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„John, mein Freund! Ich … weiß nicht, wie ich dir danken soll. Sir Fitzgerald hat mir erzählt, dass du und der Chief Marcia gerettet habt.“ John lächelte und winkte ab, obwohl er beim Gedanken an das Bad in der Themse immer noch Gänsehaut bekam.

„George, am wichtigsten ist jetzt, dass du mir einige Informationen gibst. Wenn wir den Täter finden können, kannst du endlich wieder nach Hause.“ Bei diesen Worten schien George sich wieder in sich selbst zurückzuziehen. „Was … willst du wissen?“

„Zuerst einmal, wie deine Fingerabdrücke auf den Rucksack von Julia Feldmann gekommen sind.“ George zögerte.

„Ich habe ihn aufgemacht, weil ich etwas gesucht habe.“ Er verstummte.

„Was hast du gesucht?“ Wieder Schweigen.

„Fotos.“

John atmete tief durch. „Dann stimmt meine Vermutung, dass sie dich erpresst hat?“ George nickte.

„Worum ging es dabei?“

Nun trat ein störrischer Ausdruck in Georges Gesicht. „Das musst du nicht wissen. Es tut hier nichts zur Sache.“ John spürte, wie Ärger in ihm hochstieg.

„Bei aller Freundschaft, George: Ich denke schon, dass dies wichtig ist. Also: Was hatte sie gegen dich in der Hand?“

Als Campbell die Lippen aufeinander presste, platzte John der Kragen. „Verdammt noch mal, George, jetzt lass dir mal eines sagen: Mit deinem Verhalten hättest du Marcia um ein Haar in den Tod getrieben. Nicht nur die Polizei, nein, auch deine eigene Frau musste durch dein endloses Schweigen den Eindruck gewinnen, du wärst schuldig. Kapierst du, George: Deine Frau wollte sich umbringen, um dich vom Mordverdacht zu befreien. In ihrem Abschiedsbrief hat sie die Tat auf sich genommen.“

Als John bemerkte, wie George kreidebleich wurde und zu zittern begann, bereute er seine harschen Worte.

„Oh Gott“, stöhnte George und vergrub den Kopf in den Händen. „Was habe ich getan? Meine arme Marcia….“ Plötzlich schien ihm etwas einzufallen. „Aber… wieso hat die Polizei sie dann nicht verhaftet?“

„Mullins hat den Brief vernichtet. Außer ihm und mir hat ihn keiner gelesen.“

„Und – ihr Geständnis war sicher falsch?“

„Davon bin ich überzeugt.“ John sah seinen alten Freund, der um Fassung rang, lange an. Dann fuhr er mit sanfter Stimme fort.

„Du hattest die Befürchtung, sie könnte Julia Feldmann getötet haben. Du warst dir nicht sicher, ob sie etwas von dem Anruf mitbekommen hatte, bei dem das Mädchen dich für Dienstagabend in die Water Lane bestellt hatte. An dem Abend wollte sie ihr Geld und dafür wollte sie dir Fotos übergeben. Auf den Fotos war Richard, nicht wahr?“

George schluckte. „Ja“, brachte er dann heiser hervor. „Er … ist fotografiert worden, als er Drogen gekauft hat. Und auch, als er sie genommen hat. Stell´ dir vor, was es für ihn bedeutet hätte, wenn solche Fotos an die Öffentlichkeit gekommen wären!“ In seine Wangen kehrte wieder etwas Farbe zurück. „Er, der als vehementer Kämpfer gegen Drogen in den Wahlkampf gezogen ist. Das hätte ihn vernichtet, all seine Hoffnungen und Pläne zerstört… Und es hätte auch Marcia zerstört.“

John gingen einige bitterböse Gedanken über doppelte Moral durch den Kopf.

Laut sagte er jedoch, „George, dir ist doch klar, dass im Zeitalter von Digitalkameras, in denen Daten auf irgendwelchen Computerchips unbegrenzt vervielfältigt werden können, ein paar Fotos überhaupt kein Beweis gewesen wären, dass das Mädchen nach deiner Zahlung wirklich Stillschweigen bewahrt hätte.“

George hob hilflos die Achseln. „Sie hat es versprochen. Und ich habe ihr geglaubt. Die Übergabe der Fotos war mehr …symbolisch. Und ich hatte doch keine andere Chance. Sie sagte, sie würde die Fotos ohne die Zahlung – sie wollte zwanzigtausend Pfund – gleich am nächsten Tag an die News of the World weiterleiten. Ich musste es wenigstens probieren.“

