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»Ihr reist also beide ab?«

»Ja«, antwortete sie geduldig.

»Ist das Rätsel des Verschwindens von Bruder Mochta denn gelöst?«

»Wir werden mehr wissen, wenn in ein paar Tagen die Brehons in Cashel zusammentreten«, erwiderte sie und warf ihrem Pferd die Zügel über den Kopf. Sie zog die Riemen fest und legte dem geduldigen Tier den Sattel auf.

Widerwillig begann Tomar auch Eadulfs Pferd aufzuzäumen.

»Wie ich hörte, ist der Anwalt der Ui Fidgente schon auf dem Wege nach Cashel.«

Deshalb also hatte sie Solam am Vormittag nicht mehr gesehen. Fidelma verbarg ihre Überraschung.

»Tatsächlich? Ich dachte, er wollte hier in Imleach noch einiges herausfinden, ehe er nach Cashel weiterreiste.«

Bruder Tomar kicherte höhnisch.

»Das wäre ihm wohl schwergefallen bei all dem Groll hier gegen die Ui Fidgente. Nein, er mußte sich Schutz vom Fürsten von Cnoc Äine erbitten, damit er überhaupt weiter konnte. Ich sah ihn erst vor einer Stunde in Begleitung Finguines von hier wegreiten.«

»Heißt das, Finguine persönlich gibt Solam das Geleit auf dem Wege nach Cashel?«

Bruder Tomar kicherte wieder. »Allein würde er wohl kaum bis zum Brunnen von Ara kommen. Ich glaube, Finguine fürchtet, Solam könnte in einen Hinterhalt geraten.«

»Wie kommst du darauf?« fragte Fidelma den Pferdewärter, nun ganz Ohr.

»Finguine und Solam sagten beim Aufbruch, sie wollten nach Cashel, schlugen aber dann den Weg nach Norden ein. Der Weg nach Cashel geht gerade nach Osten. Ich glaube, Finguine macht mit Solam einen Umweg, um die direkte Straße zum Brunnen von Ara und nach Cashel zu meiden.«

Fidelma überlegte einen Moment, dann fuhr sie fort, ihr Pferd zu satteln.

»Bist du sicher, daß sie nach Cashel wollten?« fragte sie.

Bruder Tomar lächelte nachsichtig. »Solam hat mir selber gesagt, sein Reiseziel sei Cashel.«

Fidelma äußerte sich nicht dazu. Was Solam Bruder Tomar erzählt hatte, mußte nicht stimmen. Unverständlich war für sie, daß Finguine Solam persönlich begleitete und diese Aufgabe nicht einigen seiner Krieger überließ.

Schweigend prüfte Fidelma, ob die Satteltaschen festgeschnallt waren und Eadulfs Stab an seinem Sattel befestigt war. Bruder Tomar führte Eadulfs Pferd aus dem Stall heraus.

»Wo ist denn der Angelsachse?« fragte er und sah sich suchend um.

»Ich treffe mich mit ihm in der Stadt«, log Fidelma rasch und rechtfertigte sich im stillen mit dem Sprichwort minima de malis - wähle das geringere von zwei Übeln. Sie wollte Bruder Tomar auf keinen Fall wissen lassen, was sie vorhatte.

Sie führte ihre Stute aus dem Stall, saß auf und nahm die Zügel von Eadulfs Pferd. Sie verabschiedete sich von Bruder Tomar, der ihr von der Stalltür aus neugierig zusah, und ritt im Schritt über den Hof und durch das Tor. Sie war froh, daß außer Bruder Tomar niemand ihre Abreise beobachtete. Draußen ließ sie die Pferde in Trab fallen und überquerte die Rasenfläche vor der Stadt. Einwohner und einige von Fingui-nes Kriegern waren noch dabei, Trümmer zu beseitigen.

Im Ort ließ sie die Pferde wieder im Schritt gehen. An der Schmiede bog sie in eine Nebengasse ein, um sich Späherblicken zu entziehen. Nion, der bo-aire und Schmied, war mit seinem Gehilfen Suibne beim Aufräumen. Er hob den Kopf und schaute ihr nach, aber sie tat so, als sähe sie ihn nicht. Ihr gefiel die Art nicht, wie er sie anstarrte. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, daß er etwas zu seinem Gehilfen sagte und davoneilte. Rasch ritt sie die Hauptstraße entlang auf die ausgebrannten Reste von Creds Herberge zu und dann durch eine Nebenstraße auf das offene Feld hinaus. Sie wählte ihren Weg sorgfältig.

Erst ritt sie in eine Richtung, die vom Ort und von dem Hill of the Cairn, wo sie sich mit Eadulf und Mochta treffen wollte, wegführte. Wer sie von der Abtei oder dem Ort aus beobachtete, würde wahrscheinlich annehmen, sie behielte diese Richtung bei. Es lag offenes Wiesengelände zwischen dem Ort und dem umgebenden Wald, und erst im Schutze der Bäume wollte sie im Halbkreis zu dem vereinbarten Treffpunkt gelangen.

