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John stemmte die Arme in die Hüften. „Das gibt’s doch nicht. Gibt es denn keine Möglichkeit, in den Armeeunterlagen weiter nachzuforschen? Vielleicht findet sich ja doch irgendwo eine Spur von ihm.“

„Ich denke, Fielder hat getan, was er konnte. Es war ihm ganz offensichtlich zuwider, dass sich nicht mehr Informationen finden ließen. Aber immerhin ist die Sache auch über zwanzig Jahre her. Von den Leuten, die damals mit der Führung der Unterlagen betraut waren, wird kaum noch einer im Dienst sein, den man zur Rechenschaft ziehen könnte. Nein, ich fürchte, hier stehen wir vor einer Sackgasse. Gerry Burrows, wer auch immer er ist, hat seine Spur gekonnt verwischt.“

Kapitel 19

Nach Dienstschluss am kommenden Tag beschloss John spontan, sich den „Laughing Dragon“ einmal selbst anzusehen. Renie hatte ihm erzählt, die Spezialität des Hauses wäre Ente Kanton Art. Beim Gedanken daran lief ihm bereits das Wasser im Mund zusammen, so dass er auf dem Weg nach Chinatown energisch ausschritt. Während er am Eingang des gut besuchten Restaurants darauf wartete, an einen Tisch geführt zu werden, sah er Renie durch die Tischreihen flitzen.

Kaum hatte er sich niedergelassen, steuerte sie auch schon mit einem strahlenden Lächeln auf ihn zu. „Mr. Miller, was für eine Freude, Sie wiederzusehen! Unsere heutige Spezialität sind Meeresfrüchte in Wongzhou-Sauce. Aber vielleicht möchten Sie lieber eines von unseren berühmten Entengerichten probieren? Wissen Sie was, studieren Sie doch in Ruhe unsere Karte und ich bringe Ihnen einstweilen unseren Hausaperitif.“ Schon war sie wieder verschwunden.

John starrte ihr nach. Was zog seine Nichte heute für ein Schauspiel ab? Mr. Miller? Er schlug die umfangreiche Speisekarte auf. Ein loser Zettel mit dem Emblem des Restaurants fiel heraus. „Spiel mit! Egal, was ich tue – R.“

John schluckte. Was hatte Renie vor?

Als sie wieder zu seinem Tisch kam, einen giftgrünen Cocktail in der Hand, hatte er seine Wahl getroffen. „Ich nehme die Ente Kanton und dazu ein großes Mineralwasser, Miss.“

„Bestimmt möchten Sie zuvor noch unsere Sauer-scharf-Suppe kosten, nicht wahr?“ Sie sah ihn beschwörend an.

„Ah, nun ja, wenn Sie sie empfehlen können, werde ich sie probieren.“ Als Renie die Karte nahm, zischte sie ihm zu, „Vertrau mir. Auch wenn du heute hier kein Essen bekommen wirst.“ Bevor er etwas sagen konnte, hatte sie sich abgewandt. Mit wachsender Nervosität ließ John seinen Blick über das große Lokal schweifen.

Soweit er das sehen konnte, machte seine Nichte ihren Job sehr gut. Sie bediente schnell und effizient und hatte für jeden Gast ein freundliches Lächeln. Außer ihr waren noch zwei weitere Kellnerinnen im Einsatz, beides Asiatinnen.

„So, Sir, hier habe ich Ihre Suppe und Ihr Wasser.“ Als Renie sich nach vorne beugte, um die Suppentasse abzustellen, glitt diese vom Unterteller. Ihr dampfender Inhalt ergoss sich über John. Morcheln und Bambussprossen übersäten Sakko und Hose.

„Au, verdammt, ist das heiß!“

„Oh, Sir, das tut mir so leid. Wie dumm von mir. Bitte kommen Sie doch nach hinten, da werden wir sehen, was wir tun können.“ Grimmig folgte John ihr durch das Lokal. Der wachsame Oberkellner nahte. „Sir, ich möchte mich für die Ungeschicklichkeit meiner Mitarbeiterin entschuldigen. Selbstverständlich kommen wir für die Reinigungskosten auf.“ Er wandte sich mit einem beherrschten Lächeln an Renie. „Und Sie bringen den Herrn zum Waschraum und sehen zu, dass er sein Essen bei uns halbwegs fleckenfrei genießen kann.“

„Ja, Mr. Chan“, sagte Renie folgsam, bedachte den Mann aber mit einigen gemurmelten Schimpfworten, während sie John durch einen dunklen Gang in den hinteren Teil des Hauses führte. Er dachte sich, dass Renie ihm wohl unter vier Augen etwas anvertrauen wollte.

