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»Seid ihr wirklich nur deshalb hier?« fragte Fidelma betont streng.

Zum erstenmal wirkte der Aksumiter unsicher. Er antwortete nicht sofort.

»Du hast mir erzählt, daß du in den Bergwerken deines Landes gearbeitet hast, ehe du Mönch wurdest«, sagte Fidelma. »In den Goldminen.«

Bruder Dangila seufzte. »Schwester, du bist sehr hartnäckig.«

»Lassen wir einmal den Bergbau beiseite«, fuhr Fidelma sehr zu Eadulfs Verwunderung fort. Er hatte Mühe, ihren Gedankengängen zu folgen. »Reden wir von etwas anderem.«

»Worüber?« fragte Bruder Dangila ein wenig überrascht.

»Hat man dich einmal aufgefordert, vor Liags Schülern zu sprechen?«

»Du meinst die Kinder und Jugendlichen, die er in Sternenkunde unterrichtet?«

»Ja.«

»Ich glaube, du kennst die Antwort schon. Einmal hat sich ein junges Mädchen an mich gewandt.«

»Wie hieß sie?«

»Ich kann mich an die hier gebräuchlichen Namen nur schwer erinnern.«

»In welcher Sprache habt ihr euch unterhalten?« wollte Eadulf nun wissen. »Etwa griechisch? Schließlich hattest du ja keine andere Möglichkeit.«

»Ein wenig beherrsche ich eure Sprache, wenn auch nur unvollkommen. Als mir das Mädchen erklärt hatte, was sie wissen wollte, konnte ich ihr immerhin verständlich machen, daß ich ihr nicht weiterhelfen könnte.«

»Und in welcher Sprache hast du dich mit Liag unterhalten?« fragte Fidelma.

»Der Alte kann Griechisch. Das wußtest du doch sicher, oder?«

Fidelma schüttelte den Kopf. »Das war mir nicht bekannt. Doch es überrascht mich nicht. Sagt dir der Name Escrach etwas?«

Bruder Dangila schüttelte den Kopf.

»Hast du das Mädchen, das dich über die Sternen-lehre befragen wollte, später noch einmal getroffen? Sagen wir in der Vollmondnacht des letzten Monats?«

»Nein.«

»Doch in dieser Vollmondnacht bist du auf dem Hügel gewesen.« Sie deutete auf das Eberdickicht. »Du warst mit Accobran dort.« Sie hatte das als Feststellung und nicht als Frage formuliert.

Bruder Dangila blickte ihr ins Gesicht, schwieg aber.

»Ist dir bewußt, daß du mir deine Geschäfte mit Accobran offenlegen mußt?« fragte sie.

»Was sein muß, muß sein. Falls ich gegen eure Gesetze verstoßen habe, so tut es mir aufrichtig leid. Doch weder ich noch meine Gefährten haben die drei Mädchen umgebracht, wie manche hier behaupten.«

Fidelma stand auf. »Ich werde dir und den anderen beiden Brüdern mitteilen, wann die offizielle Anhörung in dieser Angelegenheit stattfindet. Bis dahin rate ich dir noch einmal, ja, ich warne dich, nicht den Schutz dieser Abtei zu verlassen.«

Als sie entlang des Flußufers durch den Wald ritten, sagte Eadulf: »Dieser Fall ist für mich völlig undurchschaubar. Früher war mir zumindest immer die Richtung klar, die wir einzuschlagen hatten. Doch hier folgt ein Verwirrspiel dem nächsten.«

»Weil wir es mit mehreren rätselhaften Dingen gleichzeitig zu tun haben und nicht nur mit einem einzigen. Mein Verdacht geht dahin, daß sie alle irgendwie zusammenhängen. Ich bin mir ganz sicher, über kurz oder lang stehen wir vor der Lösung.«

Überraschenderweise trafen sie Liag am Fluß. Er saß mit einer Angel auf einem Felsen. Als sie ihre Pferde an einem niedrig hängenden Ast eines Baumes festbanden, hob er nur ein wenig den Kopf.

»Sprecht leise, sonst vertreibt ihr die Fische«, sagte er, als sie auf ihn zukamen.

»Suchst du nach dem Lachs des Wissens, Liag?« fragte Fidelma ein wenig boshaft. Sie ließ sich auf einen großen Stein nieder.

Gleichmütig erwiderte der Alte. »Für eine Forelle wird es langen, der Lachs ist ein recht edler Fisch.

Doch ich fürchte, daß eine gewisse dalaigh die Eigenschaften des Fintan eher benötigt.«

Eadulf verstand nicht, was er damit sagen wollte. Also bat er um eine Erklärung.

