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»Nach Norden«, murmelte Fidelma.

»Samradan hat dir gesagt, er wolle nach Norden«, erinnerte sie Eadulf.

»Allerdings«, sagte Fidelma langsam. »Nach Norden.«

Bruder Tomar wartete noch. »Das stimmt, Schwester. Ich hörte, wie er seine Kutscher anwies, sie sollten zur Furt des Toten Flusses fahren.«

Fidelma dankte dem Pferdewärter, dann gingen sie und Eadulf auf die Suche nach dem Apotheker.

Als sie die Totenkammer der Abtei betraten, fanden sie Bruder Bardan, den Apotheker und Bestatter der Abtei, allein dort vor. Er legte gerade letzte Hand an das Leichentuch seines Freundes, des jungen Bruders Daig. Seine Augen waren gerötet und seine Wangen feucht von Tränen.

»Was sucht ihr hier?« fragte er gereizt.

»Beruhige dich, Bruder«, versuchte Fidelma ihn zu besänftigen. »Ich verstehe, daß dir der arme Daig sehr nahe stand. Wir wollen dich auch nicht in deinem Schmerz stören, doch wir müssen uns die Leiche des Kriegers genauer ansehen.«

Verärgert wies Bruder Bardan auf die andere Seite der Kammer.

»Die Leiche liegt auf dem Tisch dort in der Ecke.

Ich bereite sie nicht zur Bestattung vor. Der hat kein christliches Begräbnis verdient«, sagte er in aggressivem Tonfall, als erwarte er Widerspruch.

»Das ist dein gutes Recht«, bestätigte Fidelma ihm ungerührt. »Wo ist Creds Leiche? Liegt sie auch hier?«

»Ihre Leiche ist schon hergerichtet, und ihre Angehörigen haben sie zum Friedhof des Ortes gebracht. Ich habe gehört, daß viele Menschen bei dem Überfall getötet wurden und heute begraben werden müssen.«

Fidelma ging hinüber zu der Leiche des Kriegers und winkte Eadulf, ihr zu folgen.

Noch hatte niemand Arme und Beine des Mannes losgebunden. Nach wie vor bedeckte der Helm seinen Kopf, und das Visier war geschlossen.

Fidelma nahm ihm den Helm ab. Der Mann war Anfang dreißig. Seine Züge waren grob und von seiner Lebensweise verhärtet. Auf der Stirn wies er die blasse Narbe eines alten Schwerthiebs auf. Seine Knollennase und sein gedunsenes Gesicht ließen vermuten, daß er dem Essen und Trinken sehr zugetan war.

»Binde ihm Hände und Füße los, Eadulf.«

Eadulf befolgte ihre Anweisung, während sie auf den Toten hinabstarrte, in der Hoffnung, irgend etwas zu finden, was Näheres über seine Person aussagte. Ihr erster Eindruck bestätigte sich, daß es sich um einen Berufskrieger handelte. Allerdings war sein Kettenhemd alt und stellenweise vom Rost angefressen.

Sie half Eadulf, dem Toten den Waffengurt abzunehmen. Dann zogen sie ihm das Kettenhemd und den Lederkoller aus. Darunter trug er ein schwarzgefärbtes Leinenhemd und einen Kilt. An all dem war nicht zu erkennen, wer er war oder woher er kam.

Sie stellte fest, daß sein Mörder ihm den Dolch unter dem Kettenhemd in die Brust gestoßen hatte. Der Tod mußte schnell eingetreten sein. Sie forderte Ea-dulf auf, ihm das Hemd und die Unterkleidung auszuziehen.

Auch der Körper wies keine besonderen Merkmale auf, nur ein paar alte Narben von Verwundungen, die zeigten, daß er sein Leben als Berufskrieger verbracht hatte.

»Allerdings war er kein guter Krieger«, ergänzte Fidelma, nachdem Eadulf das festgestellt hatte.

»Woher weißt du das?«

»Er ist zu oft verwundet worden. Der bessere Krieger ist der, der solche Wunden zufügt.«

Schweigend nahm Eadulf das zur Kenntnis.

»Es ist doch eigenartig, daß er keine Geldtasche bei sich trägt«, sagte Fidelma nach einer Weile.

Eadulf versuchte zu erraten, worauf sie hinauswollte.

»Ach so.« Sein Gesicht hellte sich auf. »Du meinst, wenn er ein Berufskrieger war, ein Söldner, würde er sich für seine Dienste bezahlen lassen?«

»Genau. Wo hätte er dann seine Geldtasche?«

»Er würde sie zu Hause lassen.«

»Und wenn er weit weg von zu Hause wäre, was dann?«

Darauf wußte Eadulf keine Antwort.

