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»Nein, ich fürchte, es geht um jemand aus dem engsten Kreis unseres Fürsten Becc. Und ich sage es dir auch nur unter vier Augen und möchte nicht, daß andere erfahren, was ich dir jetzt erzähle.«

Fidelma verzog den Mund. »Bruder Solam, ich kann dir nichts versprechen. Wenn du Beweise hast für ein begangenes Unrecht .«

Bruder Solam schüttelte den Kopf.

»Das ist es nicht, nein«, erwiderte er rasch. »Ich will dich nur von verdächtigem Verhalten in Kenntnis setzen.«

»Nun, wenn das zu dem Schuldigen führen sollte, kann ich deinen Namen nicht verschweigen. Du müßtest dann vor einem Brehon erscheinen und deine Aussage beeiden.«

Eine Weile schwieg Bruder Solam, doch schließlich nickte er bedächtig. »Es läßt mir keine Ruhe. Ich muß es dir einfach sagen. Eigentlich wollte ich es ja für mich behalten, doch dazu bin ich nicht in der Lage.«

»Nun gut, dann fang an.«

Noch einen Moment schwieg Bruder Solam, dann sagte er: »Genau in jener Vollmondnacht, in der Es-crach umgebracht wurde, lief ich quer durch das Eberdickicht zur Abtei zurück. Es war kurz vor Mitternacht, und ich hörte das Angelusläuten der Klosterglocke.«

»Warum warst du so spät unterwegs?«

Bruder Solam beugte sich zu ihr vor. »Ich habe einen Bruder, der hinter dem Paß des Hohen Waldes wohnt, nicht weit von hier, und hatte die Erlaubnis, ihn an jenem Tag zu besuchen. Das tat ich auch. Erst spät machte ich mich auf den Rückweg.«

»Gut. Sprich weiter.«

»Plötzlich sah ich eine Gestalt auf mich zukommen. Nein, diese Gestalt lief vielmehr den Hügel hinauf.«

»Und du hast diese Gestalt erkannt?«

»Natürlich. Es war Escrach.«

Fidelma war erstaunt. Sie hätte eher angenommen, daß Bruder Solam Brocc bemerkt hatte.

»Willst du etwa sagen, du hast Escrach noch kurz vor ihrem Tod gesehen?«

Mit gedämpfter Stimme bestätigte es Bruder Solam. »Ich habe es all die Wochen für mich behalten.«

»Und habt ihr miteinander geredet?«

»Natürlich. Ich fragte sie, warum sie spätnachts so weit von ihrem Zuhause entfernt unterwegs sei. Sie lachte mich nur aus. Weißt du, wie anmaßend die Jugend heutzutage sein kann? Dann meinte sie, ich solle mir keine Sorgen machen, sie wüßte, was sie täte und wen sie treffen würde. Das waren genau ihre Worte.«

»Was geschah dann?« fragte Fidelma.

Bruder Solam hob den Kopf. »Oh, dann ging sie weiter, den alten Pfad entlang.«

»Welchen alten Pfad? Den Hügel hinauf? Wohin führt er?«

»Der alte Pfad führt eigentlich zu den Höhlen oben auf dem Hügel. Ich schätze nur, daß sie bis dahin gar nicht kam, denn ich hörte, man hätte ihre Leiche unterhalb davon gefunden, in der Nähe des Steinkreises, den wir den Kreis der Wildschweine nennen. Wenn ich sie doch nur aufgehalten hätte.«

»Vielleicht hättest du auch nicht verhindern können, was dann passierte. Sag mir, hast du noch eine andere Person bemerkt - zum Beispiel Brocc? Oder jemand anderen?«

»Brocc?« fragte der Verwalter erstaunt. »Was hätte der denn auf dem Hügel zu tun gehabt?«

»Oder jemand anderen?« wiederholte Fidelma eindringlich.

Bruder Solam nickte geschwind. »Und das bereitet mir solche Sorgen.«

Fidelma sah ihn an.

»Wen hast du gesehen?« fragte sie streng.

Nicht zum erstenmal im Laufe dieser Unterhaltung lehnte sich Bruder Solam verschwörerisch zu ihr vor. Sein Atem roch unangenehm nach Zwiebeln. Angewidert schreckte sie zurück.

»Du mußt mir versprechen, daß du diese Mitteilung mit äußerster Vorsicht behandelst.«

»Das mache ich mit allem«, erwiderte sie leicht gereizt. »Aber dir muß klar sein, wie wichtig deine Aussage ist. Du sprichst von demjenigen, der vielleicht der letzte war, der Escrach lebend gesehen hat.«

Bruder Solam hob den Arm, als wolle er sich entschuldigen. »Versteh doch, die Sache beunruhigt mich sehr, und mir liegt daran, daß man äußerst zurückhaltend mit dem umgeht, was ich dir erzähle, damit es nicht falsch ausgelegt wird.«

»Überlaß die Auslegung und die Vorsicht mir. Wenn deine Mitteilung wertvoll ist, werde ich beurteilen, wie und wann sie verwendet wird. Was bereitet dir also solch ein Unbehagen?«

»Escrach ging weiter den alten Pfad entlang. Ich lief den Hügel hinab auf die Abtei zu.«

»Ich verstehe«, sagte Fidelma, als der Mönch wieder innehielt.

