Выбрать главу

»Ich wäre vorsichtig, Lady«, warf Murchad besorgt ein. »Wenn diese Person schon einmal versucht hat, dich zu töten, kann sie es wieder versuchen. Du stellst offensichtlich eine Bedrohung für sie dar. Vielleicht bist du nahe daran, sie zu entdecken.«

»Wir alle müssen gut aufpassen«, meinte Fidelma. »Aber diese Person tötet im geheimen, dessen bin ich sicher. Und eins weiß ich noch mit Bestimmtheit.«

»Nämlich?«

»Unser Mörder ist eine von drei Personen auf diesem Schiff, und ich glaube, er ist irre. Wir müssen wirklich aufpassen.«

Am Abend änderte sich der Wind erneut. Nachdem das wie üblich von Wenbrit servierte Abendessen in leicht gedrückter Stimmung eingenommen worden war, ging Fidelma an Deck und gesellte sich zu Murchad und Gurvan, die am Steuerruder standen.

»Ich fürchte, wir kriegen noch einmal Sturm, Lady«, begrüßte sie Murchad trübe. »Auf dieser Fahrt haben wir mehr als genug Pech. Hätte das ruhige Wetter angehalten, wären wir schon vor zwei Tagen wieder aus dem iberischen Hafen ausgelaufen. Jetzt müssen wir abwarten, wohin uns der Sturm treibt.«

Fidelma blickte zum Himmel. Die Anzeichen für einen Sturm schienen nicht so bedrohlich wie in der ersten Nacht. Die Wolken waren dunkel, aber sie jagten nicht so schnell über den Himmel wie damals.

»Wie lange dauert es noch, bis er uns erfaßt?« fragte sie.

»Noch vor Mitternacht ist er hier«, antwortete Murchad.

Fidelma merkte, daß das Schiff mit schäumender Bugwelle geradezu durch die Wogen schnitt. Alles wirkte so ruhig und friedlich.

Gegen Mitternacht konnte Fidelma kaum glauben, wie plötzlich sich das Wetter geändert hatte. Die See ging hoch, und der Wind wechselte so oft die Richtung, daß ihr fast schwindelte. Fidelma hatte an Deck gesessen und alle Fakten und Ereignisse in Gedanken geordnet und analysiert. Nun stand sie auf, als das Deck unter ihr zu schaukeln begann. Gurvan beaufsichtigte die Matrosen, die an der Takelage arbeiteten.

Er kam zu ihr.

»Am sichersten bist du in deiner Kajüte, Lady, und vergiß nicht .«

»Alle losen Gegenstände festzumachen«, beendete Fidelma seinen Satz. Das hatte sie bei dem vorigen Sturm gelernt.

»Du wirst eine richtige Seefahrerin, Lady«, lächelte Gurvan anerkennend.

»Wird es so schlimm wie letztes Mal?« fragte sie.

Gurvan antwortete mit einer unverbindlichen Geste.

»Es sieht nicht sehr gut aus. Wir müssen gegen den Wind kreuzen.«

»Wäre es nicht leichter, zu wenden und mit dem Wind zu segeln, selbst wenn uns das wieder zurücktreibt?«

Gurvan schüttelte den Kopf.

»Bei diesem Seegang würden dann die schweren Wellen ständig über uns hinweggehen. Ihre Gewalt könnte uns sogar unter Wasser drücken.«

Wie zur Betonung seiner Worte fegte die Gischt über das Deck, und Fidelma sah, wie die See ringsum zu kochen begann. Der Wind hatte so zugenommen, daß selbst der dicke, starke Mast stöhnte und sich leicht bog. Fidelma schien es, als wolle der Wind ihn aus seiner Verankerung reißen. Das lederne Segel schlug im Wind und schien in Gefahr zu zerreißen.

»Geh jetzt lieber hinein!« drängte sie Gurvan.

Fidelma folgte seinem Rat und schritt vorsichtig mit gesenktem Kopf über das Hauptdeck.

Nun war weiter nichts zu tun, als alle beweglichen Gegenstände wieder zu verstauen und dann auf der Koje zu sitzen und den Sturm abzuwarten. Aber der ließ nicht so schnell nach. Die Stunden vergingen, und Fidelma hatte das Gefühl, daß sich das Wetter eher noch verschlimmerte.

Einmal erhob sie sich von der Koje und tastete sich zum Fenster hin. Sie schaute auf das Deck, sah aber nichts. Es herrschte pechschwarze Finsternis, und der Regen - oder war es Gischt? - stürzte in Güssen über das Schiff. Es schien fast, als stünde die »Ringelgans« völlig unter Wasser. Während sie nach draußen starrte, schleuderte der Wind Seewasser von den Wogenkämmen über das Schiff; es fuhr ihr in Gesicht und Augen und durchnäßte sie.

Sie kehrte zu ihrer Koje zurück.