»Er könnte sie irgendwo hinterlegen und sie nach dem Überfall wieder abholen. Doch das ist gefährlich. Nein, die meisten Berufskrieger führen ihre Habe bei sich.« Plötzlich erhellte sich ihr Gesicht. »Vielleicht hatte er Satteltaschen. Ich hatte fast vergessen, daß wir ja auch noch sein Pferd haben.«

Sie sah zu Bruder Bardan hinüber, der mit seiner Arbeit fertig war. »Was willst du mit der Leiche dieses Mannes machen?«

»Meinetwegen kann sie verwesen«, erwiderte der Apotheker unversöhnlich.

»Verwesen wird sie sicher«, meinte Fidelma. »Nur wird man entscheiden müssen, ob man sie hier verwesen lassen will oder woanders.«

Bruder Bardan seufzte. »Jedenfalls wird sie nicht auf dem Gelände der Abtei begraben mit den anderen Brüdern, neben ...« Er wies auf die Leiche Bruder Daigs. »Ich werde Nion, den bo-aire, kommen lassen und ihn bitten, die Leiche zum Friedhof des Ortes schaffen zu lassen.«

»Sehr gut«, sagte Fidelma und setzte leise zu Eadulf hinzu: »Wir gehen zum Pferdestall und sehen uns Pferd und Zaumzeug des Kriegers an.«

Eadulf nahm das Schwert des Mannes auf.

»Hast du das schon untersucht?« fragte er.

Sie schüttelte den Kopf und ließ es sich reichen. Es war ungefähr neunzig Zentimeter lang, die Klinge wurde in der Mitte breiter, ehe sie sich zum Heft hin wieder verjüngte. Das Heft war mit sechs Nieten befestigt.

»Das ist nicht das Schwert eines armen Mannes«, meinte Eadulf. »Mir ist, als hätte ich kürzlich eins von ähnlicher Machart gesehen.«

»Das hast du auch«, erwiderte sie ironisch. »Es ähnelt dem des Attentäters. Erinnerst du dich? Dies ist auch ein claideb det.«

»Ein Zahnschwert?« übersetzte Eadulf wörtlich. »Ich dachte, es wäre aus Metall gemacht wie alle anderen.«

Fidelma lächelte geduldig und wies auf den Griff. »Das Heft ist mit eingeritzten Tierzähnen verziert. Ich weiß, daß nur in einer bestimmten Gegend in den fünf Königreichen Eireanns die Schmiede solchen Schmuck verwenden, wenn ich nur wüßte, in welcher. Es ist eine ganz typische Verzierung.«

»Du meinst, daran könnte man erkennen, woher dieser Mann kommt?«

»Nicht unbedingt«, erwiderte sie. »Wir wüßten nur, wo das Schwert hergestellt wurde. Aber da wir gerade von Zufällen sprachen, es ist doch wohl kaum ein Zufall, daß der Attentäter und dieser Räuber eine solche auffallende Waffe führten?«

Eadulf überlegte und nickte zustimmend. »Wie hast du es genannt - claideb det?« fragte er und betrachtete die Waffe mit neuem Interesse.

»Machaeram beluinis ornatam dolatis dentibus«, erklärte sie es ihm lateinisch. »Ein mit eingeritzten Tierzähnen geschmücktes Schwert. Behalte es, Eadulf. Es kann noch einmal wichtig werden.«

Ein letztes Mal untersuchte Fidelma die Leiche und die Kleidung des Kriegers und stellte fest: »Nein, hier gibt es keine Hinweise, die uns weiterhelfen könnten. Wir wissen nur, daß der Mann kein Amateur war, doch ob er als Berufskrieger im Dienste eines Fürsten stand oder als Bandit einfach auf Beute aus war, das läßt sich nicht sagen. Alles, was er trug, könnte aus jeder Ecke der fünf Königreiche stammen, mit Ausnahme .«

»Mit Ausnahme des Schwertes«, unterbrach sie Ea-dulf.

»Mit Ausnahme des Schwertes«, wiederholte sie. »Aber das nützt mir nichts, solange ich mich nicht erinnern kann, welcher Stamm seine Schwerter auf diese Art verziert.«

Sie wandte sich zur Tür der Totenkammer und erklärte Bruder Bardan: »Ich bin mit der Leiche des Räubers fertig.«

Der Apotheker nickte knapp. »Mach dir keine Sorgen. Die wird beseitigt.«

Draußen zog Eadulf ein mißbilligendes Gesicht. »Anscheinend nimmt Bruder Bardan die Lehre unseres Glaubens, man solle seinen Feinden vergeben, nicht sehr ernst. >Seid aber untereinander freundlich, herzlich und vergebet einer dem andern, gleichwie Gott euch vergeben hat in Christo.< Vielleicht sollte man ihn an diesen Text erinnern?«