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Wenig begeistert begab John sich in den Innenhof hinaus, wo eifrig an einer Reihe von Verkaufsbuden gezimmert wurde. Edwina war gerade dabei, einen bereits fertigen Stand mit Lichterketten zu schmücken. „Ah, John, Sie kommen gerade recht. Könnten Sie mir wohl behilflich sein? Ich reiche nicht so hoch hinauf.“

„Natürlich helfe ich Ihnen. Mein Dienst beginnt heute erst mittags, also habe ich noch ein wenig Zeit.“ Er nahm der molligen Frau eine der Lichterketten ab und begann, sie zu befestigen.

„Mullins hat mich beauftragt, in Vertretung für George morgen bei der Eröffnung des Basars einige Grußworte zu sagen.“

Edwina strahlte. „Das ist schön. Erzählen Sie einfach ein paar Minuten über unsere Raben, das hören die Leute immer gern. Vielleicht ein, zwei lustige Geschichten, da fällt Ihnen bestimmt etwas ein.“ Im Stillen überlegte John, ob eine anschauliche Schilderung seines blutigen Fütterungsunfalls zur vorweihnachtlichen Stimmung beitragen würde.

Nur noch ein Pflaster erinnerte an Brans Attacke. Während der letzten Tage war schon so etwas wie Routine in die täglichen Arbeiten für die Raben eingekehrt und auch die Tiere schienen sich an ihn gewöhnt zu haben.

„Ich glaube, wir werden dieses Jahr einen besonders großen Zulauf haben. Natürlich werden viele Leute in erster Linie kommen, um sich den Schauplatz des Mordes anzusehen und sich ein wenig zu gruseln – aber ich sage Ihnen was: Mir ist das egal. Wir sorgen schon dafür, dass keiner wieder geht, ehe er nicht etwas gekauft hat. So tun selbst die Schaulustigen etwas für unsere gute Sache.“ Edwina lachte vergnügt und reichte John eine große Plastiktüte.

„Sie machen das so wunderbar. Groß, wie Sie sind, benötigen Sie nicht einmal eine Leiter zum Aufhängen. Denken Sie, Sie könnten auch die restlichen Lichterketten noch anbringen?“ Entsetzt blickte John in die prall gefüllte Tüte, aus der ein Gewirr an Kabeln und Leuchten heraushing. „Die … sollen alle aufgehängt werden?“

Edwina nickte mit leuchtenden Augen. „Alles soll heimelig erleuchtet sein. Es wird herrlich aussehen.“ John lächelte schwach. Zwei Stunden später zog er sich mit knurrendem Magen eilends um. Zum Mittagessen war keine Zeit geblieben und auch die paar Kekse, mit denen Edwina ihn versorgt hatte, konnten seinen Hunger nicht dauerhaft stillen. Er wünschte, er hätte sich beim Frühstück mit Renie ebenso den Bauch vollgeschlagen, wie seine Nichte es getan hatte.

Stolz hatte sie ihm einige Aufnahmen von Richard und seinem Wahlkampfteam präsentiert. Auf seine wohlmeinende Ermahnung hin, nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen, sondern erst einmal zu versuchen, das Vertrauen ihrer neuen Arbeitskollegen zu gewinnen, hatte sie nur überlegen gelächelt.

„Du und Mum, ihr meint immer, einen mit euren guten Ratschlägen zupflastern zu müssen. Aber mach dir nicht ins Hemd, John, ich schaukle das Kind schon.“ Mit dem Packen Fotos und Geld fürs Taxi war sie winkend davongezogen.

Wo das Mädchen nur ihre unerschöpfliche Energie her hat – ein bisschen davon würde mir auch nicht schaden, dachte John kopfschüttelnd.

Er erhob sich ächzend und trat seinen Dienst an.

Nach Öffnung der Tore am nächsten Morgen füllte der Tower sich in Windeseile. John wienerte seine Stiefel auf Hochglanz und zog zur Feier des Tages seine Paradeuniform an. Auf dem Weg zur improvisierten Bühne vor dem White Tower musste er sich durch eine dicht gedrängte Menschenmasse kämpfen. Zu seiner Bestürzung waren auch unzählige Presseleute, bewaffnet mit Kameras und Mikrofonen gekommen. Als er etwas atemlos die Bühne bestieg, raunte Chief Mullins ihm zu, „Da sind Sie ja endlich.“

„Dass so viele Leute kommen würden, hätte ich nicht gedacht. Ich musste mir erstmal einen Weg hierher bahnen.“

Edwina trat herzu. „John, ich darf Sie jemandem vorstellen. Dr. Percival Farnsley, Chefarzt am St. Bartholomew´s. Doktor, dies ist John Mackenzie, der sich um unsere Raben kümmert.“ Die Männer schüttelten sich die Hand. „Und dann haben wir hier noch eine sehr wichtige Person, die Ehrenwerte – “

„Meine liebe Mrs. Dunders, Sie brauchen uns nicht vorzustellen. Hallo, John.“

„Patricia! Wir haben uns ja eine Ewigkeit nicht gesehen. Du siehst fabelhaft aus.“

Die Ehrenwerte Patricia Whittington-Armsworth begrüßte John mit einem gezierten Küsschen links, Küsschen rechts.

