Выбрать главу

Der Junge lachte verbittert. »Ich habe ihnen gesagt, daß ich es im Fluß gefunden habe. Ich wollte nicht, daß sie herausbekommen, wo ich es wirklich her habe. Doch jetzt ist es mir egal. Reich werde ich sowieso nicht.«

»Also hast du den Klumpen nicht aus dem Fluß?« fragte Fidelma noch einmal nach.

Der Junge schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn im Eberdickicht gefunden. Dort gibt es alte Minen.«

»Im Eberdickicht?« erkundigte sich Fidelma erstaunt.

Der Junge zeigte auf den Hügel vor ihnen. »Eigentlich heißt so der Wald auf der Hügelkuppe, doch inzwischen nennt man den ganzen Hügel so.«

»Wieso kriechst du in deinem Alter in Minen herum?« wollte Eadulf wissen. »Das ist doch sicher gefährlich, oder?«

»Hier in der Gegend werden viele Erze abgebaut«, erwiderte der Junge. »Mein Vater hat schon dort gearbeitet, da war er kaum älter als ich. Jetzt sind die Stollen stillgelegt. Wir spielen da immer. Ich meine, die Jungen aus der Gegend hier.«

»Du hast also in den Minen des Eberdickichts gespielt und dabei den Goldklumpen gefunden?«

Der Junge rümpfte die Nase.

»Ich habe da nicht gespielt, sondern ich war auf Erkundung«, berichtigte er.

Fidelma lächelte kurz. »Selbst wenn es so war, solltest du vorsichtig sein. Mein Gefährte hat recht. Es ist sehr gefährlich, in alten Minen zu spielen . Nein,

Erkundungen anzustellen.«

Wieder schniefte der Junge und blickte wie abwesend auf den Fluß. Fidelma verabschiedete sich von ihm, da er aber nicht antwortete, ritten sie und Eadulf einfach weiter.

»Warum wolltest du unbedingt wissen, wo der Junge das falsche Gold her hat?« fragte Eadulf ein wenig vorwurfsvoll, nachdem sie ein Stück weg waren. »Wir sollten uns auf andere Dinge konzentrieren.«

Fidelma sah ihn an. »Ich möchte herausbekommen, warum das Metallstück, das mir Gobnuid zeigte - das Stück, das der Junge gefunden hat -, angeblich Katzengold sein soll, obwohl es richtiges Gold ist. Ich habe früher schon einmal echtes Gold und Eisenkies, sogenanntes Katzengold, in den Händen gehalten und kann es unterscheiden. Den Klumpen in Gobnuids Schmiede habe ich mir genau angesehen. Es war Gold.«

Eadulf starrte sie eine Weile an, ehe er etwas sagen konnte. »Du meinst also, der Schmied hat den Jungen übers Ohr gehauen?«

»Er hat ihm mit Sicherheit nicht die Wahrheit gesagt.«

»Warum sollte er das tun? Nur um Geld zu machen?«

Fidelma antwortete nicht gleich. Dann sagte sie: »Genau das möchte ich ergründen. Die Mädchen sind alle in diesem Waldstück, dem Eberdickicht, umgekommen. Ob es da einen Zusammenhang gibt?«

Beide verfielen wieder in Schweigen. Schließlich sagte Eadulf: »Wie lange werden wir deiner Meinung nach noch hier bleiben?«

»Hier? Im Wald?«

»Nein, in Rath Raithlen.«

»Wenn man uns zur Lösung eines Falls wie diesen hinzugezogen hat, bleiben wir da nicht wie immer, bis die Sache geklärt ist, Eadulf?« fragte sie erstaunt.

»Früher hat es kein kleines Wesen gegeben, das auf unsere Rückkehr wartet«, erwiderte er. »Du hast nicht einmal von Alchü geredet, seit wir von Cashel weg sind.«

»Nur weil ich den Namen meines Sohnes nicht ständig auf den Lippen trage, habe ich ihn nicht vergessen«, fuhr Fidelma ihn an. Ihr Aufbrausen war ihren Schuldgefühlen zuzuschreiben, denn sie hatte bis zum heutigen Vormittag tatsächlich nicht einmal an Alchü gedacht.

»Seit wir aus Cashel fort sind, haben wir kein einziges Mal über unseren Sohn gesprochen«, sagte Eadulf ruhig, doch er betonte das »wir«.

Fidelma errötete vor Scham. Sie wußte, daß Eadulf recht hatte, doch das regte sie nur noch mehr auf.

»Müssen wir denn von ihm sprechen? Er ist in Saraits Obhut auf Schloß Cashel. Wir haben uns hier vor Ort um wichtigere Dinge zu kümmern.«

Eadulf packte die Gelegenheit beim Schopfe. »Alchü ist noch nicht mal einen Monat alt, und du hast ihn einer Amme überlassen. Da ich an der medizinischen Hochschule von Tuam Brecain studiert habe, weiß ich genau, daß das Stillen eines Kindes der Mutter Kraft und Gesundheit wiedergibt und die Bindung zwischen Mutter und Kind stärkt, statt ...«

»Eadulf, es ist weder die rechte Zeit noch der rechte Ort, meine Fähigkeiten als Mutter in Frage zu stellen«, entgegnete sie schroff.

