habe, ist es besser, wenn ihr alle an Bord bleibt.«

Diese Anordnung gefiel den Pilgern offensichtlich nicht, zumal sie sahen, daß Fidelma mit dem Kapitän ins Boot stieg.

Murchad und Gurvan ruderten das leichte Fahrzeug mit Fidelma am Heck das kurze Stück von der »Ringelgans« zu dem aus Steinen gefügten Kai.

Ein hochgewachsener Mann mit dunklem Teint und scharfgeschnittenen Zügen begrüßte den Kapitän, als dieser aus dem Boot stieg. Seine Kutte und das Kruzifix an seinem Hals zeigten seinen Beruf an.

»Schön, dich wiederzusehen, Murchad!« Sein Akzent verriet, daß Gälisch nicht seine Muttersprache war.

Gurvan hatte das Skiff angebunden und half Fidelma heraus.

»Es ist schön, wieder auf deiner Insel zu sein, Pater Pol«, antwortete Murchad. Dann stellte er Fidelma vor, die zu ihm getreten war: »Pater, dies ist Fidelma von Cashel, die Schwester unseres Königs Colgü ...«

»Ich bin Schwester Fidelma«, unterbrach ihn Fidelma mit einem ernsten Lächeln. »Einen anderen Titel führe ich nicht.

Pater Pol gab ihr die Hand und musterte sie kurz.

»Sei willkommen, Schwester«, lächelte er und wandte sich dann dem Steuermann zu. »Und du sei auch willkommen, Gurvan, du alter Halunke. Es ist schön, dich wiederzusehen.«

Gurvan grinste verlegen. Offensichtlich war die ganze Besatzung der »Ringelgans« auf der Insel wohlbekannt, weil das Schiff oft hier anlegte.

»Kommt mit, wir stärken uns in Lampaul«, fuhr der Priester fort und wies auf den Pfad. »Bringt ihr interessante Nachrichten mit?«

Sie folgten ihm den Pfad hinauf.

»Schlechte Nachrichten, fürchte ich, Pater. Nachricht von der >Morvaout<.«

Pater Pol blieb stehen und drehte sich rasch um.

»Die >Morvaout<? Sie ist erst heute früh hier ausgelaufen. Was wißt ihr von ihr?«

»Sie scheiterte auf den Riffen nördlich der Insel.«

Der Priester bekreuzigte sich.

»Gab es Überlebende?« fragte er.

»Nur drei Mann. Zwei Matrosen und ein Passagier, der nach Laigin wollte. Die Matrosen lasse ich nachher an Land schaffen.«

Pater Pol schaute einen Moment traurig drein.

»Ach ja, das ist so oft das Schicksal der Seefahrer. Die Besatzung kam vom Festland. Wir werden Kerzen für die Heimkehr ihrer Seelen anzünden.« Er bemerkte Fidelmas verständnislose Miene. »Wir sind hier ein Inselvolk, Schwester«, erläuterte er. »Wenn wir Menschen auf See verlieren, stellen wir ein kleines Kreuz auf und zünden eine Kerze an, halten eine Nacht lang Wache und beten für die Ruhe der Seelen der Dahingegangenen. Am folgenden Tag wird das Kreuz in ein Reliquiar in der Kirche gelegt und später in ein Mausoleum zu all den Kreuzen der auf See Verschollenen gebracht. Dort erwarten die Kreuze die Heimkehr der Seelen vom Meer.«