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»Deine Antwort ist einleuchtend«, erklärte Fidelma. Der Fremde war offenbar ziemlich scharfsinnig. An den Abt gerichtet, sagte sie: »Accobran soll Brocc hereinholen.«

Der Abt läutete mit seiner Silberglocke.

Accobran besprach kurz etwas mit Bruder Solam und führte dann Brocc herein, der mürrisch und beleidigt wirkte und die Fremden zornig anfunkelte.

»So, Brocc, nun wiederhole noch einmal deine Geschichte im Beisein der Fremden«, ordnete Fidelma an und wandte sich anschließend auf griechisch an die drei Männer: »Wenn ihr etwas nicht versteht, werde ich euch helfen.«

Die drei saßen reglos da, während Brocc seine Version noch einmal darbot. Eigenartigerweise schien er all seine Angriffslust und sein prahlerisches Verhalten angesichts der stillen, würdevollen Ausstrahlung der Fremden abgelegt zu haben. Seine Stimme war weich, beinahe höflich.

»Im letzten Monat kehrte ich von einem Geschäft mit einem Händler vom Fluß Bride zurück. Es war Mitternacht, als ich über die Hügel nach Rath Raithlen lief und das Eberdickicht durchquerte. Es herrschte Vollmond, und es war sehr hell. Plötzlich entdeckte ich eine Gestalt bei dem alten Steinkreis an meinem Weg. Es war ein hochgewachsener Mann, der auf einem Felsen saß. Mich sah er nicht. Er blickte mit einem ganz ungewöhnlichen Gesichtsausdruck zum Mond hinauf.«

»Hast du ihn angesprochen?«

»Ja. >Was tust du hier, Fremder?< fragte ich. Ich nannte ihn >Fremder<, weil er das wirklich für mich war.«

»Hat er darauf geantwortet?«

»Nein, und ich bezweifle, daß er meine Worte überhaupt verstanden hat, denn er war einer dieser finster aussehenden Fremden, die hinter den großen Meeren leben und deren Haut schwarz ist. Er gehörte ganz sicher nicht zu unseren Leuten.«

»War er allein oder in Gesellschaft?«

»Er schien allein zu sein.«

»Sonst war niemand weiter bei ihm? Bist du sicher?« fragte Fidelma eindringlich.

Brocc machte eine bejahende Geste. »Niemand.«

»Das müssen wir ganz genau wissen, damit derjenige den du beschuldigst, sich auch verteidigen kann.«

»Ich habe niemanden bei dem Fremden gesehen«, meinte Brocc verdrießlich. »Aber ich glaube, daß er nicht allein war.«

»Der Fremde muß nur über das Rechenschaft ablegen was du gesehen hast, und nicht über das, was du zu sehen geglaubt hast«, machte ihm Fidelma unmißverständlich klar. »Nun, du hast gesagt, daß du ihn angesprochen hast und er nichts darauf erwiderte. Was hast du dann gemacht?«

Brocc holte nervös Luft. »Mir wurde ganz angst und bange«, gestand er. »Ich befürchtete, er sei ein Geist, die Ausgeburt des Teufels. Er sagte nichts, der Mond schien auf sein Gesicht, so daß es ganz grau und schrecklich wirkte. Langsam wandte er sich um, und seine Augen funkelten mich wütend an. Da rannte ich davon, so schnell ich konnte. Am nächsten Morgen erfuhr ich von dem Mord an Escrach. Wie ihr wißt, ist mir erst, als auch Ballgel umgebracht wurde, klargeworden, welche Bedeutung diese Begegnung eigentlich hatte. Also versuchte ich, die Leute vor den Fremdlingen zu warnen.«

»Du hast mir gegenüber behauptet, daß die Person auf dem Hügel einer dieser Fremden war. Hältst du immer noch an dieser Aussage fest?«

»Aber sicher.« Etwas von seiner alten Aggressivität kehrte zurück.

»So, du hast die drei Fremden nun vor dir. Welcher von ihnen hat damals im Mondschein auf dem Hügel gesessen?«

Die drei rührten sich nicht auf ihren Plätzen und blickten zu Brocc hinüber.

Brocc hielt es kaum für notwendig, sie genau anzuschauen. Er sagte unverblümt: »Ich kann ihre schwarzen Gesichter nicht voneinander unterscheiden. Für mich sehen sie alle gleich aus. Keine Ahnung, wer es war. Es ist deine Aufgabe, sie zu einem Geständnis zu bewegen.«

Fidelma schnaubte verärgert. »Da irrst du dich gewaltig, Brocc. Meine Pflicht besteht darin, das Gesetz auszulegen. Das Berrad Airechta, das Gesetz der Zeugen, ist ziemlich genau. Du stehst hier vor mir als ein fiadu, das bedeutet >einer, der sieht<. Du kannst nur etwas bezeugen, das du gesehen oder gehört hast. Und du mußt einen Eid schwören, um deine Aussage zu untermauern. Du sagst nun, da war ein Mann. Du behauptest, es war einer der drei vor dir sitzenden Männer. Aber welcher? Das kannst du nicht sagen. Die Fremden hier müssen deine Anschuldigungen nicht widerlegen, nein, vielmehr mußt du sie beweisen. Also, Brocc, beschuldigst du einen dieser Männer des Mordes, und wenn dem so ist, um wen handelt es sich? Sprich!«

Brocc zuckte mit seinen kräftigen Schultern. »Ich kann sie nicht voneinander unterscheiden. Aber einen von ihnen habe ich gesehen. Mehr kann ich nicht sagen.«

Fidelma atmete leise aus.

