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Ich habe bereits daraufhingewiesen, daß mein Plan auf Martins Angst und Herberts Heldenverehrung beruhte, doch es gab noch einen dritten Faktor: Die beiden jungen Männer waren sich, was Statur und allgemeine Erscheinung angeht, überraschend ähnlich. Aus einiger Entfernung konnte man sie leicht miteinander verwechseln.

Ich zog sie ins Vertrauen und unterbreitete ihnen meine Überlegungen. Für Martin war es danach nicht mehr nötig, sich dem Schrecken seiner Nachtwache zu unterwerfen. In der bezeichneten Nacht sollten sie, direkt nach dem Abendessen, auf ihre jeweiligen Zimmer gehen. Damit niemand dazwischenkam und die Täuschung bemerkte, sollte Martin deutlich machen, daß er nicht gestört zu werden wünschte. Herbert sollte Martins Kleidung anlegen und Martin die von Herbert. Um einen Zeitverlust bei der Wiederherstellung der alten Identitäten zu vermeiden, schlug ich vor, daß Herbert einen Satz eigener Kleidung und einen von Martins Sachen in eine Tasche packen und Martin mitgeben sollte. Diese Tasche sollte Martin auf den Gepäckträger von Herberts Motorrad packen und sich dann sofort - durch den Hinterausgang - zum Pfarrhaus aufmachen. Zur richtigen Zeit sollte Herbert, in Martins Kleidung und versehen mit dessen Schlüsseln, zum Gouverneurszimmer aufbrechen und die Anweisungen befolgen, genau wie es die Familientradition der Starberths vorschreibt.

Dies, wohlgemerkt, ist das, was ich den beiden erzählte. Meine eigenen Pläne sahen anders aus. Doch lassen Sie mich fortfahren. Genau um Mitternacht sollte Herbert das Gouverneurszimmer wieder verlassen. Martin sollte ihn dann, nachdem er im Pfarrhaus seine eigenen Sachen wieder angezogen hatte und zurückgefahren war, auf der Straße vor dem Gefängnis erwarten. Dann würde Herbert seinem Vetter die Schlüssel, die Lampe und den schriftlichen Beweis seiner ordnungsgemäß durchstandenen Nachtwache aushändigen, und Martin würde zu Fuß zum Herrenhaus zurückkehren. Herbert sollte sodann das Motorrad nehmen, zur Pfarrei kommen, dort seine Kleider wechseln und ebenfalls zurückkehren, nachdem er angeblich während der Bewährungsprobe seines Vetters bloß eine Fahrt über Land gemacht hatte, um die Spannung von sich abzuschütteln.

Meine eigenen geheimgehaltenen Absichten dabei, das brauche ich wohl nicht extra zu betonen, waren erstens, mir selbst ein bombensicheres und unerschütterliches Alibi zu verschaffen und es, zweitens, so aussehen zu lassen, als sei der Mord an Martin die Tat Herberts. Um das zu erreichen, setzte ich hartnäckig auf ihren Familienstolz, welcher ja, für sich genommen, ein sehr begrüßenswerter Wesenszug ist. Ich legte ihnen nahe, auf welche Weise -auch wenn der strikte Wortsinn der Bewährungsprobe nicht eingehalten würde - dennoch ihr Geist bewahrt werden könnte. Herbert sollte nämlich die Eisenkassette aus dem Tresor öffnen, ohne jedoch irgend etwas von deren Inhalt eingehender zu untersuchen. Vielmehr sollte er stattdessen alles in seine Tasche stecken und es um Mitternacht, wenn sie sich vor dem Gefängnis wieder treffen würden, Martin aushändigen. Auf dem Rückweg zum Herrenhaus konnte Martin sich dann alles in Ruhe ansehen. Falls Mr. Payne anderntags protestieren sollte, weil aus der Kassette etwas entnommen worden war, das nicht hätte herausgenommen werden sollen, dann konnte Martin glaubhaft einen Irrtum vorschützen. Ein harmloser Schnitzer nur, denn sein Unternehmen bewies ja in jedem Fall, daß er den Sinn dieser Bewährungssprobe erfüllt und eine Stunde im Gouverneurszimmer verbracht hatte.

