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Bruder Mochta unterdrückte ein Stöhnen. »Weil ich vorige Woche gar nicht hier war, Wirt.«

»Aber ich kann beschwören .«

Fidelma unterbrach ihn mit einem beruhigenden Lächeln. »Das ist eine lange Geschichte, Aona.«

Der Wirt entschuldigte sich. »Keine Fragen, Lady, ich weiß.«

Er öffnete einen Schrank und nahm ein paar Dek-ken heraus.

»Wie gesagt, dieser Raum wird nur benutzt, wenn das Gasthaus voll ist, was kaum jemals vorkommt. Er ist sehr einfach.«

»Besser hier als auf der Heide schlafen«, meinte Ea-dulf.

Fidelma nahm den Wirt beiseite und gab ihm Anweisungen.

»Sobald du unsere Pferde versorgt hast, möchten wir etwas zu essen und zu trinken. Kannst du das einrichten, ohne daß jemand etwas davon merkt?«

»Das mache ich. Ich muß aber meinen Enkel Adag einweihen. Er ist ein guter Junge und verrät euch nicht. Er ist meine rechte Hand hier im Gasthaus. Ich habe keine Frau mehr. Sie starb an der Gelben Pest im selben Jahr wie meine Schwiegertochter. Mein Sohn fiel im Krieg gegen die Ui Fidgente. So sind nur wir beide noch übrig und führen das Gasthaus.«

»Ich erinnere mich an Adag«, versicherte ihm Fi-delma. »Ihm kannst du auf jeden Fall von unserer Ankunft erzählen. Was sagtest du, wer sich noch im Gasthaus aufhält? Kaufleute?«

»Ein Kaufmann und zwei Kutscher. Ihnen gehören die Wagen da draußen. Übrigens ...« Er überlegte. »Den Kaufmann kennst du vielleicht, er ist aus Cas-hel.«

»Ist es etwa Samradan?« erkundigte sich Eadulf.

Aona sah ihn überrascht an. »Ja, genau der.«

»Dann erwähne auf keinen Fall, daß wir hier sind«, wies ihn Fidelma an.

»Sollte ich etwas über ihn wissen?« fragte Aona neugierig.

»Es ist einfach besser, wenn er nicht erfährt, daß wir hier übernachten«, erwiderte Fidelma.

»Hat das etwas mit dem Überfall auf die Abtei neulich nacht zu tun? Davon habe ich schon gehört.«

»Ich sagte, keine Fragen, Aona, und du warst einverstanden«, tadelte ihn Fidelma milde.

Der alte Krieger machte ein zerknirschtes Gesicht. »Vergib mir, Lady. Aber Samradan erzählte gerade von dem Überfall.«

»Ach? Was hat er denn gesagt?« Sie tat so, als sei sie mit dem Vorhang beschäftigt.

»Er beschrieb den Angriff und meinte, es seien die Ui Fidgente gewesen. Wie können sie nur so verräterisch handeln? Und das, während ihr Fürst sich als Gast deines Bruders in Cashel aufhält?«

»Wir wissen noch nicht mit Sicherheit, ob es die Ui Fidgente waren«, entgegnete Fidelma. »Wann ist Sam-radan denn angekommen?«

»Ein oder zwei Stunden vor euch, Lady.«

Fidelma schaute Eadulf an. »Das bedeutet, daß er nicht nach Norden gefahren sein kann. Interessant.«

Eadulf verstand nicht, was daran interessant sein sollte.

Aona öffnete den Mund zu einer Frage, überlegte es sich dann aber anders.

»Nun los, Aona«, befahl sie. »Wir brauchen eine Mahlzeit, sobald du kannst.«

Der Wirt stieg die Treppe hinunter.

»Und denke daran«, rief ihm Fidelma nach, »kein Wort, außer zu deinem Enkel.«

»Das schwöre ich auf das heilige Kreuz, Lady.«

Als er fort war, sah sich Eadulf Mochtas Schulter und Bein genauer an. Er war zwar kein ausgebildeter Arzt, doch seit seinem Medizinstudium führte er immer verschiedene Heilmittel bei sich.

»Na, die Wunden verheilen«, verkündete er. »Die Reise hat sie nicht verschlimmert. Bruder Bardan hat gute Arbeit geleistet. Sie werden noch eine Weile weh tun, aber sie heilen gut. Ich brauche die Verbände nicht zu wechseln.«

Bruder Mochta zwang sich zu einem Lächeln. »Die Reise hat aber meine Laune verschlimmert, mein angelsächsischer Freund. Ich habe das Gefühl, man hätte mich über Steine geschleift.«

Fidelma hatte einen Kerzenstummel entdeckt, den sie an der Lampe, die Aona ihnen dagelassen hatte, entzündete.

