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»Ist denn dieser Zwist so ernst?« wollte Fidelma wissen.

»Das hängt davon ab, wie man die Sache sieht. Falls es so ist, wie Accobran mir erklärt hat, und Lesren, dieser Trottel, bezichtigt immer noch Golls Sohn des Mordes an seiner Tochter und macht ihn damit auch für die anderen Morde verantwortlich, könnte es für Lesren ernst werden. Ich weiß genau, wie das Gesetz gegen die Verbreitung bösartiger Verleumdungen vorgeht.«

»Wie hat denn dieser Streit eigentlich begonnen?«

Becc dachte eine Weile nach. »Vermutlich fing er bereits vor vielen Jahren an. Lesren war vor seiner Ehe mit Bebhail schon einmal verheiratet.«

»Er hatte vorher eine andere Frau?« fragte Eadulf.

»Ja, so ist es. Sie hat sich von ihm scheiden lassen. Die Frau hieß Finmed.« Er machte eine Pause, was dem Folgenden mehr Bedeutung verlieh. »Finmed ist jetzt mit Goll verheiratet, sie ist Gabrans Mutter.«

Eadulf gelang es, einen Pfiff zu unterdrücken. Nur ein leises Zischen war zu hören, als er sich zurücklehnte. Fidelma blickte ihn vorwurfsvoll an.

»Vor dem Gesetz gelten mehrere Gründe, aus denen sich ein Paar trennen kann«, erklärte sie Eadulf. Dann fragte sie Becc: »Welcher Grund lag bei ihnen vor? Haben sie sich in gegenseitigem Einvernehmen getrennt? So daß jeder ohne Schuldvorwürfe ein neues Leben beginnen konnte?«

Becc schüttelte den Kopf. »Lesrens und Finmeds Scheidung gehörte zu den Fällen, in denen die Schuldfrage von einem Brehon ganz eindeutig entschieden wurde. Finmed verließ Lesren mit voller Entschädigung und ihrer coibche. Die coibche ist der Brautpreis, den der Mann seiner Frau oder deren Familie zu zahlen hat«, fügte er für Eadulf zur Erklärung hinzu.

»Ich weiß, was die coibche ist«, erwiderte Eadulf.

Becc bemerkte seine Taktlosigkeit sogleich. Er hatte vergessen, wie Fidelma und Eadulf zueinander standen. Eadulf hatte sich die Zeit genommen, die Cain Lanamna, die Ehegesetze, zusammen mit Colgüs oberstem Brehon durchzusprechen. Er wußte, daß eine Frau, die ihren Mann verließ und Schuld an der Trennung trug, ihre coibche, Sachgeschenke oder eine entsprechende Summe Geld ihrem Mann wieder zurückgeben mußte. War die Frau jedoch schuldlos, so konnte sie die coibche behalten und die Hälfte der während der Ehe erwachsenen Güter für sich beanspruchen.

»Was war denn der Scheidungsgrund?« fragte Fidelma.

»Lesren war ziemlich gewalttätig«, erklärte Becc. »Er trank oft und schlug Finmed dann. Wie ihr wißt, hat eine Frau das Recht auf sofortige Scheidung, wenn sie von ihrem Mann geprügelt wird. Lesren mußte ihr ein Bußgeld zahlen und ihr die coibche überlassen. Obwohl sie aber durch den Ehevertrag Anspruch auf mehr hatte, wollte Finmed nichts weiter von ihm annehmen und verließ ihn. Lesren war ihr nicht einmal dankbar dafür, daß er so ungeschoren davongekommen war, sondern grollte und verzieh ihr nie. Als sie Goll heiratete, tobte er vor Wut.«

»Aber er hat doch auch wieder geheiratet, bei allem, was recht ist«, meinte Eadulf.

»So ist es«, stimmte ihm Becc zu. »Lesren hat Bebhail geheiratet. Trotz der Gerüchte, die man so hört, scheinen sie glücklich miteinander zu sein, und sie hat ihm zumindest eine Tochter geschenkt, Becc-nat.«

»Willst du damit andeuten, daß Lesren immer noch einen heimlichen Groll gegen seine frühere Frau hegt und auch gegen Goll, ihren Ehemann?«

Becc seufzte und nickte. »Ja. Finmed heiratete Goll, und ein Jahr darauf verheiratete sich Lesren ebenfalls wieder. Finmed und Goll bekamen einen Sohn, Ga-bran. Im Laufe der Zeit wurde die Kluft zwischen Lesren und Goll immer tiefer.«

»Und was ist mit Lesrens Anschuldigung, Goll sei ein Dieb?« wollte Eadulf wissen.

»Das war eine schäbige Behauptung. Reine Boshaftigkeit. Lesren hatte offenbar herausgefunden, daß Goll ohne Erlaubnis einen Baum gefällt hatte«, antwortete Becc.