»Accobran, würdest du Brocc bitte wieder hinausführen. Warte draußen auf uns.«

Brocc wurde wütend.

»Ha, alle Mönche und Nonnen sind gleich! Du ziehst ihre Worte meinen vor?« rief er.

Fidelma erwiderte seinen zornigen Blick nicht.

»Vor dem Gesetz, Brocc, hat deine Aussage kein Gewicht. Deine Anschuldigungen entbehren jeder gesetzlichen Grundlage. Ich bin hier, um Tatsachen auszuwerten und nicht grundlose Anschuldigungen.« Fidelma entließ ihn mit einem Wink, und ohne ein Wort zu verlieren, beförderte Accobran Brocc ziemlich unsanft aus dem Raum.

Kapitel 7

Als sich die Tür hinter Accobran und Brocc schloß, wandte sich Fidelma wieder den drei Aksumitern zu, die immer noch reglos dasaßen, als hätten sie das soeben Geschehene nicht mitbekommen.

»Habt ihr irgend etwas auf Broccs Vorwürfe zu erwidern?« fragte sie ruhig. Darauf herrschte Schweigen. Fidelma fügte nun hinzu: »Das Gesetz verpflichtet euch nicht zu einer Aussage, doch eure Aussage könnte der Lösung des Falls dienen. Je eher wir diese Angelegenheit aufklären, desto besser für alle.«

»Darauf gibt es nichts zu erwidern, Schwester«, sagte Bruder Dangila kurz und bündig. »Du hast bereits festgestellt, daß der Mann einem von uns etwas vorwirft, aber nicht sagen kann, wem genau. Selbst wenn es stimmen würde, was würde es schon beweisen? Es ist keineswegs schlüssig, daß einer von uns oder wir alle drei etwas mit den Morden zu tun haben.«

Fidelma mußte zugeben, daß Brocc als Augenzeuge unbrauchbar war, da er niemanden zu identifizieren vermochte.

»Ihr behauptet also, in der Vollmondnacht alle im Kloster gewesen zu sein?«

Bruder Dangila stieß einen leisen Seufzer aus.

»Wir schlafen hier und studieren hier«, erwiderte er leise, ohne genau auf ihre Frage einzugehen.

»Und in der Nacht des Vollmondes davor, als Beccnat ermordet wurde?« fragte Fidelma müde. »Kannst du dich an die Nacht erinnern? Wo warst du, wo waren die anderen, und was habt ihr getan?«

»Wir verlassen die Abtei höchst selten«, meinte Bruder Dangila in ruhigem, würdevollem Ton. »Wir widmen uns hier unseren Studien und versuchen, von den Mönchen eure Sprache zu erlernen. Und ganz sicher spazieren wir im Dunkeln nicht draußen herum, wo uns Angst und Voreingenommenheit begegnen könnten, wie sie etwa dieser Brocc verkörpert.«

»Was für Studien betreibt ihr?« erkundigte sich Fidelma und runzelte leicht die Stirn.

»Ist dein Land nicht ein Zentrum der Bildung?« fragte Bruder Gambela lächelnd. Er hatte inzwischen Vertrauen gefaßt und gemerkt, daß er sich gut auf griechisch verständigen konnte. »Die Kenntnisse, die wir hier erwerben, werden uns in unserem Land sehr zustatten kommen.«

»Seid ihr deshalb hier?« Fidelma hatte beschlossen, ein anderes Thema anzuschneiden.

Bruder Dangila schüttelte den Kopf. »Unsere Geschichte ist sehr lang, vielleicht langweilt sie euch nur.«

»Erzähle sie uns bitte«, bat ihn Fidelma.

»Nun gut. Wir drei sind Aksumiter, wie ich schon sagte. Wir stammen nicht aus Adulis, sondern aus dem Landesinneren. Doch wir wurden nach Adulis zu einer Versammlung der Vertreter der christlichen Gemeinden unserer Nachbarländer Malqurra und Alwa gerufen. Uns faszinierte die große Stadt Adulis, und wir gingen zum Hafen am Fluß, um die Schiffe zu betrachten, die dort aus allen Ecken der Welt eintreffen, um Handel zu treiben. Das war unser Verderb, denn wir wurden überfallen und bewußtlos geschlagen, und als wir aufwachten, befanden wir uns im Inneren eines Schiffsrumpfes weit auf See. Sklavenhandel ist ein sehr profitables Geschäft für jene, die in unserem Teil der Welt kein Gewissen haben. Unser Leid an Bord schien nicht enden zu wollen. Doch schließlich erreichten wir einen fremden Hafen und wurden an Land gebracht. Man behandelte uns zwar schlecht, doch der Herr hielt seine Hand über uns und ließ uns drei zusammen. Am Ende landeten wir in Rom. Rom, der Stadt, die von sich sagt, das Zentrum des Glaubens zu sein, den wir so schätzen. Und als man uns in Ketten durch die Stadt führte, riefen wir den Menschen zu, daß auch wir Christen seien. Als sie aber erfuhren, daß wir Aksumiter sind, grölten sie und prangerten uns als Ungläubige und Ketzer an.«