„Was sagte sie genau, als sie dich anrief?“

George überlegte. „Zuerst fragte sie, ob ich der Vater von Richard Campbell sei. Als ich das bejahte, fragte sie weiter, ob ich ein Interesse daran hätte, seinen Ruf zu schützen. Ich wusste nicht, was sie meinte. Da erzählte sie mir von den Fotos. Sie kündigte an, dass sie an jenem Abend bei der Schlüsselzeremonie dabei sein würde. Ich sollte sie am Verrätertor treffen, nachdem die Besuchergruppe in den Innenhof weitergegangen war. In den paar Minuten, bevor die Leute wieder herauskämen, sollte die Übergabe stattfinden.“

„Aber du warst nicht zum vereinbarten Zeitpunkt dort. Du warst mit Richards Gästen bei der Zeremonie.“

George nickte. „Ich stand dort wie auf heißen Kohlen. Dass ausgerechnet an dem Abend diese Politikerfreunde von Richard kommen mussten! Natürlich konnte ich nicht nein sagen, als Richard mich bat, die Herren herumzuführen und zu betreuen. Und ich konnte sie ja während der Schlüsselzeremonie auch nicht einfach allein lassen. Also habe ich sie, kaum dass der letzte Ton des Zapfenstreichs verklungen war, auf kürzestem Weg in den Club zurückgebracht und bin unter einem Vorwand wieder hinaus. Die Besuchergruppe war gerade am Verrätertor vorbeigegangen auf dem Weg zum Ausgang. Ich bin hinterher, in der Hoffnung, das Mädchen am Ausgang noch abzupassen. Natürlich habe ich einen Blick hinunter in die Nische geworfen, weil ich dachte, sie hätte vielleicht dort auf mich gewartet. Da sah ich sie.“ George ließ den Kopf wieder hängen.

„Ich schäme mich so. Ich hätte sofort Alarm schlagen sollen, als ich sie gefunden habe. Aber als ich sah, dass das Mädchen tot war, war ich … erleichtert. Wie ein Idiot habe ich gehofft, nun würde niemand von der Sache mit Richard erfahren. Ich habe nach ihrem Rucksack gegriffen und ihn nach den Fotos durchsucht. Weil ich die Schnalle nicht aufbrachte, habe ich meine Handschuhe ausgezogen. Natürlich habe ich in dem Moment nicht an die Fingerabdrücke gedacht, die ich hinterlassen würde.“

„Hast du etwas gefunden?“

„Ja. Sie hatte die Fotos wie versprochen dabei.“

„Was hast du mit ihnen gemacht?“ John beugte sich gespannt nach vorne.

„Ich habe sie noch in der Nacht in kleine Stücke gerissen und ins Klo gespült.“ Die beiden Männer sahen sich lange an. Dann breitete George flehentlich die Hände aus.

„Was soll ich nur tun, John? Wenn ich der Polizei die Wahrheit sage, lassen sie mich vielleicht frei – falls sie mir überhaupt glauben. Aber damit ruiniere ich gleichzeitig das Leben meines Sohnes.“ John suchte nach Worten. Das Dilemma des Ravenmasters ließ keine einfache Lösung zu.

„Denkst du, Richard könnte das Mädchen getötet haben?“, fragte er schließlich. George sah ihn schmerzerfüllt an.

„Wie gerne würde ich dir sagen, John, dass ich das für ausgeschlossen halte – aber ich kann es nicht. Richard hat mir selbst gesagt, er wäre zusammen mit Nigel Owen in der Bar geblieben, um zu telefonieren, während ich mit seinen Parteifreunden bei der Schlüsselzeremonie war. Owen muss das wohl bestätigt haben, sonst hätte die Polizei Richard sicher schon längst zum Verhör geholt. Aber dennoch…“

„Du befürchtest, Owen könnte für ihn gelogen haben, nicht wahr?“

George nickte stumm. „Was soll ein Vater in solch einer Situation nur tun?“

Kapitel 17

Mullins hieb mit der flachen Hand auf die Armlehne seines Ledersessels. „Was für eine verfahrene Geschichte!“, rief er aus, als John ihm alles berichtet hatte. „Für mich ist es sonnenklar, dass Richard dafür geradestehen muss, was auch immer er getan hat. Ob er nun „nur“ Drogen kauft und einnimmt, obwohl er gerade das öffentlich immer wieder lauthals verteufelt, oder ob er sogar ein Mörder ist – der Mann sollte verdammt noch mal zur Rechenschaft gezogen werden.“