»Wie das?« Eadulf schien empört. »Er ist doch Holzfäller, wie kann man ihm so etwas vorwerfen?«

»Holzfäller müssen wie alle anderen auch die Gesetze einhalten. Ohne Genehmigung dürfen gewisse Bäume - sogenannte Fürstenbäume - in bestimmten Gebieten nicht geschlagen werden. Andernfalls muß man eine Strafe zahlen. Goll befand sich in der mißlichen Lage, schnellstens Eschenholz liefern zu müssen. Da die Esche aber zu den Fürstenbäumen gehört und er eine solche ohne meine Erlaubnis oder die meines Brehons fällte, machte er sich strafbar.«

Fidelma sah zu Eadulf hinüber.

»Das könnte man praktisch als Baumdiebstahl bezeichnen«, erklärte sie ihm und wandte sich dann wieder an Becc. »Doch wenn sich das Bußgeld nur auf einen screpall belief, wie man uns sagte, so wurde das nicht als bewußter Diebstahl eingestuft.«

Der Fürst stimmte ihr zu. »Lesren entdeckte es und schwärzte Goll bei Aolü an. Dem Brehon blieb nichts anderes übrig, als Goll vor Gericht zu stellen. Goll hatte die Esche so plötzlich fällen müssen, weil jemand einen Fürstenstuhl in Auftrag gegeben hatte, der ein Geschenk sein sollte. Der Tradition nach darf nur der Fürst auf einem Eschenstuhl sitzen. Hätte Goll den Fürsten um Erlaubnis ersucht, wäre das Geschenk keine Überraschung mehr gewesen. Also beschloß er, den Baum einfach ohne Genehmigung zu fällen. Goll erhielt eine formale Strafe in Höhe eines screpall

»Wußte Goll, daß Lesren ihn angezeigt hatte?« fragte Eadulf.

»Natürlich. Lesren mußte auch vor Aolü aussagen.«

»Das hat Lesren bei Goll nicht gerade beliebt gemacht, oder?«

Der Fürst lächelte trocken. »Nach einer Woche bekam Goll seine Rache. Wie ihr vielleicht wißt, benutzt man die Rinde des Apfelbaums zum Gerben. Doch während der sogenannten >tödlichen< Monate darf man die Rinde nicht schälen, da die Bäume sonst absterben. Goll beobachtete, wie Lesren sich zur falschen Zeit an einem Apfelbaum zu schaffen machte. Also zeigte er ihn an. Nun wurde Goll als Zeuge vor Gericht gerufen. Aolü und ich kamen zu der Überzeugung, daß man unter die Sache einen Schlußstrich ziehen sollte. Lesren wurde ebenfalls ein Bußgeld in Höhe eines screpall auferlegt. Damit wären beide quitt. Aolü und ich hofften, daß jetzt Ruhe einkehren würde.«

»Doch die Zwistigkeiten gingen weiter?«

»Ja. Und dann geschah etwas Unvorhersehbares: Golls Sohn und Lesrens Tochter verliebten sich ineinander. Als Lesren davon erfuhr, kam es fast zu einer tätlichen Auseinandersetzung. Goll sah die Dinge etwas gelassener, auch wenn er nicht glücklich darüber war. Mein Eindruck war, daß der ganze Haß nur von Lesren ausging.«

»Von Goll nicht?« fragte Fidelma. »Bist du da sicher?«

»Lesren verbot seiner Tochter, Gabran zu heiraten, obwohl sie alt genug war, ihre Wahl selbst zu treffen. Zudem gab es keine rechtliche Handhabe mehr, die Heirat zu verhindern.«

»Aber Lesren behauptet nun, seine Tochter hätte es sich anders überlegt. Bei ihrer letzten Unterhaltung hätte sie ihrem Vater mitgeteilt, daß sie Gabran nicht heiraten würde und es ihm sagen wollte«, bemerkte Eadulf.

Becc zog erstaunt seine Augenbrauen hoch. »Das ist das erstemal, daß ich davon höre. Seid ihr sicher?«

»Sicher ist nur, daß Lesren uns diese Geschichte so erzählt hat«, sagte Fidelma.

»Somit erhält Gabran ein Tatmotiv, denn diese Ablehnung hätte ihn gewiß wütend gemacht.«

»Das mag schon sein. Doch Aolü, mein Brehon, war noch am Leben, wenn auch schon etwas geschwächt, als Gabran des Mordes beschuldigt wurde. Accobran sollte herausfinden, wo sich Gabran zur Tatzeit aufgehalten hatte. Wie sich herausstellte, war er zwölf Meilen weiter weg an der Küste gewesen. Dafür gibt es eine Menge Zeugen. Also hatte das Mädchen, selbst wenn sie sich gegen eine Heirat entschieden hatte, dies Gabran vor ihrer Ermordung nicht mehr sagen können.«

»Lesrens Frau bestätigte seine Version«, murmelte Eadulf.