»Ich war schon dicht dran, da hörte ich ein Fuhrwerk heranrollen. Der Mond schien hell, ich konnte dunkle Umrisse auf dem Weg erkennen. Ich weiß nicht mehr, warum ich beiseite unter die Bäume trat. Ich glaube, es lag an einem der beiden Männer auf dem Kutschbock.«

»Was für ein Fuhrwerk war das?«

»Ein normaler fen, ein gewöhnlicher Frachtkarren, der von zwei Ochsen gezogen wird. Warum fragst du?«

»Im Detail liegt die Antwort, Bruder Solam. Du hast also ein Gefährt gesehen und dich versteckt. Etwas beunruhigte dich. Wie sah dieser Wagen aus? Hatte er massive oder Speichenräder?«

»Er hatte massive Räder.«

»Diese Art Räder deuten darauf hin, daß der Besitzer nicht so wohlhabend ist wie der eines Wagens mit Speichenrädern. Du hast also einen ziemlich einfachen Karren gesehen. Und dich hat der Anblick des einen Mannes so verschreckt, daß du dich versteckt hast.«

Bruder Solam nickte. »Einen von ihnen habe ich nicht erkannt. Das gebe ich zu. Aber ich sah sein Gewand.«

»Sein Gewand?«

»Es war einer der drei Fremden, die sich im Kloster aufhalten.«

Fidelma blinzelte heftig. Das war aber auch das einzige, was ihre Überraschung verriet. Also hatte Brocc doch recht gehabt. Einer der Fremden war in jener Nacht auf dem Hügel gewesen.

Bruder Solam erzählte weiter. »Ich sah das weiße Gewand, das die Aksumiter tragen, und mir fiel auf, daß der Mann recht groß und sein Gesicht dunkel war.«

»Und du sagst, daß der andere das Gefährt lenkte. Wer war der Mann?«

»Genau das bereitet mir solches Unbehagen.«

Fidelma starrte ihn an. »Der Anblick eines der Fremden in jener Nacht auf jenem Fuhrwerk hat dich nicht beunruhigt? Sondern der Kutscher. Wer war das? Sag es mir.«

Bruder Solam mußte schlucken, dann antwortete er: »Der Kutscher war der Tanist.«

Fidelmas Augenbrauen schossen in die Höhe. »Ac-cobrän?«

»Ja, es war wirklich der Tanist Accobrän«, bekräftigte der Mönch noch einmal.

Einen Moment lang herrschte Schweigen. Mit einer Handbewegung forderte Fidelma Bruder Solam auf fortzufahren.

»Ich fürchtete mich und hatte mich daher verborgen. Was hatte der Fremde wohl nachts draußen zu suchen? Was machte Accobrän auf einem simplen Fuhrwerk, neben dem Fremden? All das ging mir durch den Kopf. Als sie mein Versteck passierten, konnte ich ein paar Fetzen ihrer Unterhaltung aufschnappen, schließlich war die Nacht still und klar. Sie unterhielten sich auf griechisch. Die Fremden scheinen diese Sprache gut zu beherrschen, im Kloster verständigen wir uns auch so mit ihnen.«

»Du sprichst Griechisch?« fragte Fidelma.

»Ich kann Dion Chrysostomos, Hippolytos, Diogenes Läertios, Herodot von Halikarnassus und andere übersetzen«, erwiderte er.

Fidelma unterbrach ihn. »Und was hast du von diesem Gespräch aufgeschnappt?«

»Der Fremde sagte, daß die Dinge unter einem günstigen Stern stünden. Daß sie wie die Tochter von Hyperion und Theia Macht über die Nacht hätte und noch einmal ihren Zauber auf Endymion ausüben würde.«

»Und weißt du auch, was er damit meinte?«

»Ich kenne nur das Griechisch aus den christlichen Texten. Doch er bezog sich wohl auf einen heidnischen Glauben, dem kein guter Christ die Ohren öffnen sollte.«

»Du hast deine Ohren vermutlich nicht verschlossen, oder?«

»Accobran antwortete, daß, solange Selene die Nacht beherrschte, ihnen noch viel Arbeit bevorstünde, denn bald würde Eos ihr Tun unterbrechen, und das Opfer der Nacht müßte noch davor gebracht werden. Mehr habe ich nicht mitbekommen, weil der Wagen an mir vorbei war und den Hügel aufwärts verschwand, in der gleichen Richtung, die Escrach eingeschlagen hatte.«