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Der Holzfäller zögerte und blickte zu Boden.

»Du verdächtigst die Fremden?« fragte Eadulf. »Die aus der Abtei?«

Goll seufzte und schüttelte den Kopf. »Ich weiß nichts von diesen Fremden. Mir ist zu Ohren gekommen, daß Brocc meint, sie wären die Mörder. Er hat es geschafft, auch andere davon zu überzeugen.«

»Zum Beispiel Gobnuid, den Schmied von Rath Raithlen?«

»So ist es«, stimmte ihm Goll zu.

»Und du?«

»Ich weiß nur, daß es da jemanden gibt, der do bhiodh tinn le go in an re

Eadulf brauchte etwas Zeit, um sich die Bedeutung dieser Worte zu erschließen. »Jemand, der mondsüchtig ist, jemand, der von der Kraft des Mondes angezogen wird.«

»Und der gehört nicht zu den Cinel na Äeda?« meinte nun Fidelma. »Dann sind wir wieder bei den Fremden.«

Zu ihrer Überraschung schüttelte Goll den Kopf.

»Ich bin nicht wie Lesren. Ich setze keine Gerüchte in die Welt. Eigentlich gehört nicht viel dazu, jemanden zu finden, der den christlichen Glauben ablehnt, sein Leben nach dem alten Glauben ausrichtet und die verbotenen Namen der Sonne und des Mondes benutzt. Ich war dagegen, daß mein Sohn mit den anderen solche Dinge lernte.«

Eadulf verwunderten die Worte des Holzfällers. Er öffnete schon den Mund, um etwas zu sagen, da drehte sich Fidelma rasch um und warf ihm einen mahnenden Blick zu. Also schwieg er.

»Ich habe verstanden, Goll«, sagte sie ruhig.

Sie erhob sich, und die anderen standen ebenfalls auf.

»Vielen Dank für eure Gastfreundschaft.« Fidelma lächelte Finmed an. »Ich hoffe, wir bringen bald Licht in das Dunkel und bereiten eurer Misere ein Ende.«

Finmed lächelte traurig. »Ich fürchte, mein Sohn hat durch meinen ersten Fehler schon genug gelitten.«

»Welchen Fehler meinst du?« Fidelma runzelte die Stirn.

»Den Fehler, Lesren überhaupt geheiratet zu haben. Aber ich war jung und unschuldig und wußte nicht, daß sich hinter einer schönen Fassade ein selbstsüchtiger und gewalttätiger Charakter verbergen kann. Es tut mir so leid - nicht um meiner selbst willen, denn ich werde von meinem Ehemann und meinem Sohn geliebt, sondern wegen Bebhail. Sie hat nun unter Lesren zu leiden und mußte zusätzlich noch den Verlust ihres einzigen Kindes, ihrer Tochter Beccnat, hinnehmen.«

Voller Mitgefühl legte Fidelma ihre Hand auf den Arm der Frau. »Du hast ein großes Herz, Finmed, wenn du Mitleid für die arme Bebhail empfindest. Doch sie könnte ihn ebenso verlassen, wie du es getan hast, wenn ihr Dasein unerträglich wäre. Vielleicht ist sie zufrieden mit ihrem Los an Lesrens Seite, denn sie leben schon siebzehn oder achtzehn Jahre als Mann und Frau zusammen. Davon abgesehen, ist der Verlust eines Kindes für jede Mutter schlimm.«

Später ritten Fidelma und ihre beiden Begleiter den Krähenhügel hinunter. Nach einer Weile sagte Eadulf: »Fidelma, wen hat Goll wohl im Auge gehabt, als du ihn nach der Person fragtest, die er verdächtigt?«

»Ich muß seine Wünsche respektieren, Eadulf. Er wollte keinen Namen nennen. Aber es ist ein Name, der mir auch schon in den Sinn kam und den ich ebenfalls nicht preisgeben werde. Denn hat man erst einmal eine Person einer Untat bezichtigt und ist damit im Unrecht, setzt man plötzlich zerstörerische Mächte frei.«

Sie bemerkte, daß eine leichte Verärgerung über Accobrans Gesicht huschte. Dann fragte er: »Wo reiten wir nun hin, dalaigh?«

Zum erstenmal in ihrer Laufbahn mußte Fidelma zu ihrer Überraschung zugeben, daß sie nicht wußte, wie ihr nächster Schachzug aussehen sollte. Sie hatte alle möglichen Schritte zur Aufklärung des Falls unternommen, doch überall war sie in eine Sackgasse geraten. Goll hatte ihr eine Person nahegelegt, die auch schon ihren Argwohn erregt hatte. Doch mit so wenig, wie sie bis jetzt wußte, hatte es keinen Sinn, selbige genauer unter die Lupe zu nehmen. Zunächst benötigte sie weitere Informationen. Eines hatte Fidelma gelernt: Man verschafft einem eventuellen Täter Gelegenheit, sich um sein Alibi und seine Verteidigung zu kümmern, wenn man ihn verfrüht mit unbegründeten Verdächtigungen konfrontierte. Nein, das durfte sie nicht tun.

