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Mäuseherr spuckte und schlug mit der Pfote nach ihr, die Krallen ausgefahren. So hatte er sich noch nie zu ihr benommen.

Sie hörte die Tür gehen und fuhr herum. Wenbrit trat ein mit einem zugedeckten kleinen Ledereimer.

»Ich hab dir ein bißchen corma und Zwieback gebracht, Lady«, sagte er und wunderte sich, was sie auf den Knien suchte. »Mahlzeiten gibt es heute nicht. Mehr kann ich nicht bieten. Der Sturm wird erst heute abend nachlassen.«

»Mit Mäuseherr ist irgend etwas nicht in Ordnung«, erklärte Fidelma. »Er läßt mich nicht an sich heran.«

Wenbrit stellte seinen Eimer ab und kniete sich neben ihr hin. Dann zeigte er auf ihre Kutte.

»Du hast da Blut auf deiner Kutte, Lady.«

Fidelma befühlte die klebrige Masse auf ihrer Brust.

»Ich sehe keine Kratzer«, meinte Wenbrit. »Wenn Mäuseherr dich gekratzt hätte ...«

»Kannst du den Kater unter der Koje hervorholen? Ich glaube, er ist verletzt«, unterbrach sie ihn. Sie merkte, daß das Blut nicht von den Stellen kommen konnte, an denen sich der Kater nachts in seiner Angst festgekrallt hatte.

Wenbrit brauchte einige Zeit, bis er den Kater schließlich zu greifen vermochte. Er hielt ihm die Vorderbeine zusammen, damit er nicht kratzen konnte. Mit sanften, beruhigenden Lauten holte er Mäuseherr endlich unter der Koje hervor und legte ihn auf das Bettzeug. Offenbar hatte das Tier Schmerzen.

»Er hat einen Schnitt.« Der Junge wunderte sich, als er den Kater untersuchte. »Einen tiefen Schnitt sogar. Seine Hinterhand blutet noch. Was ist denn passiert?«

Mäuseherr beruhigte sich, als er merkte, daß man ihm nichts Böses antun wollte.

»Ich weiß es nicht ... ach so!«

Noch während sie sprach, wurde Fidelma klar, was die Schmerzen in der Nacht bedeutet hatten, von denen sie geweckt wurde. Sie beugte sich über den Strohsack und fand sofort, was sie suchte. Es war das Messer, das Schwester Crella ihr gegeben und von dem sie behauptet hatte, Bruder Guss hätte es unter ihrer Koje versteckt. Es war blutverschmiert, mit Mäuseherrs Blut. Fidelma schimpfte sich einen Trottel. Sie hatte das Messer aus Crellas Kajüte mitgebracht und in ihren Beutel getan, und noch vor Toca Nias Tod war es daraus verschwunden.

Wenbrit war mit der Untersuchung des Katers fertig.

»Ich muß Mäuseherr mit nach unten nehmen, damit ich ihn waschen und die Wunde nähen kann. Ich glaube, jemand hat ihn in die Hinterhand gestochen. Armer Kater. Er hat versucht, die Wunde zu lecken.«

Fidelma sah Mäuseherr mitfühlend an. Wenbrit schmuste mit dem Kater, der sich von ihm unterm Kinn streicheln ließ. Er fing an, leise zu schnurren.

»Wie kam es dazu, Lady?« fragte Wenbrit erneut.

»Ich glaube, Mäuseherr hat mir das Leben gerettet«, erklärte sie ihm. »Ich schlief, und er lag zusammengerollt auf meiner Brust. Jemand kam an meine Kajütentür. Vielleicht sprang Mäuseherr auf, als der Mörder eintrat. Den Kater hat er offensichtlich nicht gesehen. Ich hatte Glück, denn er kam nicht nahe genug heran, um mich zu erstechen. Er warf das Messer. Ob der Kater es abgelenkt hat, weiß ich nicht, aber das arme Tier bekam es in die Flanke. Die Reaktion des Katers weckte mich und verscheuchte den Angreifer.«

»Hast du die Person erkannt?« fragte Wenbrit.

»Leider nicht. Dazu war es zu dunkel.« Fidelma erschauerte, als ihr bewußt wurde, wie nahe sie zum zweitenmal dem Tode gewesen war. Dann riß sie sich zusammen.

