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Maggie umarmte ihre Tochter. „Hallo, mein Schatz. Ich wusste gar nicht, dass du heute vorbeikommen wolltest. Komm, setz dich, du kommst gerade rechtzeitig zur Nachspeise.“

„Onkel John! Was machst du denn hier? Wir haben uns ja ewig nicht gesehen. Lass dich drücken.“ Da John bei Renies Geburt bereits im Ausland gewesen war, hatten sie sich über die Jahre nur selten gesehen. Dennoch bestand eine besondere Sympathie zwischen beiden. Renie ließ sich auf einen Stuhl plumpsen und verkündete, „Eigentlich wollte ich nur schnell einen Packen von meinen Sachen vorbeibringen. Aber wenn das so ist, dann bleibe ich heute Nacht hier und wir können uns gemütlich unterhalten.“

„Natürlich kannst du hierbleiben, Renie. Es ist mir sowieso lieber, wenn du nachts nicht allein unterwegs bist.“

Renie rollte bei den Worten ihrer Mutter belustigt die Augen.

„Ach, Mum, sei doch nicht immer so gluckenhaft. Mir passiert schon nichts. Übrigens konnte ich mein Zimmer für das nächste halbe Jahr an eine Kommilitonin aus Ecuador untervermieten. So lange ich in Südafrika bin, brauche ich es ja nicht. Oh, ich kann kaum noch erwarten, dass es losgeht.“ Während sie gesprochen hatte, hatte sie mühelos eine Schale Pudding verdrückt. Sie holte sich einen großzügigen Nachschlag.

„Erzähl mal, Renie. Was wirst du dort tun?“

Erfreut über das Interesse ihres Onkels schilderte sie ihm haarklein, welche Aufgaben in Mhluzi, einem Township nordöstlich von Johannesburg, auf sie warteten.

„Es wird also ganz toll werden und wir können wirklich etwas für die Leute bewirken“, schloss sie schließlich mit leuchtenden Augen und fuhr im selben Atemzug fort „Nun erzähl du aber mal von dieser Mordgeschichte im Tower. Das Mädchen war ja wie ich an der LSE. Aber diese Businesstypen an der Wirtschaftsfakultät haben mit uns Sozialwissenschaftlern so gut wie nichts zu tun. Die haben meistens nur Dividendenausschüttungen und Börsenkurse im Kopf.“

John warf seiner Schwester einen schnellen Seitenblick zu. Sie presste die Lippen aufeinander.

„Renie, ich weiß auch nicht viel mehr, als die Zeitungen schreiben.“, sagte er vorsichtig.

„Denkst du, euer Ravenmaster ist wirklich der Täter? Als du uns damals bei unserem Besuch im Tower vorgestellt hast, hat er eigentlich sehr nett gewirkt.“

„George und ich sind Freunde. Daher fällt es mir schwer zu glauben, dass er ein Mörder sein soll.“, antwortete John ausweichend. Renies hellwacher, prüfender Blick erinnerte John lebhaft an den Superintendenten.

„Gibt es denn Hinweise auf eine Verbindung zwischen ihm und Julia?“, bohrte sie weiter.

„Äh…“

Wieder rettete Maggie ihren Bruder, indem sie ihre wissbegierige Tochter ermahnte, „Renie, zügle deine Neugierde. Erstens ist dies kein geeignetes Thema für ein Abendessen mit deiner neunjährigen Schwester und zweitens kannst du dir doch denken, dass John als Mitglied der Beefeater über interne Vorgänge nichts sagen darf.“

„Aber wir sind doch hier unter uns – “, begehrte Renie auf, ließ das Thema aber nach einem mörderischen Blick ihrer Mutter wohlweislich fallen.

Nachdem John mit den drei Kindern ein lebhaftes Tischfußball-Match geführt hatte, fanden die beiden Erwachsenen Zeit, sich ins Wohnzimmer zurückzuziehen. Einige Augenblicke lang genossen beide schweigend den Anblick des lodernden Feuers im offenen Kamin, während sich der riesige Familienkater King Olaf häuslich auf Johns Schoß einrichtete. John kraulte den Kater unterm Kinn.

„Renie ist eine tolle junge Frau. Sie geht zielstrebig ihren Weg und ist bei allem, was sie tut, mit Leidenschaft dabei.“

Maggie schnaubte.

