Выбрать главу

»Hat Lesren mal in den Minen gearbeitet?«

Liag schüttelte den Kopf. »Warum fragst du das?«

»Erinnerst du dich daran, wer laut unseren Vorfahren als erster Gold in Irland entdeckt hat?«

Der Heilkundige wirkte überrascht. »Wieso fragst du? Nun, es war Tigernmas, der sechsundzwanzigste Großkönig von Eireann, nachdem die Gälen gekommen sind. Er ließ zum erstenmal in diesem Land Gold schmelzen. Zu seiner Herrschaftszeit gab es Unmengen von goldenen Trinkbechern und Broschen, so wird berichtet, und Uchadan war sein oberster Kunsthandwerker.«

Eadulf blickte Fidelma ziemlich verwirrt an, schien sie sich doch in Belanglosigkeiten zu verlieren.

»Ich habe gehört, daß die Minen alle stillgelegt worden sind.«

»Das stimmt, Lady«, bestätigte ihr Liag. »Nicht weit von hier wird noch ein wenig Blei abgebaut, aber mit dem Wohlstand von damals ist es vorbei.«

»Ich schätze, hier würde sich einiges ändern, wenn man neue Edelmetallvorkommen entdeckte, nicht wahr?«

Liag grinste. »Sicher, aber vermutlich nicht zum Besseren. Ich meinerseits ziehe die Ruhe und den Frieden vor, die mit Abgeschiedenheit und Mittellosigkeit einhergehen. Reichtum nährt Gier, und Gier zieht Haß nach sich und dann auch das Verbrechen

»Verbrechen wie einen Mord?« mischte sich Eadulf ein, der allmählich die Geduld verlor. »Machen sich solche Verbrechen nicht heute schon in deinem Idyll breit, Liag?«

Liag drehte sich zu Eadulf um. »Du bist ziemlich direkt, sächsischer Bruder. Zweifellos dringst du mit deiner Direktheit zum Kern der Dinge vor. Und doch ziehe ich mein Idyll vor, wie du es nennst. Der Ort ist nicht verantwortlich für das Böse im Herzen der Menschen, die an ihm leben. Man sagt, daß Geld den Charakter verdirbt.«

Eadulf wollte schon etwas entgegnen, doch Fidelma ging zu ihrem Pferd und band es los.

»Vielen Dank für deine Auskünfte, Liag. Wir müssen in die Festung zurück. Nur noch eine Frage. Wann wurdest du zu Beccnats Leiche gerufen?«

Der Alte sah sie erstaunt an. »Am Morgen nach Vollmond. Ich dachte, das sei klar.«

»Und auch Escrach und Ballgel hast du dir am Morgen nach Vollmond angesehen?«

Liag nickte.

»Noch einmal vielen Dank, Liag. Du hast uns sehr geholfen.«

Liag erwiderte nichts, er blieb reglos stehen, bis sie auf die Pferde gestiegen und davongeritten waren. Als sie außer Hörweite des alten Mannes waren, lehnte sich Eadulf zu Fidelma vor.

»Warum bist du so an den Minen interessiert? Was hat das Gold mit den Morden zu tun?« erkundigte er sich.

»Vielleicht hätte ich dir schon früher sagen sollen, daß ich mich frage, welche Rolle das Gold bei alldem spielt. Wenn Lesrens letztes Wort wirklich Biobhal war, dann wird die Sache noch viel interessanter.«

»Wie meinst du das?«

»Weil ich nur einen Biobhal kenne. In den Schriften heißt es, daß vor langer, langer Zeit, noch ehe die Kinder der Gälen an diese Ufer kamen, unser Land von Fremden überfallen wurde. Partholon, der Sohn von Sera, der seinen Vater ermordet hatte in der Hoffnung, die Herrschaft über das Königreich an sich reißen zu können, führte einen dieser Überfälle an. Doch er wurde des Landes verwiesen, und er und seine Anhänger gelangten ins Königreich von Muman. Partholon soll hier die Kunst des Pflügens eingeführt und durch Rodung freie Flächen geschaffen haben, er hat die Landwirtschaft begründet und Herbergen bauen lassen. Dann brach die Pest aus, und er und sein Volk wurden ausgelöscht.«

»Und was hat dieser Biobhal damit zu tun?« fragte Eadulf.

