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»Gobnuid«, sagte er trotzig.

Sie hatte schon vermutet, daß sie an ihn geraten war. Was für eine ironische Fügung war es doch, daß sie ausgerechnet ihn angesprochen hatte, wo sie einen beliebigen Schmied über die Goldvorkommen in dieser Gegend hatte befragen wollen.

»So nimm diesen Rat mit auf den Weg, Gobnuid.

Die Angst vor dem Fremden soll keinen Haß in dir säen. Denn Haß ist die Rache eines schwachen Menschen, den etwas Fremdes einschüchtert und verängstigt.«

Sie war immer noch wütend, doch sie hatte dieses Gefühl unter Kontrolle und versuchte ihre Stimme ruhig klingen zu lassen. Mit Zorn konnte man in Rath Raithlen nichts ausrichten. Jetzt erinnerte sie sich daran, daß sie seinen Namen zum erstenmal aus dem Mund des Kochs Sirin gehört hatte.

»Ich glaube, du kanntest Sirins Nichte Ballgel, nicht wahr?«

Der Schmied zuckte mit den Schultern.

»Wer hat sie hier in Rath Raithlen nicht gekannt?« erwiderte er. »Unsere Ansiedlung ist nicht so groß.«

»Da hast du recht. Man sagte mir, daß es zwischen euch einige Unstimmigkeiten gegeben hat.«

Gobnuid starrte sie verärgert an. »Wer sagt das?«

Fidelma sah, daß er seine Hand nervös zusammenballte.

»Also stimmt es gar nicht? Hast du sie nicht auf dem Fest des heiligen Finnbarr zum Tanz aufgefordert? Und sie hat dir einen Korb gegeben? Du warst wie toll, und alle haben es mitbekommen.«

Die Lippen des Schmieds bildeten jetzt eine schmale Linie. »Auf das Mädchen war ich nicht wütend, sondern auf die einfältigen Burschen, mit denen sie sich abgab. Außerdem machten sie sich auf einmal über mein Alter und mein Aussehen lustig, nur weil ich mich getraut habe, Ballgel aufzufordern. Auf das alles war ich wütend.« »Und nicht auf Ballgel, weil sie dir einen Korb gegeben hatte?«

»Als ich von ihrem Tod erfuhr, war ich ganz außer mir. Ich hatte sie davor gewarnt, sich dem trügerischen nächtlichen Himmel anzuvertrauen.«

Fidelma starrte ihn an.

»Wie kommst du darauf?« fragte sie.

»Ballgel und die anderen gingen immer zu Liag, der ihnen den Kopf mit diesen törichten Märchen über den Mond und die Sterne vollstopfte. Brocc hat mir verraten, auch seine Nichte Escrach sei derart davon beherrscht gewesen, daß sie sogar die Fremden befragen wollte.«

Fidelma gab sich Mühe, nicht zu zeigen, wie sehr sie das in Erstaunen versetzte. »Weswegen wollte sie die aufsuchen?«

»Wegen der Kräfte des Mondes. Liag hatte Escrach gesagt, daß die Fremden allerlei über die Eigenschaften der Gestirne wußten. Genau darum sollte man sie von hier fortjagen.«

Fidelma rang nach Luft. Dann war Liag also im Bilde, daß die Wißbegierde der Aksumiter besonders auf die Sternenkunde gerichtet war?

»Sag mir, Gobnuid, der Heilkundige hat demnach Ballgel und Escrach die Gesetze des Himmels erklärt? Wer war noch dabei?«

»Über all die Jahre wohl eine ganze Menge. Ich habe selbst öfter seinen Ausführungen gelauscht.«

»Es gingen auch Jungen hin?«

»Ja, sogar Accobran, unser Tanist«, erwiderte er.

»Und denk daran, daß die Fremden ebenfalls über solches Wissen verfügen und die Geheimnisse des Mondes kennen. Das allein reicht mir schon als Beweis, daß in der Abtei das Böse umgeht.«

Fidelma sah den Schmied mißbilligend an. »Das ist überhaupt kein Beweis. Denk du lieber daran, daß es mir nur um die Wahrheit geht. Niemand soll versuchen, mich von meinen zielstrebigen Untersuchungen und Entscheidungen abzubringen, sonst wird er mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Die Strafe wird dementsprechend hoch sein.«

Sie hatte sich schon ein Stück von der Schmiede entfernt, als sie instinktiv noch einmal zurückblickte. Gobnuid untersuchte konzentriert etwas in seiner Hand, das im Schein des Schmiedefeuers funkelte. Es handelte sich um den Goldklumpen, den er zu Eisenkies erklärt hatte. Fidelma eilte weiter.

Als sie das Gästezimmer betrat, schaute Eadulf auf. Er hatte bereits ein Bad genommen und sich für das Abendessen in Beccs Halle angekleidet.