»Was hast du vor?« fragte Eadulf, als sie mit der Kerze in der Hand zur Treppe ging.

»Ich bin einfach neugierig, womit Samradan handelt«, antwortete sie. »Ich schau mir mal die Wagen an.«

Eadulf mißfiel das. »Ist das klug?« fragte er.

»Die Neugier ist manchmal mächtiger als die Klugheit. Kümmere dich um Bruder Mochta, bis ich zurück bin.«

Eadulf schüttelte mißbilligend den Kopf, als sie nach unten verschwand.

Aona war nicht im Stall, und die Pferde waren noch nicht abgesattelt. Wahrscheinlich gab er gerade Adag seine Anweisungen.

Fidelma trat hinaus auf den Hof, der nun in Dunkelheit lag bis auf die Laterne, die nach dem Gesetz den Standort des Gasthauses bezeichnete. Die Wolken hatten den Einbruch der Nacht beschleunigt. Dort standen die beiden schweren Wagen, mit Planen abgedeckt, um die Ladung vor Regen zu schützen. Sie ging um die Wagen herum. Die Planen waren mit Lederriemen verschnürt. Sie stellte die Kerze auf ein Rad, in der Hoffnung, der Wind würde sie nicht ausblasen, und löste einen der Riemen. Dann schob sie die Abdeckung beiseite.

Im Kerzenlicht erkannte sie eine Reihe von Schürf-werkzeugen, Spaten, Spitzhacken und ähnliches. Dann stieß sie auf Ledersäcke, die anscheinend mit Gesteinsbrocken gefüllt waren. Sie holte ein paar Stücke heraus und untersuchte sie. Das Kerzenlicht gab nichts preis. Sie legte sie wieder zurück und schaute in einen anderen Sack. Er enthielt Metallbrocken. Als sie einen herausnahm, glitzerte er in der Hand.

Also waren Samradan und seine Männer nicht nur Kaufleute? Sie hatte den Verdacht, sie sei etwas Unrechtem auf der Spur. Das war Silbererz. Mißbilligend schob sie es in den Sack zurück.

»Was machst du da?«

Die Stimme riß Fidelma aus ihren Gedanken, und mit heftig klopfendem Herzen fuhr sie herum.

Ein kleiner Junge stand da mit einer Laterne in der Hand.

Fidelma wurde sichtlich wohler, als sie ihn erkannte.

»Hallo Adag«, begrüßte sie Aonas Enkel. »Erinnerst du dich noch an mich?«

Der Junge nickte langsam.

Fidelma brachte die Lederplane in Ordnung und verschnürte sie wieder. Dann trat sie von dem Wagen fort.

»Du hast noch nicht gesagt, was du da machst«, be-harrte der Junge.

»Nein«, gab Fidelma zu, »das habe ich noch nicht.«

»Du hast was gesucht«, bemerkte der Junge mißbilligend. »Es gehört sich nicht, daß man in den Sachen anderer Leute stöbert.«

»Es gehört sich auch nicht, die Sachen anderer Leute zu stehlen. Ich habe nachgeschaut, was auf diesen Wagen ist, um festzustellen, ob auch alles den Leuten gehört, die sie fahren. Dein Großvater hat mir gesagt, daß du ein Geheimnis für dich behalten kannst. Stimmt das?«

Der Junge sah sie verächtlich an. »Natürlich stimmt das.«

Fidelma blickte den Kleinen mit großem Ernst an. »Dein Großvater hat dir auch gesagt, daß du mit keinem Wort irgend jemandem verraten darfst, daß ich und meine Gefährten hier sind. Besonders nicht den Männern im Gasthaus?«

Der Junge nickte feierlich. »Du hast mir aber immer noch nicht gesagt, was du auf den Wagen gesucht hast, Schwester.«

Fidelma schlug einen verschwörerischen Ton an. »Die Männer im Gasthaus deines Großvaters sind Räuber. Deshalb habe ich in ihre Wagen geschaut. Ich suche Beweise. Dein Großvater wird dir bestätigen, daß ich nicht nur eine Schwester, sondern auch eine dalaigh bin.«

Der Junge machte große Augen. Wie Fidelma es sich gedacht hatte, wurde er eher zu einem Verbündeten, wenn man ihn in das Geheimnis der Erwachsenen einweihte, als wenn man ihm einfach sagte, er solle sich um seine eigenen Sachen kümmern.

»Soll ich sie beobachten, Schwester?«

Fidelma blieb ernst. »Ich glaube, du bist der beste Mann dafür. Aber verrate ihnen nicht, daß wir sie im Verdacht haben.«