»Wohin also, Lady?« wiederholte Accobran, denn er meinte, Fidelma hätte seine Frage nicht gehört. Wie er sie so anschaute, fiel ihr ein, daß sie einer Sache noch nicht nachgegangen war.

»Gabran ist wohl nicht gerade ein Freund von dir«, sagte sie zu dem Tanist. »Wie kommt das?«

Accobran errötete, die Frage kam unerwartet. »Das ist eine Sache zwischen mir und ihm.«

Fidelma blickte ihn tadelnd an. »Das möchte ich gern selbst beurteilen, Accobran.«

»Ich versichere dir ...«

»Als Tanist«, unterbrach ihn Fidelma, »solltest du etwas vom Recht und von den Befugnissen einer dalaigh verstehen.«

Accobran atmete tief aus. »Nun gut. Gabran nahm an, daß ich mich heimlich mit Beccnat traf.«

»Und stimmt das?« fragte sie ruhig.

Der junge Mann errötete wieder, schüttelte aber den Kopf. »Beccnat war ein hübsches Mädchen. Auf Festen und anderen Feierlichkeiten haben wir ein-, zweimal miteinander getanzt, weiter nichts. Ich glaube, Gabran war eifersüchtig, das ist alles. Ich habe auch mit Escrach und sogar mit Ballgel getanzt, wenn wir schon darüber sprechen.«

»Und mehr war da nicht?« wollte Fidelma wissen.

»Das war alles.«

»Du hättest mir vorher von deiner Beziehung zu Beccnat erzählen sollen«, warf sie ihm vor.

»Es gab keine Beziehung.«

»Aber du kanntest sie und hast mit ihr getanzt. Und Gabran glaubt, daß mehr dahintersteckte.«

Accobran war ungehalten. »Mehr war da nicht.«

»Wir haben schon oft festgestellt, daß bloße Verdächtigungen stärker das Handeln beeinflussen als die Wahrheit.«

Der Tanist sah sie überrascht, aber auch ein wenig verunsichert an. »Willst du damit sagen .?«

»Wenn ich rede, versuche ich mich klar auszudrük-ken«, fuhr sie ihn an.

Es folgte ein längeres Schweigen. Fidelma hatte beschlossen, noch einmal mit Bruder Dangila zu sprechen.

Kapitel 9

Fidelma trennte sich auf dem Weg nach Rath Raithlen trotz lauter Proteste ihrer Begleiter von ihnen, um allein die kurze Strecke zur Abtei des heiligen Finnbarr zurückzulegen.

»Es ist Mittag«, erläuterte sie dem besorgten Eadulf. »Was soll mir schon zu dieser Stunde geschehen, wo doch der Mörder, nach dem wir suchen, nachts bei Vollmond handelt?«

Auch Accobran war gegen ihr Vorhaben.

»Solange du dich auf dem Gebiet der Cinel na Äeda aufhältst, bin ich für deine Sicherheit verantwortlich, dalaigh«, wandte er ein. »Zumindest ich sollte dich begleiten.«

»Sowohl dein Beistand als auch Eadulfs ist unnötig«, erwiderte sie. »Ich reite allein zur Abtei und werde danach in die Burg zurückkehren. Übrigens, falls euch das interessiert, ich werde noch vor Sonnenuntergang wieder da sein.«

Erst nach weiteren Beschwichtigungen und dem Einsatz ihrer ganzen Autorität gegenüber Accobran konnte sich Fidelma auf den Weg machen. Sobald Eadulf und Accobran außer Sicht waren, ließ sie ihr Pferd in einen leichten Galopp fallen. Der Wind blies ihr kühl ins Gesicht. Sie mußte vor Freude lächeln. Kaum hatte sie als Kind laufen gelernt, hatte sie auch schon auf einem Pferderücken gesessen, ganz im Gegensatz zu Eadulf. Fidelma genoß das Reiten, und es gab nur wenige Dinge, die für sie den Reiz eines Galopps übertreffen konnten. Sie hatte so lange mit ihrem kleinen Kind im Schloß von Cashel zubringen müssen, daß es ihr guttat, wieder einmal in der Natur zu sein. Auch liebte sie von Zeit zu Zeit die Einsamkeit und war gern mit ihren Gedanken allein.