„Ja, sie weiß genau, was sie will und sie ist ungeheuer zäh darin, das auch zu erreichen. Wenn ich bedenke, wie viele Diskussionen ich mit dem Kind schon hatte! Schon in der Vorschule hat sie angefangen, mit mir Auseinandersetzungen zu führen, egal über was. Vom Pausenbrot über die Hausschuhe bis hin zur Frage, warum wir in England Linksverkehr haben. Was war ich froh, dass das Jurastudium mich argumentieren gelehrt hat.“ Sie kicherte. „Und sie ist wohl einer der der stursten und neugierigsten Menschen auf Gottes Erde. Nein und warum waren ihre ersten Worte.“

„Nun gib schon zu, Maggie, dass du stolz auf deine große Tochter bist. Du hast auch allen Grund dazu. In zwanzig Jahren sehe ich sie schon als Entwicklungshilfeministerin oder Präsidentin der Welthungerhilfe.“ Die Geschwister lachten.

„Und ich wüsste sogar noch einen weiteren Beruf, in dem sie gut wäre: Kriminalpolizistin. Sie ist clever, will den Dingen auf den Grund gehen und sie kann einen schon jetzt beinahe so gut in die Mangel nehmen wie unser geliebter Cousin.“

Dies brachte sie zu dem Anlass, aus dem er heute Abend hier war. „Hast du irgendetwas herausfinden können, Maggie?“

„Ja. Aber John, du darfst keinesfalls mit jemandem über unser Gespräch reden.“

„Das habe ich dir doch schon versprochen. Du kennst mich, ich würde nie dein Vertrauen missbrauchen.“

„Ja, natürlich…. Also, bis jetzt weiß die Metropolitan Police Folgendes: Obwohl die Tote tatsächlich zeitweise in der Konzernzentrale beschäftigt war, wo auch dieser von Düntzen arbeitet, ließ sich bisher keinerlei Verbindung zwischen den beiden finden. Stattdessen hat sich leider herausgestellt, dass es mindestens einen Kontakt zwischen Miss Feldmann und einem Mitglied der Familie Campbell gab: Von ihrem Handy aus wurde in der Wohnung der Campbells angerufen.“ John sog scharf die Luft ein.

„Dann hat George also gelogen? Verdammt.“

Maggie wog zweifelnd den Kopf.

„Es ist nicht bewiesen, dass sie mit George gesprochen hat. Es könnte ja auch seine Frau am Apparat gewesen sein oder vielleicht sogar der Sohn, falls er gerade zu Besuch bei seinen Eltern war. Weiter: George hat am Tag des Mordes zwanzigtausend Pfund bei seiner Bank abgehoben und diese wenige Tage später wieder bis auf den letzten Pence auf sein Konto eingezahlt.“

„Zwanzigtausend Pfund! Ich habe gesehen, wie er mit einem Geldbündel in der Bank verschwand, aber dass es so viel war, hätte ich nicht gedacht.“ John seufzte. „Oh je, das sieht schlecht für George aus. Wenn ich Kriminalbeamter wäre, würde sich mir der Gedanke aufdrängen, die Studentin hätte versucht, George zu erpressen und er hätte sie bei der Übergabe des Geldes umgebracht.“

„Die Theorie verfolgt Simon ebenfalls.“

„Wenn Scotland Yard schon so niederschmetternde Indizien gefunden hat, warum gehen sie dann nicht an die Öffentlichkeit damit? Ich verstehe das nicht.“

„Darauf allein lässt sich kein Fall aufbauen und das weiß Simon. Gerade bei so einer Geschichte von nationalem Interesse darf er sich keinen Fehler erlauben. Und es gibt auch noch ein, zwei Haare in der Suppe.“ John beugte sich erregt nach vorn.

„Was ist das? Nun sag schon“

„Zum einen sind die Tory-Herren, die mit George bei der Schlüsselzeremonie waren, so gut wie sicher, dass er sie zu keinem Zeitpunkt verlassen hat – “

„Damit hat George ein Alibi!“ Wie elektrisiert sprang John aus dem Sessel. King Olaf hatte alle Pfoten voll zu tun, um sich mit einem Satz vor einem Sturz zu retten. Sichtlich beleidigt zog er sich zurück.

„Tut mir Leid, Dicker. Aber das ist ja phantastisch!“

„Immer langsam, John. Keiner von ihnen ist bereit, Georges stete Anwesenheit auch vor Gericht zu beschwören, da sie sich ihrer Sache eben nur fast sicher sind. Dennoch wecken ihre Aussagen Zweifel daran, dass George während des Appells im Innenhof sich, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, minutenlang hätte entfernen können.“

„Okay. Du sagtest, es gäbe ein, zwei Haare in der Suppe – was also noch?“