»Das ist eine alte Legende, mein sächsischer Freund. Fintan, ein großer Lachs, aß von der verbotenen Haselnuß des Wissens, bevor er in einen großen Fluß nördlich von hier schwamm, der den Namen der Göttin der Kühe trägt, Boann. Der Druide Finegas fing eines Tages diesen Lachs, von dem man wußte, daß er das ganze Wissen der Welt besaß. Doch vor der Mahlzeit wollte sich Finegas ausruhen und beauftragte darum seinen jungen Gehilfen Fionn, den Sohn von Cumal, damit, den Spieß mit dem Fisch im Feuer zu wenden, verbot ihm jedoch, davon zu essen. Plötzlich verbrannte sich Fionn den Daumen an dem heißen Fisch und saugte den Saft weg. So gelangte er zu großer Weisheit. Er wurde zum heldenhaften Anführer der Fianna, der auserwählten Schar wilder Krieger und Jäger der Großkönige.«

Eadulf rümpfte dazu nur die Nase.

»Wir interessieren uns nicht für alte Volksmärchen«, bemerkte er geringschätzig.

Liag blickte Fidelma an.

»Wirklich nicht?« fragte er freundlich.

»In gewisser Weise schon«, sagte Fidelma. »Ich würde gern mehr erfahren über alte Sagen und dein Wissen über die Gestirne.«

Liag nickte bedächtig. »Das dachte ich mir schon. Diese Dinge habe ich viele Generationen von Menschen gelehrt.«

»Stimmt es, daß auch die drei Mädchen zu deinen Unterweisungen kamen?«

»Und viele andere ebenfalls.«

»Etwa Accobran?«

»Ja, auch Accobran, Menma, Creoda, Gabran und sogar ihre Väter früher. Man kann sie gar nicht alle aufzählen.«

»Sogar Bruder Dangila teilt deine Interessen, wie ich hörte. Ich wußte nicht, daß du Griechisch sprichst.«

»Ein Mensch in meinem Beruf muß viele Sprachen beherrschen, Fidelma, so wie du.«

»Wie ist deine Beziehung zu Bruder Dangila?«

»Er ist ein intelligenter Mann, ein Gelehrter seines Volkes. Wir treffen uns und unterhalten uns über die Himmelskörper, denn die sind wie Landkarten der Zivilisation. Die Menschen schauten zum Himmel empor und lernten vieles. Wann man aufstehen und arbeiten oder zu Bett gehen und schlafen muß. Als der Mensch die Bewegung der Gestirne erkannte, merkte er, daß sie ihm Auskunft über die Zeit geben konnten, über das Ausbringen der Saat und die Einfuhr der Ernte, wann man Wärme und Kälte zu erwarten hatte oder wann die Tage länger oder kürzer wurden. All diese Dinge lassen sich einzigartig vom Himmel ablesen, wenn wir es nur beherzigen würden, wie es unsere Vorfahren einst taten.«

Für den alten, sonst so wortkargen Heilkundigen war das eine lange Rede.

»Du und Bruder Dangila, ihr verfügt also über die gleichen Kenntnisse?«

»Unser Wissen ist ganz unterschiedlich, wo wir doch aus verschiedenen Ländern und Kulturen stammen.«

»Hast du Escrach geraten, sich an ihn zu wenden?«

Liag schwieg nachdenklich. »Escrach war eine vielversprechende Schülerin. Man darf sie nicht mit ihrem Onkel Brocc vergleichen. Ich habe ihr nicht geraten, sich an Dangila zu wenden, doch ich erwähnte ihr gegenüber ein paar wundersame Sachen, die er wußte. Sie ist von sich aus zu ihm gegangen. Ich habe gehofft, daß sie eines Tages auf eine dieser nichtchristlichen Schulen gehen und von ...«

»Von Druiden unterrichtet werden würde?« warf Eadulf vorwurfsvoll ein.

Liag sah ihn spöttisch an. »Jemand, der meine Ansichten teilt, wird niemandem eine Schule des neuen Glaubens empfehlen, wo sich der Geist bei engstirnigen Lehren nicht frei entfalten kann. Escrach sollte sich in einer offeneren Welt entwickeln.«

»Aber sie hat sich mit Bruder Dangila nicht richtig unterhalten können.«

»Es überraschte mich schon, als sie mir erzählte, daß sie mit Bruder Dangila ein Gespräch gesucht hatte.«

Fidelma sah ihn an. »Also hat sie erst ihn getroffen und hinterher dich?«

»Habe ich das nicht gesagt?«

»Wann war das?«

»Mehrere Tage vor Vollmond, wenn du das wissen willst. Nein, Dangila hat sie nicht umgebracht. Sie sagte mir, daß sie spazieren war und Bruder Dangila gesehen hat. Also ist sie auf ihn zugegangen und hat versucht, von ihm etwas über die Eigenschaften des Mondes zu erfahren. Zum Beispiel wie der Mond die Bewegung der Meere beeinflußt, die Gezeiten an unseren Ufern bestimmt. Das wollte sie unbedingt wissen. Doch ihre Sprachkenntnisse reichten dazu nicht aus.«