Sie passierten die Küchentür, durch deren Oberlicht John eine schwitzende Kochmannschaft zwischen den Herden herumwirbeln sah. Weiter hinten stand eine Tür offen, aus der das Klappern von Geschirr drang. Zwischen Stapeln von Porzellantellern und einer Heerschar von Pfannen und Töpfen blickte eine junge Asiatin auf und warf John einen verschreckten Blick zu.

„Da rein, das ist die Personaltoilette“, drängte Renie. John ließ sich durch die gegenüberliegende Tür schieben. Renie ließ die Tür einen Spalt offen und sagte laut, „So, Mr. Miller, nun wollen wir mal sehen, ob wir die Flecken herausbekommen. Vielleicht möchten Sie Ihr Sakko ablegen, damit wir den Ärmel reinigen können.“ Sie drehte den Wasserhahn auf und zischte, „Jetzt kommt der schmerzhafte Part, John, es tut mir leid“

„Also Renie, jetzt erklär mir aber mal, was hier los ist“, begann er alarmiert, aber sie legte einen Finger auf die Lippen und sah vorsichtig noch einmal in den menschenleeren Gang hinaus. „Keine Zeit für Erklärungen. Versuch mich zu küssen.“

Erschrocken wich er zurück. Jetzt hatte sie offenbar komplett den Verstand verloren.

Renie begann lauthals zu schreien. „Sie widerliches Scheusal! Lassen Sie die Finger von mir, Sie Monster! Hilfe, Li!“ Nun platzte John der Kragen. Er packte seine Nichte an den Oberarmen und schüttelte sie. „Was soll das?“

„Li! Bitte hilf mir, der Kerl will mich vergewaltigen!“ In der Tür stand das Küchenmädchen, eine riesige Fleischgabel mit gefährlich aussehenden Zinken in der Hand. In diesem Moment gab Renie John einen kräftigen Stoß, so dass er nach hinten gegen die geflieste Wand krachte. „Gott sei Dank bist du da! Komm, hilf mir, den Kerl rauszuschmeißen, so lange er noch ein wenig benommen ist.“

Die jungen Frauen zogen John hoch und bugsierten ihn zum Hinterausgang. „Sollen wir ihn nicht der Polizei übergeben?“, fragte die Asiatin ängstlich.

Hastig antwortete Renie, „Nein, nein, ich will nichts mit denen zu tun haben. Und dem Typen hier war das bestimmt eine Lehre.“ Schwungvoll stießen sie ihn zwei Stufen hinunter, die in eine schmale, kaum beleuchtete Gasse führten. Renie warf das Sakko hinterher und rief triumphierend, „So, und jetzt scher dich zum Teufel und lass dich hier nie wieder blicken!“ Bevor sie wieder ins Haus zurücktrat, wisperte sie, „Warte hier, ich versuche, dir deine Jacke zu bringen“. Mit einem Krach zog sie die Eisentür zu.

John rappelte sich mühsam hoch. Beim Sturz von der Treppe hatte er sich den Knöchel verstaucht, sein Sakko war verdreckt und nass und sein Kopf brummte vom Aufprall auf die Wand. Er sank auf die unterste Treppenstufe und vergrub den Kopf in den Händen. Womit habe ich das nur verdient? Diese Göre überschüttet mich mit heißer Suppe, beschuldigt mich, ich hätte mich an ihr vergreifen wollen und dann wirft sie mich eine Treppe hinunter.

Bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt begann er zudem erbärmlich zu zittern. Sein Magen knurrte vernehmlich, als er an das entgangene Essen dachte. Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte er eine Bewegung. Als er den Kopf hob, war niemand zu sehen. Wahrscheinlich Ratten. Riesige Ratten, die sich über mich hermachen werden, wenn ich hier jämmerlich erfroren bin, bemitleidete er sich selbst.

Als Renie nach endlos langer Zeit verstohlen die Hintertür öffnete und herauslugte, traf sie der mordlustige Blick ihres Onkels.

„Sag jetzt nichts, John! Ich erkläre dir morgen alles. Hier ist deine Jacke. Gute Nacht.“ Sie warf ihm eine Kusshand zu und verschwand. John blieb nichts übrig, als zur nächsten U-Bahn zu hinken.

Früh am nächsten Morgen nahm er den Telefonhörer zur Hand und wählte mit einem grimmigen Lächeln. „Bella Hughes“, meldete sich seine jüngste Nichte etwas atemlos.

„Guten Morgen, Bella, Onkel John hier. Du machst dich wahrscheinlich gerade auf den Weg zur Schule?“

„Ja, Mummy fährt schon das Auto aus der Garage. Möchtest du sie sprechen?“

„Nein, ich hätte gern mit Renie gesprochen. Ist sie da?“