Mein eigenes Vorgehen war klar. Sobald Martin ins Pfarrhaus kam - es durfte nicht später sein als einundzwanzig Uhr dreißig -, konnte ich ihn dort erledigen. Sehr zu meinem Bedauern habe ich seinen Tod nicht gänzlich schmerzlos herbeiführen können. Doch ein Schlag mit einer Eisenstange ließ ihn bewußtlos werden, bevor ihm das Genick gebrochen und die anderen Verletzungen beigebracht wurden. Dann konnte er, ohne daß ich Verdacht erregte, in meinem Wagen zum Hexenwinkel transportiert und dort neben dem Brunnen plaziert werden. Der Wetterbericht hatte trübes und regnerisches Wetter prophezeit, was sich als zutreffende Voraussage erwies. Danach begab ich mich zu Dr. Fell. Ich hatte bereits vorgeschlagen, gemeinsam das Fenster des Gouverneurszimmers im Auge zu behalten. Ich war mir sicher, daß es kein besseres Alibi für mich gab. Wenn später, genau um Mitternacht, das Licht im Gouverneurszimmer pünktlich verlöschte, hätte sich auch die Unruhe der Zuschauer wieder gelegt. Man hätte angenommen, Martin habe seine Nachtwache sicher überstanden. Kurz darauf wäre ich gegangen. Ich war mir sicher, daß Herbert so lange geduldig vor dem Gefängnis warten würde, wie ich nur wollte, denn er wartete ja auf seinen Vetter; und sehen lassen würde er sich auch nicht. Je später ich kam, desto besser. Sobald ich bei Dr. Fell weggefahren wäre, hätte ich den Wagen wieder abgestellt und wäre mit Herbert zusammengetroffen. Ich hätte ihn informiert, daß sein Vetter sich unglücklicherweise während meiner Abwesenheit im Pfarrhaus schwer betrunken habe - eine Behauptung, die bei seinem Verhalten sehr nahelag - und daß es notwendig sei, daß Herbert mich begleite, um Martin wieder auf die Beine zu bringen, bevor Miss Starberth sich Sorgen machte.

Mit den Schlüsseln, der Lampe und dem Inhalt der Kassette wäre er mit mir zur Pfarrei gefahren. In seinem Fall gab es keine Notwendigkeit für Manipulationen. Eine Kugel reichte aus. Später in der Nacht hätte ich dann gefahrlos zum Gefängnis zurückkehren und sicherstellen können, daß Herbert dort nichts übersehen hatte. Zwar hatte ich zunächst versucht, einen Anlaß zu finden, ihn auch noch die Balkontüre öffnen zu lassen. Doch dann fürchtete ich, er könnte Verdacht schöpfen, und beschloß, dieses Arrangement lieber selbst vorzunehmen.

Was tatsächlich geschah, brauche ich hier wohl kaum zu rekapitulieren. Nur in einem Punkt (auf den ich noch hinweisen werde) ging mein Plan schief, doch meine Geistesgegenwart bewahrte mich vor einer gefährlichen Situation. Aber dann war's reiner Zufall, der mich besiegte. Herbert wurde von dem Butler gesehen, als er die zu wechselnden Kleidungsstücke einpackte; das wies auf Flucht hin. Und Martin - den man für Herbert hielt - wurde gesehen, als er den rückwärtigen Weg mit dem Motorrad entlangfuhr; ein weiteres Anzeichen für Flucht. Miss Starberth betrat gerade die Eingangshalle (unvorhergesehener Zufall), als Herbert in Martins Rolle das Haus verließ. Sie sah ihn nur noch von hinten, zudem aus einiger Entfernung und bei trübem Licht. Als sie ihn anrief, murmelte er bloß irgend etwas, um Betrunkenheit zu simulieren; auf diese Weise blieb der Rollentausch unentdeckt. Nicht ein einziges Mal wurde einer der beiden direkt angesprochen oder unmittelbar von Angesicht zu Angesicht gesehen, während er in die Identität des anderen geschlüpft war. Auch als Budge die Fahrradlampe in Martins Zimmer hinaufbrachte, wo Herbert bereits auf ihn wartete, hat er niemandem, wie er es erzählte, die Lampe direkt übergeben; vielmehr ließ er sie einfach vor der Tür stehen. Und als Budge, während er die Lampe aus dem Schuppen holte, Martin auf dem Motorrad sah, war das im Dunkel der Nacht und Martin fuhr gerade weg.

Ich unterzog Martin seiner tödlichen Behandlung. Ich gestehe, daß ich dies nur zögernd tat, denn er hatte mir fast unter Tränen immer wieder die Hand gedrückt und mir gedankt, daß ich ihn vor seiner größten Bedrängnis bewahrt hatte. Doch ein plötzlicher Schlag, als er sich gerade über die Whisky-Karaffe beugte, und ich war für meine Arbeit stimuliert. Er war ein Leichtgewicht. Da ich zu den kräftigeren Männern zähle, hatte ich danach nicht die geringsten Schwierigkeiten. Ein rückwärtiger Weg, der hinter Yew Cottage entlangführt, brachte mich in die Nähe des Gefängnisses. Ich legte die Leiche neben den Brunnen unter den Balkon und fuhr dann zu Dr. Fett zurück. Zunächst hatte ich noch mit der Idee gespielt, die Stahlspitzen des Brunnens durch den Toten zu bohren -als realistisches Detail sozusagen, das von der Geschichte um Anthonys Tod gestützt wurde-, doch dann ließ ich diese Absicht wieder fallen. Es hätte ein bißchen zu gut gepaßt, es wäre eine allzu konstruierte Bestätigung des Fluches der Starberths gewesen.