»Biobhal gehörte zu Partholons Gefolge. Ihm sagt man nach, als erster in diesem Königreich Gold entdeckt zu haben.«

Eadulf lächelte belustigt. »Solche Geschichten erzählen die Alten den Kindern im Winter am Feuer. Das ist doch kaum von Belang.«

Fidelma seufzte. »Darum geht es nicht. Für jeden, der sich mit den alten Legenden in diesem Königreich auskennt, steht Biobhal für Gold. Ich wüßte zu gern, warum Lesren mit seinem Namen auf den Lippen gestorben ist.«

»Jetzt ist mir klar, warum du Liag nach Goldvorkommen gefragt hast. Doch er kannte den Namen Bi-obhal offenbar nicht. Er erwähnte einen gewissen Tigernmas.«

»Ja, das ist wirklich eigenartig«, stimmte sie ihm zu. »Gewiß hat er den Namen Biobhal schon einmal gehört, doch er hat sich für Tigernmas entschieden. Das war der Großkönig, unter dessen Herrschaft man hier mit dem Schmelzen von Gold begann. Und den Namen Biobhal gibt er vor nicht zu kennen.«

»Ich verstehe das nicht«, sagte Eadulf.

»Ich auch nicht. Hier wird viel über Gold geredet. Ich muß mir dieses Eberdickicht unbedingt genauer anschauen.«

»Den Ort, wo der Junge auf das Katzengold gestoßen ist?«

»Den Ort, wo der Junge echtes Gold fand, um das Gobnuid ihn betrogen hat«, berichtigte ihn Fidelma.

»Nun gut. Doch was werden wir in den stillgelegten Minen des Eberdickichts schon entdecken? Wie sollte uns das bei der Aufklärung des Mordes an Les-ren helfen?«

»Wer weiß?«

Eadulf starrte sie verblüfft an. »Willst du damit sagen, daß du einen Zusammenhang zu den Morden an Beccnat, Escrach und Ballgel siehst?«

Fidelma schwieg sich aus.

Sie blickte durch das hohe Baumdach zum Himmel hinauf. Dann zeigte sie auf einen Pfad, der vom Ufer fortführte.

»Folge mir, Eadulf.«

Sie lenkte ihr Pferd auf den schmalen Pfad.

»Was ist?« fragte er. »Wo willst du hin?«

»Vermutlich gelangen wir hier auf den Hauptweg, und von dort aus können wir westwärts hinauf zum Eberdickicht reiten.«

»Es wird bald dunkel«, stellte Eadulf besorgt fest. »Was können wir da schon groß finden?«

Fidelma schaute sich zu ihm um.

»Ich bin keine Prophetin. Ich weiß es auch noch nicht«, erwiderte sie gereizt.

Eadulf zog es vor zu schweigen.

So ritten sie eine Weile weiter, bis sich der Pfad so verengte, daß die Pferde Mühe hatten, selbst hintereinander voranzukommen. Schließlich erreichten sie den Hauptweg. Der führte von den in der Ferne liegenden Toren von Rath Raithlen an der Abtei des heiligen Finnbarr vorbei und dann südwestlich ins Eberdickicht. Bald waren sie oben auf dem Hügel. Nichts wies darauf hin, daß sich hier Minen befinden könnten. Vergeblich suchte Fidelma nach irgendwelchen Anhaltspunkten. Nur jemand, der sich in dem Gelände gut auskannte, hätte sie entdecken können.

Fidelma war enttäuscht. Sie mußte sich eingestehen, daß sie ohne einen Ortskundigen nicht würde feststellen können, wo man hier Gold abgebaut hatte. Es war inzwischen recht kühl geworden. Richtung Osten wurde der Himmel schon dunkler. Verärgert seufzte sie.

Eadulf war so klug, den Mund zu halten, doch gerade sein diplomatisches Schweigen schien sie noch mehr zu reizen.

»Wie du siehst, war ich wieder mal ziemlich vorschnell, Eadulf«, meinte sie.

Der hob eine Hand, machte eine versöhnende Geste.

»Wir kennen uns hier nicht aus und brauchen wohl jemanden, der uns hilft«, bemerkte er leise.

Fidelma preßte verärgert die Lippen aufeinander. »Dann kehren wir besser in die Festung zurück und suchen uns so eine Person.«

Sie wollten schon umdrehen, als sie ein Rascheln hörten. Aus dem Dickicht neben ihnen sprang ein Hund, ein kleiner, kurzbeiniger Jagdhund mit struppigem Fell. Er blieb stehen, begann zu jaulen und zu kläffen.

Ein kurzer Pfiff war zu vernehmen, darauf eine Stimme.

Nun wurde unterhalb der Böschung ein junger Mann sichtbar. Als er Eadulf und Fidelma erblickte, blieb er stehen. Auf seinen breiten Schultern trug er einen erlegten Keiler. Mit der einen Hand hielt er ihn fest, in der anderen hatte er einen Bogen aus Eibenholz. An seinem Gürtel hing neben einem Jagdmesser ein Köcher mit vielen Pfeilen. Seine Kleider waren aus Wildleder. Das kastanienbraune Haar, das bis auf die Schultern fiel, wurde von einem Stirnband zusammengehalten. Er sah gut aus und lächelte gewinnend.