„Du weißt vielleicht, dass ich dem Förderverein der Klinik vorstehe. Wir bemühen uns gerade, die Gelder für die Einrichtung eines Kinderhospizes zusammenzubringen. Dafür leisten Menschen wie Mrs. Dunders und ihre rührigen Damen einen wichtigen Beitrag.“

Die so Gelobte lächelte verschämt. Dr. Farnsley ergriff Patricias behandschuhte Hand.

„Ohne Ihren Einsatz wären wir nie so weit gekommen, dass wir im nächsten Jahr den neuen Flügel eröffnen können, in dem auch das Kinderhospiz untergebracht werden wird. Es ist phänomenal, mit welchem Elan und welcher Selbstlosigkeit Sie sich in die Dienste der Wohltätigkeit stellen.“

„Aber Doktor – ohne Ihre überragende Kompetenz und Ihren großartigen Ruf hätten wir nie die Forschungsgelder zur Verfügung gestellt bekommen, die wir für die Erweiterung der Onkologie benötigen.“ Alle drei strahlten einander an, während John die Frau des Superintendenten unauffällig musterte.

Er hatte Patricia nur wenige Male gesehen und wusste nicht recht, wie er sie einschätzen sollte. Anders als viele Sprösslinge wohlhabender Familien mit Verbindungen in die besten Kreise des Vereinigten Königreichs, hatte sie ihre jungen Jahre nicht mit Partys in angesagten Clubs und teuren Urlauben auf Yachten und Schweizer Skipisten verbracht, sondern sich schon früh für wohltätige Zwecke aller Art eingesetzt und dabei großes Organisationstalent bewiesen.

Doch fragte John sich, was hinter diesem Engagement steckte. Auf ihn hatte sie nie wie eine warmherzige Person gewirkt, die sich aufrichtig für Bedürftige und Kranke interessierte. Sie war attraktiv, allerdings verdankte sie dies den Heerscharen an begabten Schneidern und Visagisten, die die im Grunde eher unscheinbare Frau in eine ansehnliche Erscheinung verwandelten. Trotz des perfekten Bildes, das Simon und Patricia stets nach außen hin abgaben, fragte John sich, ob zwischen ihr und Simon echte Zuneigung bestand.

Mullins machte sich bereit, ans Rednerpult zu treten. Er knurrte John zu, „Wir mussten haufenweise Pressefritzen einlassen. Angeblich wollen die Kerle über unseren Basar und die wohltätigen Zwecke, für die wir verkaufen, berichten. Da lachen ja die Hühner! In den letzten Jahren sind zum selben Anlass höchstens zwei Reporter erschienen, heute ist es eine ganze Kompanie. Da kann ich mir doch denken, aus welchem Grund die hier sind.“ Mit dieser Befürchtung sollte er Recht behalten. Kaum hatte Mullins mit seinen Begrüßungsworten begonnen, wurde er schon durch die ersten Zwischenrufe unterbrochen.

„Commander Mullins – haben Sie schon einen neuen Ravenmaster eingestellt?“

„Rechnen Sie noch mit der Rückkehr von George Campbell?“

„Was wissen Sie über Campbells Motive?“

„Handelt es sich um eine Verschwörung der Beefeater?“

Mullins bemühte sich, die Presseleute zum Schweigen zu bringen und wieder auf den heutigen Anlass zu verweisen, wurde aber überschrieen.

„Sind Sie der neue Ravenmaster? Wie heißen Sie? Drehen Sie sich hierher!“

Unversehens sah John sich im Rampenlicht. Da löste sich Patricia aus der kleinen Gruppe auf der Bühne und ging nach vorn. Sanft, aber bestimmt schob sie Mullins zur Seite.

„Meine Damen und Herren!“ Da Patricia den Reportern als Stammgast der Gesellschaftsseiten britischer Zeitungen bekannt war, richteten alle Kameras sich auf sie und es wurde ruhig.