»Kümmere dich um Mäuseherr, Wenbrit. Tu dein Bestes. Er hat mir das Leben gerettet. Nicht mehr lange, dann werden wir mehr wissen. So Gott will, wird dieser Sturm bald nachlassen. Solange er tobt, kann ich mich nicht konzentrieren.«

Aber Gott wollte es nicht, der Sturm hielt noch einen vollen Tag an. Der ständige Lärm und das Schaukeln stumpften Fidelmas Sinne ab, ihr Schicksal wurde ihr beinahe gleichgültig. Sie wollte einfach nur schlafen, von dem unbarmherzigen Wüten des Wetters erlöst werden. Ab und zu legte sich das Schiff so weit über, daß Fidelma sich fragte, ob es sich überhaupt noch einmal aufrichten würde. Dann, nach einer scheinbaren Ewigkeit, wälzte sich die »Ringelgans« wieder herum, bis die nächste riesige Welle aus der Dunkelheit heranbrauste.

Manchmal meinte Fidelma, das Schiff müsse untergehen, so tief schien es im Seewasser versunken. Sie mußte um Atem ringen gegen das lungenzerreißende Salzwasser, das sie durchnäßte. Von dem ständigen Umherwerfen des Schiffes wurde ihr Körper grün und blau geschlagen.

Es war in der Morgendämmerung des nächsten Tages, als sie trübsinnig feststellte, daß der Wind weniger scharf zu wehen schien und das Schiff nicht mehr so heftig bockte. Sie verließ die Kajüte und schaute sich um. Am grauen Morgenhimmel jagten einzelne zerfetzte Sturmwolken niedrig dahin unter einer hohen Decke dünner weißer Wölkchen. Am Osthorizont tauchte sogar das blasse Rund der Sonne auf. Es war noch kein richtiger Morgen, aber er barg die Andeutung, daß der Tag besser werden könnte.

Zu ihrer Überraschung sah sie Murchad über das Hauptdeck auf sie zu kommen. Nach zwei Tagen mit schwerem Sturm, an denen er die meiste Zeit am Steuerruder gestanden hatte, machte er einen völlig erschöpften Eindruck.

»Bist du unversehrt, Lady?« fragte er. »Wenbrit hat mir erzählt, was passiert ist, und ich habe Gurvan beauftragt, dich zu bewachen, für den Fall, daß du noch einmal angegriffen wirst.«

»Mir ging’s schon mal besser«, gestand Fidelma. Dann erblickte sie Wenbrit, der auf dem Deck beschäftigt war. »Wie geht es Mäuseherr?«

Murchad lächelte.

»Er wird vielleicht ein bißchen hinken, aber Mäuse wird er noch jagen können. Wenbrit hat die Wunde genäht, und er wird es wohl gut überstehen. Du hast nicht gesehen, wer das Messer nach dir warf?«

»Dazu war es zu dunkel.« Sie wechselte das Thema. »Haben wir den Sturm hinter uns?«

»Jedenfalls das Schlimmste, meine ich«, antwortete er. »Der Wind hat auf Süd gedreht, und das macht es uns leichter, das Großsegel wieder zu setzen und unseren ursprünglichen Kurs zu halten. Wenn diese Fahrt erst einmal zu Ende ist, werde ich froh sein. Ich freue mich schon darauf, in den Armen Aoifes zu liegen.«

»Aoife?«

»Meine Frau heißt Aoife«, lächelte Murchad. »Sogar Seeleute haben Frauen.«

Plötzlich kamen Fidelma Zeilen aus einem alten Lied in den Sinn.

»Du liebtest uns einst, deine Liebe versank Im Abgrund des Hasses. Von Bitterkeit krank, Warfst weg du die Liebe, das sanfte Gefühl, Und nun ist die Rache dein einziges Ziel!«

Murchad sah sie fragend an.

»Ich dachte gerade an die eifersüchtige Gier von Aoife, der Frau des Meergottes Lir, und wie sie alle vernichtete, die ihn liebten.«

Der Kapitän schnaufte geringschätzig.

»Meine Aoife ist eine wunderbare Frau«, erklärte er abweisend.

Fidelma lächelte rasch.

»Es tut mir leid. Es war lediglich der Name, der mich auf einen Gedanken brachte. Ich wollte keineswegs etwas gegen deine Frau sagen - aber ihr Name hat in mir eine Erinnerung wachgerufen.«

Wie lautete der Bibelvers, den Muirgel zitiert hatte, als sie Guss sagte, sie wüßte, warum sie das nächste Opfer werden könnte?

». Eifersucht fest wie die Hölle. Ihre Glut ist feurig Und eine Flamme des Herrn.«

Sie blickte hinaus auf die See. Sie trug immer noch Schaumkämme, ging aber nicht mehr so hoch, und die großen Wellen wurden kleiner und weniger häufig. Endlich paßte alles zusammen! Sie lächelte zufrieden und wandte sich dem müden Murchad zu.