Eadulf beherrschte sich. »Ich bin nicht sicher, ob ich deine Stimmungen begreife, Fidelma. Seit der Geburt unseres Sohnes hast du dich stark verändert.«

»Ist es etwa verboten, sich zu verändern?« Sie wußte sehr wohl, was er meinte, hatte sie doch selbst ihre Beweggründe hinterfragt. »Manchen Menschen täte eine Veränderung gut!« Sie wurde zusehends gereizter, gerade weil sie wußte, daß sie im Unrecht war. »Wenn du dir solche Sorgen um das Kind machst, warum reitest du nicht nach Cashel zurück, und ich bleibe hier, um den Fall zu lösen?«

Eadulf sah sie resigniert an.

»A verbis ad verbera«, seufzte er, »von Worten zu Schlägen.«

Fidelma wollte schon wütend etwas entgegnen, doch dann seufzte sie ebenfalls. Sie lehnte sich vor und legte reumütig eine Hand auf Eadulfs Arm.

»Wir wollen vorerst nicht mehr darüber reden, Eadulf. Dring bitte nicht weiter in mich. Meine Stimmung ändert sich von einem Augenblick zum anderen, ohne daß ich einen Grund dafür erkenne.«

Eadulf blickte sie besorgt an. »Das hast du mir noch nie anvertraut.«

Sie lächelte ein wenig. »Du hättest es merken können.«

»Das habe ich schon, aber ich habe nicht ange-nommen, daß du krank .«

Sie fiel ihm ins Wort. »Das ist kein körperliches Leiden. Ich handele, als wäre ich im Fieber. Manchmal fürchte ich um mich. Meistens, wenn ich an unser Baby denke, Eadulf. Wenn ich mich auf andere Dinge konzentriere, ist nach wie vor vernünftig, was ich tue. Und das macht mir noch mehr Angst.«

Eadulf fuhr sich mit der Hand über den Kopf. »Ich glaube mich zu erinnern, daß eine Mutter nach der Geburt eines Kindes durchaus unglücklich sein kann . Davon habe ich gehört.«

»Wenn wir wieder in Cashel sind, will ich den alten Conchobhar aufsuchen«, warf Fidelma rasch ein. »Bis dahin wollen wir nicht mehr darüber sprechen.«

Conchobhar war der erste Arzt von Cashel und außerdem Astrologe.

Eadulf begriff, daß es keinen Sinn hatte, die Angelegenheit weiterzuverfolgen. Schweigend ritten sie in das Dickicht der Bäume hinein, die immer enger standen. Sie versuchten sich rechts vom Fluß zu halten, doch der gewundene Pfad führte sie von ihrem Ziel ab, so daß sie ein-, zweimal umkehren mußten, um eine andere Route einzuschlagen. Auf einmal befanden sie sich in einer Gegend, die sie beide wiedererkannten.

»Dort ist der Hügel«, murmelte Eadulf, als sie an einer lichten Stelle am Fluß anhielten. »Wie hat ihn Accobran gleich genannt?«

»Cnoc a’ Bhile«, antwortete Fidelma.

»Richtig. Der Hügel des heiligen Baumes.« Eadulf seufzte. »In so einem Baum sollen die heidnischen Götter einst gewohnt haben.«

»Bile war eine heilige Eiche, heißt es bei den Vorfahren, und als sich Danu, das göttliche Wasser des Himmels, auf die Erde ergoß, wuchs die Eiche und trug Eicheln. Aus jeder Eichel kam ein heidnischer Gott oder eine Göttin hervor. Deshalb wird das alte irische Göttergeschlecht auch Tuatha de Danann, Kinder der Göttin Danu, genannt.«

»Ich dachte, daß Bile der Gott der Dunkelheit und des Todes sei und aus der Unterwelt stamme.«

»Christen aus Rom waren es, die hierherkamen und sich die alte Göttin Danu so vorgestellt haben. Für unser Volk ist die Eiche immer noch heilig. Viele unserer Stammesfürsten wurden unter den Zweigen einer Eiche in ihr Amt eingeführt, denn sie ist das Symbol unserer Könige, der Ursprung unseres Volkes. Es gilt als Frevel, so einen heiligen Baum zu fällen. Der Amtsstab eines Fürsten oder Königs ist aus Eichenholz und verleiht ihm besondere Macht. Der Großkönig hatte früher ein Zepter aus Eschenholz. Die Esche nannte man Bile Dathi, sie ist ebenfalls heilig und gehört zu den sechs wundertätigen Bäumen Irlands.«