Sobald sie in den Schutz des Waldes eingetaucht war, ließ sie auf einem schmalen Pfad ihre Stute wieder in Trab fallen, und Eadulfs Pferd lief fügsam hinterdrein. Sie war sich nicht sicher, ob sie gesehen worden war. Erst nach zehn Minuten ging sie wieder in Schritt über und erlaubte sich einen Blick zurück. Zwischen Bäumen und Büschen hindurch konnte sie den Ortsrand noch erkennen. Stadt und Abtei lagen beinahe verlassen da. Nichts regte sich dort. Fidelma entfuhr ein Seufzer der Erleichterung. Der Weg schien frei zu sein.

Sie ritt weiter auf dem Pfad und setzte zu dem Halbkreis an, der sie zum Hill of the Cairn bringen sollte. Im Wald war es kalt und feucht. Sie fragte sich, ob hier wohl die Wölfe ihre Lager hätten, und erschauerte leicht. An die Gefahren jener Nacht wollte sie nicht erinnert werden.

Sie spürte die ständige Bewegung im Wald, das Hin und Her seiner Bewohner, vom verstohlenen Trippeln der kleineren Tiere bis zum Knacken der Zweige, das das Rotwild verriet. Aus den höheren Zweigen vernahm sie das vielstimmige Konzert der Vögel.

Sie ritt so schnell, wie es der Weg erlaubte, kreuzte hin und wieder einen flachen Bachlauf und kam schließlich an einen schmalen Streifen Wiese. Sie wollte schon aus dem Wald hinaus auf die Wiese reiten, als sie einen anderen Ton hörte, der sich von den Waldgeräuschen abhob. Es war der Klang von Hufen, beschlagenen Hufen. Sie kamen rasch näher. Schnell trieb sie die Pferde zurück in den Wald und sah sich nach einer Deckung abseits vom Wege um.

Sie fand ein geeignetes Dickicht ganz in der Nähe, glitt aus dem Sattel und band die Zügel beider Pferde an Ästen fest. Dann schlich sie sich geduckt an den Weg zurück.

Ein halbes Dutzend Reiter erschien am Rande des Waldes und hielt an der Mündung des Weges, auf dem sie gekommen war.

Beim Anblick der beiden vordersten Reiter wollte sie ihren Augen kaum trauen.

Der eine war Solam, der dalaigh der Ui Fidgente, der andere ihr Vetter Finguine, der Fürst von Cnoc Äine. Die vier anderen Männer waren offensichtlich Krieger Finguines.

»Na?« hörte sie Solams hohe, quengelnde Stimme. »Haben wir nun ihre Spur verloren oder nicht?«

Die Stimme ihres Vetters klang ebenfalls angespannt und gereizt. »Mach dir keine Sorgen. Ich kenne mich hier aus. Es gibt nur wenige Stellen, an denen sie sich verstecken können. Wir werden sie schon finden.«

Ein eisiger Schauer durchlief Fidelma.

Wen mochten sie wohl meinen? Wieso hielt Fin-guine mit Solam zusammen, wo er doch behauptete, ihm zu mißtrauen, und die Ui Fidgente für den Überfall auf Imleach verantwortlich machte? Wäre ihr Fin-guine allein mit seinen Kriegern begegnet, hätte sie ihn zweifellos angesprochen und ihm alles über Bruder Mochta berichtet. Doch warum hatte er Solam bei sich?

»Nun, je eher wir diesen Mönch finden - wie heißt er doch gleich? - Mochta? -, desto schneller sind wir hier fertig«, fauchte Solam. »Den Schlüssel bilden die heiligen Reliquien, daran habe ich keinen Zweifel.«

Fidelmas Augen weiteten sich.

»Wir durchsuchen zuerst die Höhlen im Süden. Dann gibt es noch eine Höhle im Hill of the Cairn im Norden«, antwortete ihr Vetter.

Er hob die Hand, und der Reitertrupp setzte sich wieder in Bewegung.

Fidelma verharrte einige Augenblicke und versuchte zu verstehen, was sie da eben gehört hatte.

Dann erhob sie sich und eilte zu den Pferden zurück. Aus irgendeinem ihr unbekannten Grunde schien ihr Vetter, der Fürst von Cnoc Äine, nach Bruder Mochta zu suchen. Sie fragte sich, ob Eadulf Mochta schon den Berg hinunter in den Schutz des Waldes am Fluß Ara gebracht hatte. Finguine und So-lam durften die Höhle im Hill of the Cairn nicht vor ihr erreichen. Zum Glück hatte Finguine vorgeschlagen, zuerst die Höhlen im Süden abzusuchen, wo die auch sein mochten. Das gab ihr Zeit, früher als sie zu Mochta und Eadulf zu gelangen.