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Fidelma drückte ihrem Pferd die Hacken in die Flanken und ritt im Trab über die Wiese und um den Wald herum auf den Berg zu. Sie dachte über Fingui-ne und über Bruder Mochta nach und darüber, wie er von seinem Bruder verraten worden war. Was hatte er doch gesagt? Blut verbindet nicht zu gemeinsamen Zielen. Sie ritt am Fuße des Berges entlang zu seiner Ostseite, an der sich ein weiterer Waldstreifen durch das Tal bis zum Brunnen von Ara hinzog.

In einiger Entfernung sah sie Eadulf und Mochta den Berg herabkommen. Eadulf trug das Reliquiar unter dem einen Arm, und mit dem anderen stützte er Bruder Mochta, der ihm den Arm um die Schulter gelegt hatte und nur mühsam vorankam.

Mit einem lauten Ruf machte Fidelma sie auf sich aufmerksam. Die beiden blieben stehen, erkannten sie und setzten ihren Weg fort.

Fidelma trieb die Pferde den steilen Abhang so weit empor, wie es möglich war, und wartete dann auf die beiden. Sie war abgestiegen und hielt die Pferde fest. Es dauerte eine Weile, bis Eadulf und Mochta sie erreichten.

»Puh!« keuchte Eadulf, als sie herankamen. »Ich könnte eine Pause gebrauchen.«

Bruder Mochta wollte sich schon vorsichtig setzen, doch Fidelma schüttelte den Kopf.

»Nicht hier. Wir müssen so schnell wie möglich in den Schutz des Waldes da unten gelangen.«

»Warum?« fragte Eadulf, verwundert über ihren scharfen Ton.

»Weil Reiter unterwegs sind und nach Bruder Mochta und den heiligen Reliquien suchen.«

Bruder Mochta blinzelte. »Ui Fidgente?« keuchte er.

»Einer davon«, gab Fidelma zu. »Solam.«

Eadulf verstand ihre Einschränkung. »Und die anderen?«

»Mein Vetter begleitet Solam.«

Eadulf wollte noch eine Bemerkung machen, aber Fidelma schwang sich schon in den Sattel.

»Gib mir das Reliquiar«, befahl sie. »Das nehme ich. Bruder Mochta muß vor dir aufsitzen, Eadulf. So kannst du ihn stützen. Wir können weiterreden, wenn wir diese offene Gegend verlassen haben.«

Eadulf schwieg, reichte Fidelma das Reliquiar und half Bruder Mochta in den Sattel seines Pferdes. Dann kletterte er selbst hinauf. Eadulf war kein gewandter Reiter und stieg nicht eben elegant auf. Ziemlich ungeschickt lenkte er sein geduldiges junges Pferd hinter Fidelma her den Berghang hinunter in den Schutz des Waldes, den der Fluß durchzog, aber es ging.

Fidelma hielt nicht sofort an, als sie unter das Dach der Bäume kamen, sondern ritt noch ein Stück weiter. Nach ungefähr einer Meile erreichten sie eine Lichtung am Fluß, und hier stieg Fidelma ab und führte ihr Stute ans Ufer. Dann half sie Eadulf, Bruder Mochta vom Pferd zu heben. Dankbar sank der Mönch ins Gras.

»Willst du damit behaupten, der Fürst gehöre auch zu den Verschwörern?« keuchte er sofort und massierte sein Bein.

»Ich behaupte nichts dergleichen«, erwiderte Fi-delma ruhig. »Ich sage lediglich, daß er und Solam mit einigen seiner Krieger offenbar nach dir und den heiligen Reliquien fahnden. Sie wollen die Höhlen absuchen.«

Eadulf machte eine zornige Geste. »Aber das bedeutet doch, daß er mit den Ui Fidgente verbündet ist, mit Armagh und mit den Ui Neill! Dein eigener Vetter hat seinen König verraten.«

»Es bedeutet, daß er und Solam nach Bruder Moch-ta suchen«, erwiderte Fidelma spitz. »Fälle keine Urteile, bevor du nicht alle Zusammenhänge kennst. Erinnerst du dich nicht an meine Grundsätze?«

Eadulf hob trotzig den Kopf. »Du möchtest nicht zugeben, daß dein Vetter eines solchen Verrats schuldig ist. Aber welche anderen Schlüsse soll man aus dem ziehen, was du sagst?«

»Man kann verschiedene Schlüsse daraus ziehen, aber es ist zwecklos, darüber zu spekulieren. Spekulieren, ohne über alle Vorgänge voll im Bilde zu sein, ist das Schlimmste, was man tun kann, das habe ich schon oft gesagt. Wenn man das macht, verdreht man die Tatsachen so, daß sie in die vorgefaßte Theorie passen.«

Eadulf verfiel in ein grollendes Schweigen.