»Viel Zeit hast du nicht mehr«, sagte er. Dann sah er ihr nachdenkliches Gesicht. »Was ist geschehen?«

»Ich hatte gerade eine aufschlußreiche Unterhaltung mit dem Schmied Gobnuid. In dieser Siedlung herrschen Vorurteile gegenüber den Fremden, man fürchtet sich vor ihnen. Es wird nicht genügen, die Aksumi-ter nur aus Mangel an Beweisen freizusprechen. Es muß bezeugt werden, daß sie unschuldig sind.«

»Du glaubst also wirklich, daß sie unschuldig sind?« fragte Eadulf.

Fidelma sah ihn streng an. »Glauben hat nichts damit zu tun.«

Eadulf zog die Augenbrauen hoch. »Ich würde mir erst ein Urteil über Schuld oder Unschuld erlauben, wenn ich alle Fakten zusammengetragen hätte. Bisher sind viele Fragen noch gar nicht gestellt, geschweige denn beantwortet worden.«

Fidelma ließ sich aufs Bett fallen. Natürlich hatte Eadulf recht. Vermutete sie jetzt schon bei Menschen Vorurteile, die gar keine hatten?

»Die Aksumiter haben so gut wie zugegeben, daß in jener Nacht einer von ihnen auf dem Hügel war«, meinte Eadulf weiter. »Die Tatsache, daß Brocc nicht genau erkennen konnte, wer von den dreien dort saß, spricht sie nicht von Schuld frei. Es ist vielmehr das Eingeständnis, daß sie gelogen haben. Und wann lügen die Leute? Wenn sie etwas zu verbergen haben.«

Fidelma seufzte tief. »Du hast recht, Eadulf. Es tut mir leid, wenn ich vorhin so gereizt reagiert habe. Doch mit blindem Vorurteil kann ich nicht umgehen.« Sie erhob sich. Es war höchste Zeit. »Ich muß ein Bad nehmen. Geh du schon in Beccs Halle voraus und entschuldige mich. Sage, daß ich gleich kommen werde.«

Kapitel 8

Tags darauf beschloß Fidelma nach dem Frühstück, Goll und seine Familie aufzusuchen. Sie sagte Accobran, daß sie die Pferde nehmen würden, die gestrige Wanderung sei doch sehr strapaziös gewesen. Zwar hatte es sich nur um kurze Entfernungen gehandelt, doch das Gelände war an- und absteigend, und die schmalen Waldpfade hatten sich als ermüdend erwiesen. Der Tanist ließ also Pferde satteln. Unterdessen begutachteten Fidelma und Eadulf die hohen Wachtürme, die an den Toren der dreifachen Schutzwehr zur Festung standen.

»Ziemlich imposant«, meinte Eadulf, während er zu einem Turm hochschaute.

Fidelma lief auf den Eingang zum Turm zu.

»Laß uns hinaufsteigen. Mal sehen, was sich alles von oben entdecken läßt«, rief sie Eadulf zu. »Dann können wir uns ein Bild von der Landschaft machen.«

Leise stöhnend folgte Eadulf ihr, denn er war nicht schwindelfrei. In dem hölzernen Turm führten Holzleitern zu den einzelnen Plattformen. Eadulf zählte fünf davon, ehe sie auf ein flaches Dach hinaustraten. Die Oktobersonne schien sanft auf sie herab. Eadulf schaute furchtsam nach unten. Der Wald, der sich in alle Richtungen wie ein grüner Teppich ausbreitete, war von silbernen Linien durchzogen, das waren Flüsse, die sich durch die Täler wanden. Im Norden und Westen konnten sie die vagen Schatten eines Gebirges ausmachen.

»Eine wunderschöne Landschaft«, sagte Fidelma und streckte sich. Obwohl es schon Herbst war, wurde es in der Sonne noch recht warm. Auch Eadulf spürte die Wärme. Er war neben der Luke stehengeblieben, durch die sie hinausgeklettert waren, während Fidelma am Rand der Plattform stand. Dort wagte er sich nicht hin. Sie schaute auf das Gelände hinunter, das sie gestern durchquert hatten. Ob Eadulf nun hinuntersah oder sein Blick in die Ferne schweifte, er fühlte sich unwohl. Als würde er das Gleichgewicht verlieren; als würde er von der Erde in die Leere des Himmels fallen. Schweiß trat ihm auf die Stirn.

Fidelma bemerkte das alles nicht. Sie berechnete wohl gerade die Länge bestimmter Wegstrecken in dem waldigen Gebiet.

»Komm mal her und sieh dir das an, Eadulf«, forderte sie sie ihn auf »Kein Wunder, daß hier so viele Orte garran heißen.«

»Garran? Was bedeutet das?« fragte er geistesabwesend, obwohl er es nur zu gut wußte.