Durch den Lärm von Wind und Wellen hörte sie ein seltsames Stöhnen. Es schien von den Seitenplanken ihrer Kajüte zu kommen. Ohne Warnung schoß plötzlich ein Strom Seewasser schäumend und gurgelnd durch die Planken.

Einen Moment starrte Fidelma entsetzt auf das Wasser und das zersplitterte Holz, dann langte sie eine Decke von ihrer Koje und stopfte sie verzweifelt in den Riß. Sie spürte, wie das zerbrochene Holz unter ihren Händen arbeitete. Alles wurde naß - ihre Kleidung, die Strohmatratze, die Decken. Das Seewasser war so kalt, daß ihr die Zähne klapperten.

Sie versuchte zu rufen, aber Wind und See übertönten ihre Stimme. Sie wußte nicht, wie lange sie dort blieb und betete, das Holz möge nicht weiter reißen. Ihr schienen es Stunden, und ihre Hände wurden gefühllos vor Kälte.

Schließlich merkte sie, daß die Kajütentür in ihrem Rücken sich geöffnet und geschlossen hatte. Sie blickte über die Schulter zurück und sah, daß Wenbrit, ebenso naß, mit einem Eimer und anderen Dingen in der Hand hereingetaumelt war.

»Ist es schlimm?« schrie er ihr ins Ohr.

»Sehr schlimm!« schrie sie zurück.

Der Junge setzte den Eimer und die anderen Gegenstände ab, zog die Decke weg und prüfte den Schaden.

»Die See hat Planken des Rumpfes zerbrochen«, rief er ihr zu. »Ich verstärke und kalfatere sie, so gut ich kann. Eine Weile sollte das halten.«

Er hatte ein paar Stücke Holz unter dem Arm und nagelte sie über die beschädigte Stelle. Dann stopfte er sie mit durchtränkten Haselstrauchblättern aus. Das Einströmen des Seewassers verminderte sich zu einem winzigen Rinnsal.

»Dabei muß es bleiben, bis der Sturm vorüber ist!« Wenbrit mußte wieder schreien, um sich verständlich zu machen. »Ich fürchte, bis dahin sind wir alle naß. Die Brecher gehen über das Schiff, und alle sind durchweicht.«

Eine Stunde später gab Fidelma ihrer Erschöpfung nach und versuchte auf dem nassen Stroh einzuschlafen. Sie hörte noch ein lautes »Miau!« und begriff, daß Mäuseherr die ganze Zeit voller Angst unter der Koje gehockt hatte. Schläfrig lockte sie ihn und spürte, daß er zu ihr auf die Koje sprang. Mit tiefem, zufriedenem Schnurren rollte sich sein warmer Körper auf ihrer Brust zusammen. Sie empfand ihn als wohlig und tröstend auf ihrer nassen Kleidung, und schließlich fiel sie in einen unruhigen Schlaf.

Der Schmerz durchzuckte sie jäh.

Die feinen Nadeln bohrten sich ihr peinigend in die Brust. Dann ertönte ein gräßlicher, fast menschlicher Schrei, der Fidelma an die bean sidhe erinnerte, an die Totenfee, deren schrille, klagende Schreie einen bevorstehenden Todesfall ankündigen. Erst nach einem Moment merkte Fidelma, daß Mäuseherr mit gebogenem Rücken und gesträubtem Fell auf ihrer Brust stand und seine Krallen tief in ihr Fleisch schlug. Er stieß durchdringende Schreie aus. Dann sprang er von der Koje.

Vor Schmerz fuhr Fidelma mit einem Satz hoch.

Sie erspähte eine Gestalt an der Tür, eine schlanke Gestalt, die sich nur für einen Moment abzeichnete. Dann schlug die Kajütentür zu. Das Schiff holte über, und Fidelma verlor das Gleichgewicht. Sie landete auf den Knien. Ein dunkler Schatten, sicherlich der Kater, schoß unter die Koje. Sie hörte sein schreckliches Jaulen. Dann packte sie die Tür und riß sie auf.

Es war niemand da. Die Gestalt war verschwunden. Sie hielt sich mit einer Hand fest, schloß die Tür und blickte sich um. Was war da los gewesen?

Der Kater hatte aufgehört zu schreien. Es war dunkel, aber sie hatte das Gefühl, der Morgen könne nicht mehr weit sein. Das Schiff stampfte und rollte. Sie taumelte zurück zur Koje und setzte sich darauf.

»Mäuseherr?« rief sie schmeichelnd. »Was ist denn mit dir?«

Der Kater antwortete nicht. Sie wußte, daß er da war, denn sie hörte seine Bewegungen und seinen seltsam rasselnden Atem. Ihr wurde klar, daß sie erst bei Tageslicht herausfinden konnte, was ihm fehlte. Sie saß auf der Koje und konnte nicht schlafen, sah, wie sich der Himmel aufhellte, ohne daß der Sturm nachließ. Als sie meinte, nun sei es hell genug, ließ sie sich auf die Knie nieder und spähte unter die Koje.