Bruder Mochta streckte seine schmerzenden Glieder und schaute unsicher zu Fidelma auf. »Also, Schwester, was hast du als nächstes vor?«

Fidelma betrachtete Bruder Mochta einen Moment und faßte dann einen Entschluß.

»Ich glaube nicht, daß du in diesem Zustand heute noch viel weiter reiten kannst. Wir sehen zu, daß wir es bis zum Brunnen von Ara schaffen, und ruhen uns dort aus. Dem Gastwirt dort kann ich vertrauen. Dann geht es in kurzen Etappen weiter nach Cashel.«

Sie erreichten Aonas Gasthaus bei Einbruch der Nacht. Fidelma bestand darauf, daß sie sich ihm nicht auf direktem Wege näherten, sondern von der Rückseite her. Die Hunde waren noch festgemacht, aber man konnte sie schon bellen und an ihren Leinen zerren hören. Als sie an der Hintertür des Gasthauses standen, öffnete sich diese. Eine Stimme rief sie an und wollte wissen, wer sich da so heimlich heranschlich.

Es war Aona, wie Fidelma zu ihrer Beruhigung sofort bemerkte.

»Ich bin’s, Fidelma, Aona.«

»Lady?« fragte er verblüfft, weil sie so leise geantwortet hatte.

Der Gastwirt kam heraus und hielt ihr Pferd am Zügel, während sie abstieg. Dann befahl er den Hunden, still zu sein. Sie verfielen in unwilliges Jaulen.

»Aona, hält sich heute abend noch jemand im Gasthaus auf?« fragte Fidelma.

»Ja, ein Kaufmann und seine Kutscher. Sie sind beim Abendessen.« Er spähte ins Dunkel, wo Eadulf und Mochta noch auf ihrem Pferd saßen. »Ist das der angelsächsische Bruder?«

»Hör zu, Aona, wir brauchen Zimmer für die Nacht. Es darf aber niemand erfahren, daß wir hier sind. Verstehst du mich?«

»Ja, Lady. Es wird so gemacht, wie du es wünschst.«

»Haben deine Gäste gehört, daß jemand gekommen ist?«

»Das glaube ich nicht. Sie machen großen Lärm beim Essen. Sie haben dem Ale tüchtig zugesprochen.«

»Gut. Können wir in ein Zimmer gelangen, ohne daß der Kaufmann oder ein anderer uns sieht?«

Aona überlegte einen Moment und nickte dann. »Kommt mit mir direkt zum Stall. Darüber gibt es einen Raum, der nur in Notfällen benutzt wird, wenn das Haus überfüllt ist - was eigentlich nie vorkommt. Der Raum ist sehr spartanisch eingerichtet, aber dort stört euch niemand.«

»Ausgezeichnet«, erklärte Fidelma zufrieden.

Aona merkte, daß Bruder Mochta verletzt war, als Eadulf sich bemühte, ihn vom Pferd zu heben. Er ging hin und half ihm. Fidelma legte ihm warnend die Hand auf den Arm.

»Keine Fragen, Aona. Es geht um die Sicherheit des Königs von Muman. Mehr sage ich dir nicht. Laß niemanden wissen, daß wir hier sind, besonders die Gäste nicht.«

»Du kannst dich auf mich verlassen, Lady. Führt eure Pferde in den Stall. Hier entlang.«

Er half Eadulf, Bruder Mochta zum Stall zu bringen, während Fidelma die Pferde führte. Zwei schwere Frachtwagen standen im Hof vor den Ställen. Aona zündete eine Lampe an, und Fidelma stellte die Pferde in verschiedenen Boxen ein.

»Ich kümmere mich gleich um die Tiere«, sagte Aona. »Aber erst zeige ich euch euren Schlafraum.«

Er half Bruder Mochta die schmale Treppe hoch, die auf den Dachboden führte. Sie kamen in einen einfachen Raum mit vier Bettgestellen, auf denen Strohsäcke lagen. Es gab noch ein paar Stühle, einen Tisch und weiter nichts. Alles war mit Staub bedeckt.

»Wie gesagt«, bemerkte Aona entschuldigend und zog ein Stück Leinwand vor das Fenster, »der Raum wird kaum benutzt.«

»Für diesmal genügt er uns«, versicherte ihm Fidelma.

»Ist dein Gefährte schwer verletzt?« erkundigte sich Aona und wies auf Bruder Mochta. »Soll ich einen verschwiegenen Arzt holen?«

»Nicht nötig«, erwiderte Fidelma. »Mein Begleiter ist medizinisch ausgebildet.«

Aona hob plötzlich die Lampe und leuchtete Bruder Mochta ins Gesicht. Seine Augen weiteten sich.

»Ich kenne dich«, meinte er. »Ja, du bist derselbe Mann, nach dem Schwester Fidelma gefragt hat. Aber ...« - verwirrt hielt er inne - »als du vorige Woche hier warst, hattest du doch eine andere Tonsur. Das kann ich beschwören.«